Gegen das Vergessen: Mit einer Stolperschwelle auf dem Platz vor dem Rathaus will Langweid an den unfreiwilligen Einsatz von Kriegsgefangenen und zivilen Zwangsarbeitern von 1940-1945 erinnern. Das beschloss der Gemeinderat in jüngster Sitzung. Denn auch in Langweid und den heutigen Ortsteilen wurden diese Menschen ausgebeutet. „Wir wollen uns ganz bewusst mit diesem intensiven Thema beschäftigen“, so Bürgermeister Jürgen Gilg.
Daten und Fakten der örtlichen Geschichte hatte der Gersthofer Historiker Bernhard Lehmann von der Stolpersteininitiative Augsburg und Gersthofen unter anderem im Langweider Gemeindearchiv recherchiert. Die Eckpunkte seiner Arbeit stellte er dem Gemeinderat vor, der einstimmig für die Installation greifbarer Erinnerungskultur in Form einer Stolperschwelle votierte. Stolpersteine als Zeichen von Einzelschicksalen und Stolperschwellen an Orten der Erinnerung für viele wurden schon in 21 Ländern der Erde gelegt. Auch in Meitingen und Gersthofen erinnern Stolpersteine an grausame Schicksale. Die Initiative des Künstlers Gunter Demnig hat eine länderübergreifende Gedenkkultur geschaffen, die alle Opfer des Nationalsozialismus, egal welcher Nationalität und Religion umfasst, betonte Lehmann.
Auch in Langweid wurden Zwangsarbeiter untergebracht
Rund zwölf Millionen Menschen wurden von den Nazis verschleppt und zur Zwangsarbeit gezwungen, beschrieb der Historiker kurz und knapp doch eindrucksvoll die Geschichte der Ausbeutung in Industrie und Landwirtschaft. Im August 1940 wurden die ersten Kriegsgefangenen und Zivilisten aus den vom nationalsozialistischen Regime okkupierten Ländern nach Achsheim, Stettenhofen und Langweid gebracht. Die Männer der örtlichen Bauernfamilien waren zum Kriegsdienst eingezogen worden. Ohne die Arbeitskraft der Männer und Frauen aus Frankreich, Italien, Polen, Russland und der Ukraine wäre die Landwirtschaft und damit die Produktion von Nahrungsmitteln zusammengebrochen, beschreibt Lehmann die damaligen Umstände. Auf Antrag wurden den Höfen Arbeitskräfte zugeteilt und deren Arbeitsleistung berechnet.
Allerdings scheint höchstens ein Drittel der Lohnzahlungen an die zuständige Stelle in Memmingen bei den Zwangsarbeitern angekommen zu sein. In Achsheim lebten französische Kriegsgefangene in einem Barackenlager. Es gibt Unterlagen über die Anzahl der Arbeiter in Langweid und Notizen liefern die eine oder andere Information zu Einsatzorten. Im Mai 1941 waren 16 Personen in Achsheim registriert, in Langweid waren es elf. Dort gab es kein Lager, die Zwangsarbeiter lebten auf den Höfen. In Stettenhofen scheinen vorwiegend Menschen aus Polen und der Ukraine gearbeitet zu haben. Zwangsarbeiter, die auf dem Flugplatz Gablingen eingesetzt waren oder für die Bahnmeisterei Meitingen schufteten, waren in Langweid untergebracht.
Viele Dokumente über Langweid fehlen
Durch das Fehlen vieler Dokumente gebe es nur „bruchstückhaftes Wissen“, bedauerte Lehmann. Das sei in vielen Orten der Fall, da Unterlagen nach dem Krieg oft vernichtet worden sind um die Spuren des Unrechts auszulöschen. Doch gelang es durch Gespräche mit Zeitzeugen und viel Spürsinn ein lebendiges Bild der Zeit vor 80 Jahren zu zeichnen.
Ein altbekanntes Gesicht fand Lehmann im Langweider Gemeinderat. Als Schüler des Gersthofer Paul-Klee-Gymnasiums hatte sich der heutige Kommunalpolitiker Dominik Jahn bereits sehr früh mit dem Thema der Zwangsarbeit auseinandergesetzt. Gemeinsam mit Mitschülern und seinem damaligen Geschichtslehrer Bernhard Lehmann setzte er sich für die Entschädigung von Zwangsarbeitern in Deutschland ein. Für eine in Langweid-Foret wohnende ehemalige Zwangsarbeiterin aus Weißrussland starteten die Schüler 1998 eine Spendenaktion.
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