Landkreis Augsburg Klaus Kratzer ist bei der Augsburger Kriminalpolizei als Oberkommissar für die neuen Medien zuständig. Wenn er erzählt, wie er zu dem Job gekommen ist, lässt sich erahnen, wie groß die Gefahren sind, denen Jugendliche und Schüler durch Mobbing über das Internet ausgesetzt sind. „Ein Vater hat mich als Jugendbeamter um Hilfe gebeten. Er hat gesagt: Mein Sohn wird fertiggemacht – auf Lokalisten“, erzählt der Polizist bei seinem Vortrag in der Stadthalle Gersthofen, zu dem ihn die Andreas Schmid Logistik AG und deren IT-Tochterunternehmen Quentia AG gemeinsam mit dem Kinderschutzbund Augsburg eingeladen hatten.
Kratzer, der sich bis dahin nicht über Gebühr mit dem Internet beschäftigt hatte, verstand erst mal wenig – auch nicht, dass es sich bei Lokalisten um ein soziales Netzwerk, vergleichbar mit Facebook, handelte. Dort existierte zu diesem Zeitpunkt eine Seite mit anonymen Schmähungen gegen den Sohn des Mannes, der sich an Kratzer gewendet hatte.
Kratzer arbeitet heute bei der Fachgruppe „Verhaltensorientierte Prävention“ bei der Augsburger Polizei. Für den Polizisten, der sich mittlerweile auf die Gefahren, die durch neue Medien wie das Internet hervorgerufen werden, spezialisiert hat, war dieser Hilferuf auch ein Alarmsignal an alle Eltern. „Wir müssen uns damit beschäftigen, ob uns das schmeckt oder nicht.“ Das Problem beim Umgang mit dem Internet: Während die Generation der ab 1980 geborenen mit PC, Handy und Internet aufgewachsen ist, tun sich deren Eltern oft schwer, die Materie überhaupt zu verstehen.
Zugleich gehe die junge Generation aber wesentlich sorgloser damit um, welche Informationen sie wie ins Netz stellt. Außerdem nehmen es diese Nutzer oft weniger genau mit der Wahrheit. „Wenn ich die dann drauf anspreche, bekomme ich immer zu hören: Das war doch nur Spaß“, sagt Kratzer.
In einer Zeit, in der ein Spaß über das Internet schnell an eine Vielzahl von Menschen kommen kann, kann aus einem Video oder einem bösen Spruch schnell etwas werden, das das Leben der Betroffenen für immer verändert. Kratzers Beispiele, die er so in der Stadt oder im Landkreis Augsburg schon zuhauf erlebt hat, kommen zuerst relativ harmlos daher: ein Video, das ein Augsburger Mädchen zeigt, das sich den Pullover auszieht. Ein böser Spruch über einen Mitschüler.
Kratzer nennt Beispiele, die eine Bumerangwirkung haben, die sprachlos machen. Das Video über das Mädchen wurde in Windeseile an der ganzen Schule verbreitet, das Mädchen musste die Schule wechseln. Aus dem Mobbing gegen einen Schüler entstand eine Hass-Seite gegen ihn, auf der innerhalb von 14 Tagen über 700 Einträge zu finden waren. Teilweise wurde der Bub darin zum Suizid aufgefordert. Alles wegen Inhalten, die ins Internet gestellt wurden, ohne über die Folgen nachzudenken. Das reine Hochladen dauert oft nur zwölf Sekunden. „Zwölf Sekunden genügen, um ein Leben zu zerstören“, sagt Kratzer.
„Ein Junge, der betroffen war, hat mal zu mir gesagt: Früher wäre ich auf dem Schulhof verhauen worden. Das wäre besser gewesen. Denn das hätte irgendwann aufgehört“, sagt Kratzer. Auch das ist ein Problem: Cybermobbing, also das Mobbing via Internet, hört nie auf. Die Inhalte lassen sich kaum löschen, die Attacken sind anonym.
Es gehe ihm aber nicht darum, das Internet zu dämonisieren, sagt der Polizist. Sondern darum, dass Eltern den Kindern einen verantwortungsvollen Umgang mit dem Medium zeigen. Genauso wie man dem Kind dabei geholfen hat, das Fahrradfahren zu lernen, soll man sich nun auch um den richtigen Umgang mit dem Internet kümmern. „Keiner soll seinem Kind zu Hause den Rechner abstecken.“