Hoffen, Bangen, Warten – es war keine einfache Zeit für die rund 1600 SGL-Mitarbeiter am Standort in Meitingen. Seit Monaten war bekannt, dass das verlustreiche Grafitelektrodengeschäft, in dem rund 200 Mitarbeiter beschäftigt sind, ausgegliedert oder verkauft werden soll. Gestern wurde nun die Entscheidung bekannt. Der Chemiekonzern Showa Denko, eines der führenden Chemie-Unternehmen Japans mit weltweit mehr als 10000 Mitarbeitern, will die Sparte übernehmen. Laut SGL sei eine Vereinbarung bereits unterzeichnet. Dank eines Standortsicherungsvertrags sind die Jobs der betroffenen 200 Mitarbeiter nach Darstellung des Unternehmens bis Februar 2018 erst einmal garantiert. Was dann kommt, entscheidet allerdings der neue Investor aus Japan.
Das bestätigt auch Markus Stettberger, der Betriebsratsvorsitzende des Meitinger Standorts. Die Arbeitnehmervertreter würden bis dahin alles daran setzen, vernünftige Zukunftsperspektiven für den Standort zu erarbeiten, so Stettberger. „Wir sind froh, dass die Nachricht nun raus ist“, erklärte er. Im Vorfeld sei die Anspannung unter den Mitarbeitern hoch gewesen und jeder hätte gebannt auf die Entscheidung gewartet. Nun sei seiner Meinung nach eine Lösung gefunden worden, mit der alle Beteiligten zufrieden sein könnten. Lange Zeit hatte sich im Vorfeld des Verkaufs das Gerücht gehalten, dass auch chinesische Firmen, allen voran Chemchina, Interesse am angeschlagenen Kohlenstoffspezialisten haben könnten.
Gestern seien im Laufe des Tages alle Betroffenen über den Verkauf informiert worden, so Stettberger. Laut Auskunft von SGL-Sprecher Andreas Pütz war aus diesem Grund auch der Leiter des Geschäftsbereichs „Performance Products“, Klaus Unterharnscheidt, vor Ort in Meitingen, um persönlich mit den Leuten zu sprechen.
Am Nachmittag hatte es noch eine Informationsveranstaltung für die betroffenen Mitarbeiter gegeben. Die Stimmung dabei sei „verhalten“ gewesen, so Stettberger. Er vermutet, dass die Leute erst einmal eine Nacht darüber schlafen müssen. Der Betriebsrat plant nun, die gesamte Belagschaft des Meitinger Standorts für Dienstag zu einer großen Betriebsversammlung einzuladen, um über die neuen Entwicklungen zu informieren. SGL-Boss Jürgen Köhler hat bereits zugesagt, bei dieser Veranstaltung vor Ort sein. Der Betriebsratsvorsitzende Stettberger erklärte auch, warum dieser Verkauf den SGL-Mitarbeitern so nahe geht. Der Meitinger Standort existiere nur deshalb, weil dort zunächst die Grafitelektroden hergestellt wurden. Auch Unternehmenssprecher Pütz bestätigt, dass die Sparte das frühere Herzstück und der Profitbringer bei SGL gewesen sei. Es stelle einen Meilenstein dar, dass man sich nun von dieser Geschäftssparte trenne.
Hintergrund: Die SGL Group verkauft die Grafitelektrodensparte, weil es vor allem wegen chinesischer Anbieter in der Stahlindustrie Überkapazitäten gibt. Das hat die Preise in den Keller fallen lassen, was die SGL vor große Schwierigkeiten stellt. Das Unternehmen liefert Grafitelektroden, die wie ein langer schwarzer Stab aussehen und notwendig sind, um Stahlschrott zu schmelzen. Die Verbindungsteile, die sogenannten Nippel, werden in Meitingen hergestellt. Vom Verkauf des Grafitelektrodengeschäfts ist aber nicht nur Meitingen betroffen, sondern insgesamt 950 Mitarbeiter an sechs Produktionsstätten in Deutschland, Österreich, Spanien, den USA und Malaysia. Der voraussichtliche Verkaufserlös soll bei mindestens 200 Millionen Euro liegen. Das Geschäft soll im ersten Halbjahr 2017 unter Dach und Fach gebracht werden.
Laut SGL-Sprecher Pütz wolle das Unternehmen nun verstärkt auf Bereiche wie Leichtbaumaterialien für den Automobilbereich oder die Luftfahrtindustrie sowie Grafitspezialitäten wie zum Beispiel für Lithium-Ionen-Akkus setzen. Es gehe dabei um die Megatrends Elektromobilität, Energieversorgung und Digitalisierung, so Pütz. Meitingen habe für SGL weiterhin eine große Bedeutung. Dort seien alle Aktivitäten rund um die Carbonfaser-Sparte gebündelt. Auch ein neues Leichtbau- und Applikationszentrum soll zu diesem Zweck errichtet werden. "Wirtschaft im Hauptteil Seite 6