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Neusäß: Mutter eines autistischen Kindes: „Mein Sohn hat das Recht, anders zu sein"

Neusäß

Mutter eines autistischen Kindes: „Mein Sohn hat das Recht, anders zu sein"

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    Er hat das Recht, anders zu sein.“Cornelia Punke aus Neusäß mit Sohn Linus und Katze Snoopy. Die 35-Jährige hat eine Selbsthilfegruppe für Eltern autistischer Kinder gegründet.
    Er hat das Recht, anders zu sein.“Cornelia Punke aus Neusäß mit Sohn Linus und Katze Snoopy. Die 35-Jährige hat eine Selbsthilfegruppe für Eltern autistischer Kinder gegründet. Foto: Marcus Merk

    Er war ein Wunschkind. Doch der kleine Linus war noch keine drei Monate alt, da merkte seine Mutter, dass irgendetwas nicht normal war mit ihrem Sohn. Immer wenn er im Kinderwagen lag, fing er nach exakt 45 Minuten an, „wie am Spieß zu schreien. Ich konnte die Uhr danach stellen“, sagt Cornelia Punke aus Neusäß. Jahre mit oft belastenden Erfahrungen und Erziehungssituationen folgten, bis bei Linus schließlich das Asperger-Syndrom diagnostiziert wurde, eine Form des Autismus. Heute wissen seine Eltern Cornelia und Marcel Punke, warum sich ihr Sohn so „anders“ verhält und sie verstehen, mit dem Syndrom umzugehen. Die Ursache von

    Die Mutter des autistischen Jungen lässt sich selbst als „Fachkraft für Autismus“ ausbilden

    Vor wenigen Wochen hat Cornelia Punke auf Anregung und mit Unterstützung des Bunten Kreises Augsburg eine Selbsthilfegruppe für Eltern mit sprechenden Autisten und ADHS-Kindern gegründet, um Eltern Hilfestellungen zu geben. Die Gruppe, etwa 15 Betroffene, hat sich mittlerweile schon zweimal zum Erfahrungsaustausch getroffen.

    Cornelia Punke, von Beruf Kinderpflegerin, hat sich intensiv mit der Krankheit ihres Kindes auseinandergesetzt. Sie bildete sich an der Akademie Schönbrunn in Markt Indersdorf über Autismus weiter. Jetzt darf sie sich „Fachkraft für Autismus“ nennen, kann Eltern beraten, beim Beantragen von Pflegestufen oder Schwerbehindertenausweis helfen. Die Zielgruppe der Selbsthilfegruppe habe sie bewusst eingeschränkt, erklärt die 35-Jährige: So wende sie sich an Eltern von „sprechenden Autisten“, weil sie selbst keine Erfahrung mit nicht sprechenden Autisten, die es auch gibt, habe. Die Aufmerksamkeitsdefizit-Störung ADHS habe sie eingeschlossen, weil viele autistische Kinder zuerst ADHS diagnostiziert bekämen und dann erst Autismus. Oft zeigten sich bei Autisten allerdings gleichzeitig ADHS-Symptome.

    Autistische Kinder tun sich schwer: zu viele Menschen, Geräusche, Eindrücke und Reize

    Was ist Autismus?

    Autismus ist eine angeborene schwerwiegende Wahrnehmungs- und Informationsverarbeitungsstörung.

    Es handelt sich um eine neurologische Erkrankung, das heißt die Funktionsweise des Gehirns ist eingeschränkt oder stark beeinflusst.

    Die Krankheit kann in jeder Familie und bei jedem Kind vorkommen. Es gibt keine grundsätzliche oder immer geltende Ursache für das Vorkommen von Autismus.

    Als Form einer schwerwiegenden Entwicklungsstörung wird Autismus normalerweise innerhalb der frühen Kindheit diagnostiziert. Man geht von bis zu drei Jahren aus.

    Kinder mit Autismus weisen in der Regel ein gestörtes Sprach- und Bewegungsverhalten auf. Autisten meiden sowohl Blick- als auch Körperkontakt, neigen zur sozialen Isolation und verstehen bzw. akzeptiren äußeren Einflüsse meist nicht.

    Autismus kann in unterschiedlichen Formen und Ausprägungen vorliegen. Am häufigsten sind jedoch der Frühkindliche Autismus auch bekannt als Kanner-Syndrom, das Asperger-Syndrom und Autismus mit atypischen Erscheinungsformen.

    Zunehmend wird auch von Autismus-Spektrumsstörungen gesprochen, die die genannten Erscheinungsformen als eigene Grade unterscheidet.

    Der Krankheitsverlauf von Autismus ist von Kind zu Kind sehr unterschiedlich. Es gibt Autisten die keinerlei Sprach-und Lernbehinderungen aufweisen und eine normale Intelligenz aufweisen. Sie sind sogar in der Lage eine Familie zu gründen und ein normales Berufsleben zu führen.

    Andere Autisten hingegen weisen anormale Sprach- und Bewegungsmuster auf und beschäftigen sich leidenschaftlich mit immer wiederkehrenden Abläufen und sind geistig behindert.

    Einige Menschen mit Autismus weisen schwache autistische Verhaltensweisen auf, die meisten Autisten brauchen jedoch fachliche Unterstützung und Pflege.

    Es gibt heutzutage eine Vielzahl von effektiven Behandlungsmöglichkeiten. Einige können zu großen Veränderungen und Verbesserungen führen, andere zeigen hingegen nur geringe Wirkungen.

    Der Erfolg der unterschiedlichen Behandlungsmöglichkeiten ist individuell und sehr unterschiedlich. Grundsätzlich gilt: Je früher ein Kind behandelt wird, desto besser ist die Aussicht auf Verbesserung der Lebensumstände mit Autismus.

    In der Selbsthilfegruppe – man trifft sich am Ziegelhof, dem Therapiezentrum des Bunten Kreises in Stadtbergen – gehe es locker zu. Im kommenden Jahr will Cornelia Punke auch Unternehmungen mit autistischen Kindern anbieten, eine Eselwanderung mit den Kleineren, einen Kegelnachmittag in einem privaten Raum mit den Größeren.

    Denn autistische Kinder tun sich schwer, ihre vorhandenen Interessen in normaler Umgebung zu pflegen, Veranstaltungen zu besuchen. Es ist zu stressig für sie: Zu viele Menschen, zu viele Geräusche, zu viele Eindrücke, zu viele Reize auf einmal, zu viel Unerwartetes, erklärt Cornelia Punke einige der Situationen, die Autisten nicht bewältigen können.

    Ein Leben mit einem autistischen Kind belastet die Eltern oft bis zur Erschöpfung

    Ihr Sohn, der eine Grundschule in Neusäß besucht, zeigte selbst viele typische Verhaltensweisen von Autisten, noch ehe seine Eltern sein Benehmen mit „Autismus“ erklären konnten. Er machte etwa stereotyp immer das Gleiche nach denselben Mustern, reihte immer wieder von Neuem kleine Autos in derselben Reihenfolge aneinander, war unerwartet und augenscheinlich unbegründet aggressiv im Kindergarten, konnte sich nicht sozial integrieren – die Situation spitzte sich zunehmend zu.

    Seine Tagesmutter wusste mit ihm aber umzugehen. Durch ihre Kollegin im Hort, wo Cornelia Punke arbeitete, wurde Linus´ Mutter auf Autismus aufmerksam gemacht und beantragte am Behandlungszentrum für Autismus und Entwicklungsstörungen am Josefinum Augsburg eine Diagnostik für ihren Sohn. Nach der Diagnose wandte sich die junge Frau an den Bunten Kreis und erhielt dort für Linus Ergotherapie und tiergestützte Therapie, vom Dominikus-Ringeisenwerk wiederum Sozialkompetenztraining für den Buben; um Linus nachmittags betreuen zu können, hörte Cornelia Punke auf, im Hort zu arbeiten. Jetzt ist sie Schulbegleiterin für ein autistisches Mädchen.

    Bemerkungen von Außenstehenden ist die Mutter des autistischen Jungen gewohnt

    Ein Leben mit einem autistischen Kind: Das belastet die Eltern oft bis zur Erschöpfung, ist meist auch für deren Beziehung zueinander eine große Herausforderung. Erfahrungen, die auch Cornelia Punke und ihr Mann gemacht haben, erklärt sie offen. Doch es sind Krisen, die das Paar, das schon 18 Jahre zusammen ist, mit therapeutischer Hilfe überwinden konnte.

    Cornelia und Marcel Punke haben akzeptiert, dass ihr Sohn so ist, wie er ist: „Er hat das Recht, anders zu sein“, sagt Cornelia Punke. Bemerkungen von Außenstehenden, denen ihr Kind auffällt, wie „dem müsste man mal den Hintern versohlen“, sind ihr geläufig, und sie hat inzwischen auch die passende Antwort parat: „Mein Kind ist schwerbehindert, und wie ist es mit ihrem?“

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