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Neusäß-Hainhofen: Der Name ist bei Karl Freihalter Programm

Neusäß-Hainhofen

Der Name ist bei Karl Freihalter Programm

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    Der frühere Pfarrer, Klinikums-Seelsorger und Dekan Karl Freihalter vor „seiner“ Kirche St. Stephan im Neusässer Stadtteil Hainhofen.
    Der frühere Pfarrer, Klinikums-Seelsorger und Dekan Karl Freihalter vor „seiner“ Kirche St. Stephan im Neusässer Stadtteil Hainhofen. Foto: Marcus Merk

    Karl Freihalter war 60 Jahre alt, als ihn ein Mann nach einem Gottesdienst fragte, ob er seine Predigten immer frei halte. Da erst fiel dem Pfarrer auf, dass diese Gabe ja schon sein Nachname verrät. Freiheit, frei sein – das ist Karl Freihalter wichtig, nicht nur beim Predigen. Er ist bekannt dafür, kein Blatt vor den Mund zu nehmen. Auch Kritik an der katholischen Kirche scheut er nicht. Geschadet hat ihm das nie. Am Sonntag feiert er sein goldenes Priesterjubiläum in Hainhofen.

    Zum Priesterberuf kam Freihalter vor 50 Jahren ohne großen Plan und „ohne Aha-Erlebnis“. Er könne keine Geschichte einer Berufung erzählen, sagt er mit dem für ihn typischen verschmitzten Grinsen und seiner nüchternen Art, die Dinge auf den Punkt zu bringen. „Ich bin da mehr so hineingewachsen.“ Dieser Satz fällt im Laufe des Gesprächs öfter, trifft er doch auf viele Situationen in seinem Leben zu.

    Schon früh fühlte sich Karl Freihalter in der katholischen Kirche wohl. Er wuchs als Mitglied der Ulrichspfarrei in Augsburg auf. Studienfächer hat er sich nach dem Abitur mehrere angeschaut. Physik und Kunstgeschichte gehörten dazu. Schließlich entschied er sich, in München Theologie zu studieren, parallel Kunstgeschichte weiterzumachen. Das zweite vatikanische Konzil habe ihm die Entscheidung für den Priesterberuf erleichtert, erinnert er sich. Der Gedanke, Kirche auf eine breitere Basis zu stellen, war ihm wichtig. Für seine Priesterweihe wählte er einen Satz von Paulus aus dem Korintherbrief: „Wir haben alle teil an dem einen Brot.“

    Zwei Dinge waren es, die ihm zunächst nicht am Priesterberuf gefielen: das Singen und die Krankenbesuche. Er ahnte nicht, welche große Bedeutung die Krankenseelsorge in seinem Leben bekommen sollte. Als junger Pfarrer in Oberstaufen musste er als Urlaubsvertretung ins Krankenhaus und war überrascht. „Ich habe sofort guten Kontakt zu den Patienten gefunden“, erinnert er sich. Wieder einmal haben sich die Dinge so ergeben. 1982 wurde Freihalter gefragt, ob er Seelsorger am Klinikum Augsburg machen möchte. Er stimmte zu und übernahm zusätzlich die kleine Pfarrei Hainhofen bei Neusäß.

    25 Jahre arbeitete Freihalter im Klinikum auf der chirurgischen Intensivstation. Trotz aller Belastung schwärmt er von dieser Zeit, da er das Gefühl hatte, vielen Menschen helfen zu können, ohne Druck. „Ich konnte die Patienten so lassen, musste sie nicht gesund machen.“ Seine Aufgabe sah er darin, mit den Menschen über Themen wie Schmerzen, die Distanz zur Familie oder den Tod zu sprechen. Wichtig war ihm immer, dass alles auf freiwilliger Basis ablief. „Man konnte mich auch wegschicken.“ Niemals wollte er Kranke missionieren oder bekehren, betont er. Die Aufgaben in der Pfarrei seien eine gute Ergänzung zu der Krankenseelsorge gewesen. Hier legt er bis heute großen Wert darauf, dass die Ehrenamtlichen einen selbstständigen Part in der Kirche übernehmen. Wenn er sonntags zu einem Notfall in die Klinik musste, übernahmen die Hainhofer schon einmal den Gottesdienst.

    Wichtig war Freihalter stets der Umgang mit der Jugend. Elf Jahre wirkte er als Regionaljugendpfarrer in Augsburg. Und in Hainhofen stand sein Pfarrhaus immer offen für alle. Am zwei Meter langen Esstisch in der Wohnküche scharte er 28 Jahre lang gerne Gäste um sich und kochte gemeinsam mit ihnen. Der Auszug aus dem schönen Pfarrhaus vor einigen Jahren fiel ihm schwer. Doch das historische Gebäude musste grundlegend saniert und umgebaut werden. In der ehemaligen Wohnung im Erdgeschoss ist heute der Pfarrsaal. Freihalter wohnt inzwischen in Neusäß.

    Nach Hainhofen kommt er oft, hier gehört er immer noch dazu. Rund 1000 Katholiken gibt es noch in Hainhofen und Schlipsheim. Rund 150 Leute, so schätzt Freihalter, kommen sonntags in den Gottesdienst. Er ist stolz darauf, dass es in dem kleinen Ort noch einen Kirchenchor gibt und heuer 14 Kommunionkinder. Die Eltern bezieht er bewusst in die Vorbereitung auf die Kommunion ein.

    Bei allem beruflichen Engagement sieht Freihalter einige Dinge in der katholischen Kirche kritisch. Die Ökumene muss seiner Meinung nach verstärkt gefördert werden. „Hier sollte sich die katholische Kirche mehr öffnen.“ Er selbst habe viele evangelische Freunde. Sein Credo: Alle sollten voneinander Lernen. Seine Forderungen werden noch deutlicher. Freihalter ist dafür, das Zölibat abzuschaffen. Auch bei diesem Thema hält er es wieder einmal mit der Freiheit. Die Frage der Ehe müsste jeder Priester selbst entscheiden können. Er selbst zum Beispiel hätte gerne eigene Kinder gehabt, gibt er offen zu. Freihalter spricht sich dafür aus, dass Frauen zu Priestern geweiht werden. Damit die Kirche die Menschen anspricht, müssten neben der Messe vielfältige Formen wie Andachten und Prozessionen genutzt werden. Trotz seiner kritischen Haltung hat Freihalter die katholische Kirche nie als einschränkend empfunden. „Ein freundlicher Tonfall nimmt mancher Forderung die Schärfe“, beschreibt er seine Erfahrung. Er habe in der Kirche immer Freiheit erlebt. „Mir hat nie jemand reingeredet.“ Auch nicht in den sechs Jahren, in denen er Dekan war.

    Heute ist Freihalter 75 Jahre alt, denkt aber nicht ans Aufhören. Die Pfarrei Hainhofen möchte er so lange betreuen, wie es geht. Die Freizeit verbringt er gerne beim Wandern, Radfahren oder Stöbern in Buchläden. Allein beim Umzug nach Neusäß entsorgte er fünf Kisten Bücher. Als echter Freigeist lässt er sich nicht von den modernen Medien einengen. Freihalter verzichtet privat bewusst auf einen Computer und E-Mail. Das Zugeständnis zu einem Handy hat er gemacht.

    Seinen 75. Geburtstag wollte er nicht im großen Stil feiern. Das goldene Priesterjubiläum schon. Auch wenn er nicht mit allem einverstanden in der Kirche ist, war er immer gerne Pfarrer. Die Gestaltungsmöglichkeiten seien groß, betont er. Freihalter kann nach 50 Jahren Berufsleben etwas sagen, das sich viele wünschen würden: „Ich würde es wieder machen.“

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