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Neusäß: Warum eine Sehbehinderte nicht mehr alleine ins Titania-Bad darf

Neusäß

Warum eine Sehbehinderte nicht mehr alleine ins Titania-Bad darf

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    Der Schwerbehindertenausweis von Angelika Höhne-Schaller trägt das „B“.
    Der Schwerbehindertenausweis von Angelika Höhne-Schaller trägt das „B“. Foto: Marcus Merk (Archivfoto)

    Es bleibt dabei: Angelika Höhne-Schaller (57) aus Horgau darf nicht mehr alleine das Freizeitbad Titania besuchen. Die fast vollständig blinde Frau hatte zivilrechtlich dagegen geklagt, dass seit dem Betreiberwechsel des Bads im Jahr 2013 für sie der Besuch ohne Begleitung nicht mehr möglich ist. Grund ist die damals neu überarbeitete Benutzerordnung, die Blinden und Epileptikern den Besuch des Bades nur mit einer Begleitperson gestattet – genauso wie Kindern, die jünger als acht Jahre sind.

    Weil Höhne-Schaller aber das Bad etwa zehn Jahre lang ohne Begleitung besucht hatte, während dieser Zeit gut zurechtkam und weil sie durch diese Vorgabe ihr Recht auf Gleichbehandlung eingeschränkt sieht, wollte sie sich mit der Entscheidung nicht abfinden. Nachdem jedoch bereits zu Beginn dieses Jahres das Augsburger Amtsgericht der Betreibergesellschaft des Titania recht gegeben hatte, wurde jetzt die Berufung Höhne-Schallers Berufung vom Landgericht Augsburg abgelehnt.

    Sicherheit von blinden Personen nicht ausreichend garantiert

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    Die Begründung von Richter Thomas Kessler: Das Gesetz lasse eine Benachteiligung ausnahmsweise dann zu, wenn dafür ein sachlicher Grund bestehe. Ein solch sachlicher Grund sei in der Pflicht des Schwimmbad-Betreibers zu sehen, die Badegäste vor Gefahren zu schützen. Gerade in einem Erlebnisbad mit seinen Strömungsanlagen und der aufwendigen Bauweise könne die Sicherheit von blinden Personen nicht ausreichend garantiert werden, wenn sie keine Begleitperson dabei hätten. Das hat auch ein Gutachten bestätigt, das von der Stadt Neusäß in Auftrag gegeben worden war.

    Das Recht auf eine Begleitperson, das ist im Behindertenausweis von Angelika Höhne-Schaller mit einem großen B ausgewiesen. Es besagt, dass der Ausweisinhaber eine Begleitperson mitbringen kann, etwa beim Besuch einer Theateraufführung, bei der Fahrt in einem öffentlichen Bus oder eben auch beim Schwimmbadbesuch. „Aber in Neusäß wird aus meinem Recht eine Pflicht gemacht“, empört sich die 57-Jährige, die auch bayerische Landesvorsitzende des Bundes zur Förderung Sehbehinderter (BFS) ist. Denn der Gesetzgeber habe bereits vor zehn Jahren klar gestellt, dass das Recht nicht eine Verpflichtung ist. Eben wegen jenes B in ihrem Behindertenausweis wollte das Kassenpersonal mit Verweis auf die neuen Richtlinien die Blinde vor zwei Jahren nicht mehr allein im Titania schwimmen lassen.

    Klägerin: "Da geht es doch um ein Vertrauensverhältnis"

    Ein Spaß- und Freizeitbad wie das Titania in Neusäß ist abwechslungsreich gebaut, manchmal ist auch viel los. Gerade das könnte für blinde Besucher aber gefährlich werden.
    Ein Spaß- und Freizeitbad wie das Titania in Neusäß ist abwechslungsreich gebaut, manchmal ist auch viel los. Gerade das könnte für blinde Besucher aber gefährlich werden. Foto: Marcus Merk (Archivfoto)

    Dabei würde das Titania sogar bei vorheriger Anmeldung eine Begleitperson bereit stellen. Aber das möchte die Klägerin nicht. „Da geht es doch um ein Vertrauensverhältnis.“ Und die Frage sei doch: Was dürfe so eine Begleitperson tun? Räumt sie der behinderten Person den Weg frei bis zum Becken, darf oder muss sie am Ende gar mit in die Umkleidekabine?

    Höhne-Schaller ist enttäuscht, dass hier nach ihrer Einschätzung die Verkehrssicherungspflicht über den Menschen gestellt werde. Und befürchtet, demnächst auch an anderer Stelle mit diesem Argument ausgeschlossen zu werden. Besonders unschön findet sie in diesem Zusammenhang, dass ihr am Rande der Urteilsbegründung gesagt würde, am besten wäre es, sie würde ihren Behindertenausweis überhaupt nicht vorzeigen, dann gebe es all diese Probleme überhaupt nicht. Die Stadt Neusäß hatte im Vorfeld den Kontakt zu der blinden Schwimmerin gesucht, einmal traf man sich sogar vor Ort. Ein Kompromiss scheiterte jedoch, da die Frau keine Sonderrechte für sich in Anspruch nehmen wollte, sondern sich für die Gleichstellung aller Sehbehinderter einsetzen wollte. Bürgermeister Richard Greiner hatte sich damals vor die Betreiber des Titania gestellt. „Wir gehen so vor, wie es sachgerecht ist“, sagte er. Am Dienstag war die Stadt Neusäß nicht zu einer Stellungnahme zu erreichen.

    Aufs Schwimmen will Höhne-Schaller auch in Zukunft nicht verzichten, das Baden im warmen Wasser tut ihr wegen einer weiteren Erkrankung gut. Sie hat sich nach anderen Bädern umgeschaut und fährt jetzt in die Therme nach Bad Wörishofen oder Erding. „Dort gilt der Grundsatz: Wer sich reintraut, der darf auch rein“, hat sie erfahren.

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