Um ihre Unschuld zu beweisen, musste sie über glühende, eiserne Pflugscharen laufen. Die junge Frau akzeptierte diese Folter, sie wollte beweisen, dass sie ihren Mann nicht betrogen hat. Wie durch ein Wunder blieb sie unverletzt. So beschreibt die Legende ein Gottesurteil für Kunigunde von Luxemburg, die im 10. Jahrhundert Kaiser Heinrich II., den ehemaligen Herzog von Bayern, geheiratet hatte. Auch bei unserem Fundstück des Monats handelt es sich um eine Pflugschar.
In Meitingen war im frühen Mittelalter eine große Siedlung
Ob das Werkzeug, das Mitglieder des Arbeitskreises für Vor- und Frühgeschichte 2018 in Meitingen gefunden haben, ein Folterinstrument war, ist nicht überliefert. Fest steht: Die Pflugschar aus dem heutigen Landkreis Augsburg ist noch älter als die glühenden Eisen, über die Kunigunde der Legende nach gehen musste. Sie stammt aus der Spätantike oder dem frühen Mittelalter, wohl aus einer Zeit zwischen dem fünften und dem achten Jahrhundert.
Die Archäologen haben sie in den Resten eines Grubenhauses gefunden, also in einer ehemaligen Hütte, die in den Boden eingetieft war. Grubenhäuser waren in der Regel recht klein und nur zum Arbeiten gedacht, nicht zum Wohnen. Die Bodenfeuchtigkeit in den tiefen Hütten begünstigte die Verarbeitung von Leinen. In der frühmittelalterlichen Siedlung in Meitingen gab es mehr als 50 Grubenhäuser. Die Wohnhäuser standen in der Nähe und waren nicht in die Erde abgesenkt.
Die Landwirtschaft wurde zum Überleben wichtiger, die Werkzeuge optimiert
Pflüge hatten zu dem Zeitpunkt, als ein Meitinger das Exemplar in der Grubenhaussiedlung anfertigte, schon Jahrtausende der Verbesserung hinter sich: "Der Pflug hat seit der Steinzeit eine lange Entwicklung gemacht - zunächst war es nur ein einfacher Holzhaken", erklärt Gisela Mahnkopf, Kreisheimatpflegerin für Archäologie. Der Holzhaken wurde vor tausenden von Jahren noch per Hand durch den Boden gezogen. Dann wurde Landwirtschaft immer bedeutender, für das Überleben der Menschen war eine gute Ernte unheimlich wichtig. "Es mussten immer größere Flächen bewirtschaftet werden", sagt die Kreisheimatpflegerin.
In der Meitinger Siedlung, zur Zeit der Spätantike oder des Frühmittelalters, war das Pflügen mit Zugtieren bereits üblich. Wahrscheinlich seien ein oder zwei Ochsen vor die hölzerne Vorrichtung gespannt worden, an deren Unterseite die Pflugschar befestigt war, erklärt Mahnkopf.
Die Pflugschar selbst war nicht mehr aus Holz sondern aus einem wesentlich robusteren Material: Eisen. Damit konnte der Boden tiefer aufgerissen werden, die Erde besser gelockert. Mit 15 Zentimetern Höhe und 10 Zentimetern Breite ist das Werkzeug kaum größer als ein modernes Smartphone. Ihre leicht asymmetrische Form mit relativ langen Schaftlappen brachte den Arbeitskreis Archäologie auf den Herstellungszeitraum der Pflugschar zwischen Spätantike und Frühmittelalter.
Mensch und Vieh lichteten schon damals die Wälder um Meitingen
Wie sah die Umgebung der Meitinger Grubenhaussiedlung damals aus? Auf den Feldern wurden Emmer, Einkorn, Linsen, Erbsen und Dinkel angepflanzt. Kartoffeln und Mais gab es hierzulande noch nicht. Es habe viele Mischwälder mit Buchen und Eichen gegeben, dazwischen aber schon zahlreiche Rodungsinseln mit Gehöften oder Dörfern, erklärt Kreisheimatpflegerin Gisela Mahnkopf.
Die Wälder in deren Umgebung dürfe man sich nicht wie undurchdringliche Urwälder vorstellen, eher wie Parklandschaften. Der Grund: "Das Vieh wurde zum Weiden in den Wald geführt" - dort haben die Rinder, Schweine und Ziegen große Teile des Unterholzes und die nachwachsenden Bäumchen gefressen. Holz war außerdem zum Feuermachen und als Baumaterial gefragt, was zur weiteren Lichtung der Wälder führte. Den Meitinger Handwerkern kam die Nähe zur Römerstraße Via Claudia gelegen. Die günstige Infrastruktur erleichterte den Handel.
Dieses und andere Stücke sind im Online-Museum Omfala des Arbeitskreises für Vor- und Frühgeschichte zu sehen. Es kann kostenlos im Internet unter omfala.de angesehen werden.
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