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Meitingen: Showa Denko: Belegschaft fühlt sich verraten

Meitingen

Showa Denko: Belegschaft fühlt sich verraten

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    Kundgebung gegen die Schließung des Meitinger Produktionsstandort von Showa Denko: Dem Konzern wird der Bruch von Vereinbarungen vorgeworfen. Zugleich gibt es die Befürchtung, dass jetzt der gesamte Standort in Gefahr gerät.
    Kundgebung gegen die Schließung des Meitinger Produktionsstandort von Showa Denko: Dem Konzern wird der Bruch von Vereinbarungen vorgeworfen. Zugleich gibt es die Befürchtung, dass jetzt der gesamte Standort in Gefahr gerät. Foto: Marcus Merk

    Vor mehr als 25 Jahren fing Jürgen Jung in der Firma an, lernte Zerspanungsmechaniker, später Maschinenbautechniker. Es war meist eine gute Zeit, kein Grund zum Wechseln. So wie Jung ging es vielen: Die Belegschaft ist im Schnitt 50 Jahre alt, seit 20 Jahren im Betrieb und steht jetzt vor dem Nichts: Showa Denko, wie der Hersteller von Graphitelektroden in Meitingen seit gut zwei Jahren heißt, will die Produktion komplett nach Japan verlagern. Am Jahresende soll in Meitingen Schluss sein, um die 140 Menschen werden nach jetzigem Kenntnisstand den Job verlieren.

    Dagegen demonstrieren am Mittwochnachmittag vor der Gemeindehalle mehrere hundert Menschen. Nicht nur Betroffene , sondern auch Beschäftigte von MAN aus Augsburg, von den Nachbarfirmen SGL und Brembo. „Heute wir, morgen Ihr?“ ist auf einem der Plakate zu lesen. Mehrfach äußern Redner bei der Kundgebung die Befürchtung, dass der Rückzug des japanischen Konzerns den gesamten Standort schädigt, an dem fast 2000 Menschen arbeiten.

    Stehen die Hallen leer, wird es für SGL und Brembo teurer

    Showa-Denko-Betriebsratsvorsitzender Stefan Schmölz spricht es offen aus: „Sollten wir hier verschwinden, wird es schwierig für den Rest.“ Zwar stelle Showa Denko nur etwa ein Zehntel der Belegschaft, brauche aber die Hälfte der Hallen. Stünden diese auf einmal leer, werde der Standort für die SGL und Brembo teurer. Zudem beziehen beide Produkte von Showa Denko, das bis zum Verkauf an die Japaner vor gut zwei Jahren noch Teil der SGL-Familie war.

    Mehr als die Angst vor einer ungewissen Zukunft dominiert am Mittwochnachmittag aber ein anderes Gefühl: Wut und Enttäuschung über das Vorgehen des Managements. Diese habe, so der Vorwurf der Gewerkschaft IG Metall, einen gültigen Tarifvertrag zur Standortsicherung gebrochen, der bis zum Februar 2022 eine Beschäftigungsgarantie vorsah und betriebsbedingte Kündigungen ausschloss.

    Betriebsrätin von Schowa Denko spricht von Sauerei

    „Das ist eine Sauerei“, schimpft die freigestellte Betriebsrätin Birgit Burkert (SGL Carbon) – und der Augsburger IG-Metall-Chef Michael Leppek verspricht, man werde das Unternehmen damit nicht durchkommen lassen. „Noch nie hat in dieser Region ein Betrieb einen Tarifvertrag zur Beschäftigungssicherung gebrochen.“ Leppek droht mit weiteren Protesten („Das ist erst der Anfang“) und nimmt den Arbeitgeberverband vbm in die Pflicht. Dieser solle dafür sorgen, dass Showa Denko die Schließung des Standorts zurücknimmt. Leppek an die Adresse der Konzernspitze: „Vor 2022 kriegt ihr uns hier nicht raus.“

    Bei Showa Denko fallen Jobs weg. Dagegen machen die Mitarbeiter mobil.
    Bei Showa Denko fallen Jobs weg. Dagegen machen die Mitarbeiter mobil. Foto: Marcus Merk

    Wie Showa-Denko-Deutschland-Chef Alexander Loscher auf Anfrage unserer Zeitung sagt, ist in Meitingen derzeit der Erhalt von cirka 50 Arbeitsplätzen in Bereichen wie Vertrieb, Verwaltung und IT vorgesehen. Die detaillierte Planung sei noch Verhandlungssache mit dem Betriebsrat, die Schließung der Produktion erscheine aufgrund von Auftragsrückgängen aber alternativlos. Den Vorwurf des Vertragsbruchs weist Loscher zurück: „Wir respektieren den Ergänzungstarifvertrag zur Standortsicherung.“ Dieser schließe betriebsbedingte Kündigungen „nicht gänzlich aus, wenn gewisse Maßnahmen ausgeschöpft sind“. Details könne er nicht nennen, das seien vertrauliche Interna, so Loscher.

    Betriebsratschef Schmölz stellt das anders dar. Das Management habe keines der im Vertrag vereinbarten Mittel zur Kostensenkung ergriffen und das Angebot der Kurzarbeit ausgeschlagen. Zwei Jahre lang habe der Konzern in Meitingen bestens verdient, die Belegschaft sei an Samstagen und Sonntagen zu Extraschichten angerückt. Schmölz: „Man hat viel Geld aus Meitingen abgezogen, und jetzt lässt man uns fallen.“

    Die Auftragseinbrüche seien nicht auf eine schwache Konjunktur zurückzuführen, sondern auf „massive Managementfehler.“ Die Belegschaft fordere deshalb die Einhaltung des Ergänzungs-Tarifvertrags. Ob sich das Unternehmen erweichen lässt? Jürgen Jung hofft auf das Ehrgefühl der Japaner: „Das ist unsere Chance.“

    Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger hat sich eingeschaltet

    Möglicherweise bekommt die bedrängte Belegschaft auch Unterstützung vom bayerischen Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (FW). Der Meitinger Landtagsabgeordnete Fabian Mehring hat nach eigenen Angaben nämlich inzwischen Aiwanger eingeschaltet. Geplant sei ein Spitzengespräch, in dem es um die Perspektiven der Beschäftigen gehen soll.

    Mehring: „Mein Ziel ist es, bis zur Abwicklung des Werkes eine tragfähige Idee zu entwickeln, wie am Standort zukünftig neue Arbeitsplätze in vergleichbarem Umfang entstehen können.“ Danach aber schien den protestierenden Arbiter gestern nicht der Sinn zu stehen. Sie machen deutlich: „Wir wollen unsere Arbeitsplätze behalten.“

    Lesen Sie dazu auch unseren Kommentar: Schließung der Produktion: Showa Denko sollte sich schämen

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