Die Titania-Therme in Neusäß feiert 20. Geburtstag, doch es will keine Feierlaune aufkommen. Seit Monaten ist das Bad wegen der Corona-Maßnahmen geschlossen und ein Ende ist noch nicht in Sicht. Die Therme musste ausgerechnet die Türen schließen, als im Bad Besucherrekorde verzeichnet wurden. Finanziell wird das lange Fehlen der Einnahmen zum Kraftakt für die Stadt Neusäß, die Besitzerin der Therme ist.
Neusässer Titania-Team hofft auf Öffnung im Sommer
"Die allgemeine Situation lässt keinen Gedanken an ein Geburtstagsfest aufkommen", bedauert die stellvertretende Betriebsleiterin Petra Voßiek. Einzig auf dem Facebook-Auftritt der Therme habe das Team ein paar historische Fotos gepostet. Voßiek ist aber auch dankbar, wenn sie auf die Geschichte des Bades zurückblickt, und schwelgt gerne in Erinnerungen, zum Beispiel an das 24-Stunden-Schwimmen mit bekannten Profis. "Es ist schön, dass es uns schon so lange Zeit gibt, und wir haben ja alle die Hoffnung, dass es wieder wird wie früher", sagt Voßiek. Man dürfe sich allerdings auch keine Illusionen machen, dass bei einer Wiedereröffnung sofort alles ganz normal läuft. Voßiek: "Das wird kompliziert werden." Gespannt blicke das Titania-Team nach Österreich, wo es im Mai Öffnungen geben soll. Die stellvertretende Betriebsleiterin sieht die Zukunft realistisch. Sie hoffe, dass es wie im vergangenen Jahr zum Sommer wieder losgehen kann, eine Öffnung zu Pfingsten ist ihrer Einschätzung nach eher unwahrscheinlich.
Die ungewisse Zukunft macht auch dem Neusässer Bürgermeister, Richard Greiner, Sorgen. "Wir waren verwöhnt von den schwarzen Zahlen in den vergangenen Jahren." Inzwischen müssten zwei Schließungen verkraftet werden, einmal vom 16. März bis 7. Juli 2020 und jetzt seit dem 2. November zum zweiten Mal. In den Monaten, in denen im vergangenen Jahr wieder Betrieb war, kam das Bad wegen einer begrenzten Besucherzahl und Schichtsystem auch nicht auf die gewohnten Einnahmen.
Schlagzeilen aus der Geschichte der Titania-Therme
15. März 2001: "Baden in bunter Erlebniswelt": Eröffnung nach zweijähriger Bauzeit. Die Kosten des Bades werden mit 35 Millionen D-Mark (netto) angegeben – bis heute das größte Bauprojekt der Stadt. Als Betreiber wird Uwe Deyle engagiert, der auch die Therme in Königsbrunn betreut. Es gibt zu Beginn kleine Pannen. So kann die Trichterrutsche erst Monate später freigegeben werden.
23. Juni 2001: "Es war ein Erfolg": Bürgermeister Manfred Nozar zieht nach den ersten 100 Tagen Bilanz. 70.000 Gäste seien schon gekommen. Im Vorfeld hat es auch Kritiker gegeben. Die Freien Wähler zweifeln an, dass das Ziel von 250.000 Besuchern im Jahr erreicht werden könne, und äußern Sorge, dass sich die Stadt finanziell mit dem Bad überhoben habe.
April 2002: In Leserbriefen wird gestritten, ob es richtig sei, in der Sauna einen Frauentag einzuführen.
24. Oktober 2009: "Neues Dampfbad im Titania": Im orientalischen Bereich des Bades wird ein neues Dampfbad eröffnet.
21. März 2011: "Kinder gehen übers Wasser": Der zehnte Geburtstag wird mit einem Familienprogramm gefeiert.
21. September 2012: "Legionellen: Titania muss Becken sperren": Es werden Legionellen im Wasser gefunden, eine Besucherin erkrankt.
9. Oktober 2012: "Auf die chemische Keule folgt das bange Warten": Ein Labor entnimmt Wasserproben. Nach zehn Tagen soll man feststellen, ob die Legionellen erfolgreich bekämpft worden sind und das Bad wieder öffnen kann. Desinfektion heißt das Motto Mitte September.
20. Oktober 2012: "Ab jetzt läuft die Generalprobe": Der normale Betrieb wird wieder simuliert. Die Wasserproben sind keimfrei.
2. Februar 2013: "Neusäß wirft den Betreiber raus": Die Stadt Neusäß hat dem Betreiber fristlos gekündigt. Der Beschluss im Stadtrat fällt einstimmig. Der Vertrag wäre noch bis Mitte 2015 gelaufen. Doch seit Sommer hat der Betreiber keine Pacht mehr bezahlt. Die Vertrauensbasis zwischen Stadt und Betreiber sei zerstört, sagt der damalige Bürgermeister Hansjörg Durz.
18. Juni 2013: "Sondersitzung: Heute geht es um die Zukunft des Titania": Hinter verschlossenen Türen berät der Stadtrat, wie die Zukunft des Bades Titania aussehen soll. Zur Frage steht, ob die Stadt es selbst betreiben werde oder ein Pächter gesucht werde. Ein vor Gericht ausgehandelter Vergleich sieht vor, dass der Betreiber das Bad zum 1. Oktober räumen wird. Im Gegenzug verzichtet die Stadt auf Pacht in Höhe von rund 400.000 Euro und übernimmt 50 Mitarbeiter. Nach der Übernahme saniert die Stadt das Bad sukzessiv. Beraten wird sie dabei von der GMF, die in Deutschland mehrere Thermen betreut und bis heute den Betrieb in Neusäß übernimmt.
11. September 2013: "Jetzt räumt der Betreiber aus": Bereits drei Wochen vor dem gerichtlich fixierten Auszugstermin erklärt Geschäftsführer Uwe Deyle nach über zwölf Jahren seinen Ausstieg.
31. Oktober 2013: "Das Titania öffnet seine Tore wieder": Die Umbauarbeiten sind abgeschlossen. Sechs Wochen nachdem der ehemalige Betreiber das Bad geschlossen hat, gibt es einen Neustart unter der Ägide der Stadt. Der Umfang der Aufräumarbeiten, die Beschaffung neuen Inventars und Probleme mit der Telefonanlage haben die Neueröffnung um ein paar Tage verzögert.
19. November 2014: "Feueralarm": Nach einem technischen Defekt muss das Bad evakuiert werden. Es besteht keine Gefahr für die Gäste.
16. März 2016: "Neusässer Flaggschiff ist wieder auf Kurs": Die Besucherzahlen zum 15. Geburtstag sind gut, fast zu gut. Vor allem in den Saunen wird es zeitweise eng. Die Hälfte der Kunden kommen nur wegen der Sauna. Es muss erweitert werden. Geplant ist eine neue große Sauna mit 90 Plätzen und Ruheraum. Das Aus der Königstherme sorgt für zusätzlichen Schub.
30. Juli 2019: "Besucherrekord": Es strömen so viele Besucher, dass zeitweise der Einlass an der Kasse gestoppt werden muss. Im Jahr 2018 sind 278.493 Gäste ins Titania gekommen.
8. Januar 2020: "Ein Ansturm wie noch nie": Wegen der großen Besucherzahl gibt es in den Weihnachtsferien bereits mittags einen Einlassstopp. Es kommen im Schnitt 2000 Gäste am Tag.
6. Mai 2020: "Das menschenleere Titania macht mich traurig": In einem Interview spricht Betriebsleiterin Jana Freymann über die belastenden Folgen der Schließung wegen Corona seit 16. März.
12. Februar 2021: "Dem Titania-Bad steht das Wasser bis zum Hals": Die Therme ist seit Herbst zum zweiten Mal geschlossen. Stadt und Staat müssen die Finanzierungslücken decken – bis heute.
Für das Jahr 2020 wurde inzwischen die Bilanz gezogen und die schaut düster aus: Das Defizit beträgt knapp eine Million Euro. Zeitgleich ist aber eine Pachtsumme von 750.000 Euro an die Stadt zurückgeflossen. Greiner: "Da sind wir noch mit einem blauen Auge davongekommen." Dass der Betrag des Defizits im Jahr 2020 nicht höher ist, hat noch weitere Gründe: In den Monaten November und Dezember gab es rund eine halbe Million Unterstützung vom Staat. Auch das Kurzarbeitergeld wurde und wird vom Bund bezahlt.
99 Mitarbeiter der Titania-Therme in Neusäß sind in Kurzarbeit
99 Beschäftigte des Bads sind in Kurzarbeit. Um die wichtigsten Angelegenheiten auch während der Schließung zu erledigen, arbeiten kleine Teams im Wechsel in Verwaltung und Technik. In einem stillgelegten Bad bleibt das Wasser weiter in den Becken. Es muss ständig aufbereitet und umgewälzt werden. Die Temperaturen in den Anlagen seien zwar gedrosselt, aber ganz ausschalten lasse sich die Technik nicht. Es gebe weiterhin rund 130.000 Euro Betriebskosten im Monat für das Bad im Stand-by-Modus, sagt der Bürgermeister.
Die Stadt Neusäß hofft auf weitere Staatshilfen
Doch wie geht es in diesem Jahr weiter? Die Stadt hat im Haushalt 1,5 Millionen Euro als Kapitalverstärkung für den Betrieb der Therme eingestellt. Offen ist derzeit, ob die Staatshilfen auch für die Monate ab Januar wieder gewährt werden. Es wird gerade rechtlich geklärt, ob öffentliche Einrichtungen berechtigt für die "Überbrückungshilfen 3" sind. Greiner: "Das wird von uns dringend erhofft, aber wir haben bisher keine Aussage dazu." Nicht vorhersehbar ist nach Meinung des Bürgermeisters auch, wie die Besucher bei einer möglichen Öffnung im Sommer reagieren und ob sie wieder zahlreich kommen. Die ganze Situation sei eine Belastung, nicht nur aus finanzieller, sondern auch aus gesellschaftlicher und sportlicher Sicht. "Es ist traurig, für viele Menschen fallen Rituale weg, es fehlt einfach." Für das erste Quartal hatte die Stadt 60.000 Besucher eingeplant. Der Ist-Stand: null.
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