Es klingt nach einer Horror-Vorstellung für Eltern: Das Kind findet beim Spielen eine Waffe. Etwas weniger dramatisch, dafür wissenschaftlich relevanter, fällt die Sache aus, wenn es sich bei der Waffe um ein etwa 4700 Jahre altes Artefakt handelt. Dass er auf ein bedeutendes Stück Geschichte gestoßen ist, wusste der achtjährige Christoph nicht, als er 1968 im Lohwald bei Westheim an einem Bach spielte und dabei zufällig eine ganz besondere Klinge entdeckte.
Der Westheimer Dolch war eine Allzweckwaffe für Ernte, Jagd und Kampf
Der Dolch wurde aus mittelbraunem und rosafarbenem Plattenhornstein angefertigt, an manchen Stellen ist noch die graue Rinde der alten Steinoberfläche zu sehen. Die Klinge ist mit 12,4 Zentimetern etwa so lang wie ein Geodreieck und läuft an beiden Enden spitz zu. An der einen Spitze war vermutlich der Länge nach ein Holzgriff angebracht, der es erleichterte, mit dem Messer Fleisch zu schneiden oder Getreide zu ernten. Wer genau hinschaut, entdeckt eine gleichmäßige kleine Zähnung entlang der Klinge. Die wurde wohl mit Geweihspitzen in den Stein gekerbt.
Aber was fingen Menschen vor 4700 Jahren im heutigen Landkreis Augsburg mit einem spitzen, gezähnten Stein an? Der ursprüngliche Besitzer setzte die Klinge wohl nicht nur friedlich ein. Kreisheimatpflegerin Gisela Mahnkopf schätzt: "Mit hoher Wahrscheinlichkeit wurde sie auch zur Verteidigung und bei Auseinandersetzungen als Waffe eingesetzt."
Bei der Jagd, die um das Jahr 2700 vor Christus immer noch eine immens hohe Bedeutung hatte, sei der scharfe Dolch wohl ebenfalls verwendet worden. Denkbar, dass ein Jäger das Werkzeug verloren hat, als er gerade ein Wildschwein erlegen wollte, um seine Familie zu ernähren. Nach getaner Arbeit hat der Jäger den vielseitig einsetzbaren Dolch wohl auch beim Verzehr seiner Beute als Besteck verwendet.
Schlief der ursprüngliche Besitzer noch in einer Höhle oder unter freiem Himmel? Man dürfe sich die Region zu dieser Zeit nicht mehr als dichten Urwald vorstellen, sagt Mahnkopf: Menschen hätten bereits Landwirtschaft betrieben, ihr Vieh zum Weiden in den Wald getrieben und in Häusern aus Holz gelebt. Holz sei gefragt gewesen, neben dem Hausbau etwa zum Feuer machen. Dementsprechend sei der Verbrauch davon hoch gewesen. Die Auenwälder lichteten sich also durch Baumfällungen zunehmend.
Das Material für den Dolch stammt wohl aus Mittelfranken
Silex, der in Kalkstein ensteht, ist etwa in der Schwäbischen Alb zu finden. Mahnkopf tippt für die Klinge aber auf einen anderen Ursprungsort: Die seltene, braun-rosa Färbung spreche für das mittelfränkische Ochsenhart. Dort wurde vor tausenden Jahren Plattenhornstein mit genau dieser Farbe abgebaut. Ebenso wichtig wie Herkunft und Beschaffenheit ist es ohnehin, sich mit der Geschichte eines solchen Fundstücks auseinanderzusetzen. Die Kreisheimatpflegerin sagt: "Das ist nicht bloß ein Stück Material, sondern wurde von einem Menschen getragen."
Dieses und andere Stücke sind im Online-Museum Omfala des Arbeitskreises für Vor- und Frühgeschichte zu sehen. Es kann kostenlos im Internet unter omfala.de angesehen werden.
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