Die Corona-Krise trifft Frankreich mit mehr als 10 000 Toten laut der US-amerikanischen Johns- Hopkins-Universität stärker als Deutschland, das bislang mehr als 2000 Todesopfer verzeichnet. Die Ausgangsbeschränkungen sind im Nachbarland strenger. Deutsche Krankenhäuser nehmen immer wieder französische Patienten auf. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron spricht von einem Krieg gegen das Virus. Wie ist die Lage in den Partnergemeinden von Meitingen, Stadtbergen und Gersthofen?
Pouzauges - Partnergemeinde von Meitingen
Ausgerechnet mit dem See der Hoffnung gibt es in diesen Corona-Wochen Probleme. Die Leute spazieren an ihm entlang, obwohl das verboten ist. Der „Lac de l’ Espérance“ ist ein beliebtes Ausflugs-ziel in Pouzauges, Frankreich, Partnergemeinde von Meitingen. Pouzauges kämpft während der Krise mit ähnlichen Problemen wie der Ort am Lech.
Michelle Devanne, 67, ist Bürgermeisterin von Pouzauges und wie viele ihrer Kollegen wegen des Coronavirus derzeit im Krisenmodus. Eine Telefonkonferenz folgt auf die nächste. In Devannes Gemeinde leben 5700 Menschen. Pouzauges liegt im Westen der Grande Nation, in der Region „Pays de la Loire“, Länder der Loire. Eine Autostunde ist es bis zum Atlantik.
In Frankreich herrscht eine strengere Ausgangssperre als in Deutschland. „Confinement“ nennen die Franzosen das. Bürger müssen einen Zettel dabei haben, auf dem steht, warum und wann sie das Haus verlassen. Neben einkaufen und zum Arzt gehen, ist eine Stunde Bewegung an der frischen Luft erlaubt. Aber nur einen Kilometer entfernt von Zuhause. Das sorgt für Probleme an dem am Ortsausgang gelegenen „Lac de l’ Espérance“. Ausflügler dürfen auch nicht mit dem Auto dorthin fahren, um ihn zu umrunden. Die Polizei kontrolliert und kassiert bei Verstößen 135 Euro. Glück haben diejenigen, die in der Nähe wohnen.
„Die Menschen halten die Regeln weitgehend ein“, sagt Michelle Devanne, deren Gemeinde seit 45 Jahren mit Meitingen verpartnert ist. Froh ist die Bürgermeisterin, dass sie den Obst- und Gemüsemarkt in der Ortsmitte am Donnerstag- und Samstagmorgen weiter geöffnet lassen kann. Noch. Eine höhere Behörde will ihn schließen. Devanne kämpft.
Sorgen bereitet der Bürgermeisterin, dass in ihrer Gemeinde Mundschutz-Masken, Tests, Desinfektionsmittel fehlen. Pouzauges sei nicht ausreichend auf die Pandemie vorbereitet gewesen, sagt Devanne, die keiner Partei angehört, aber linksliberal eingestellt ist. In der Gemeinde gebe es zwei Personen, die in Quarantäne seien und die man nicht testen könne.
Devanne und ihre Kollegen passen besonders darauf auf, dass die 100 älteren Menschen, die in einem Heim leben, möglichst geschützt sind. Helfer kümmern sich um Menschen, die alleine leben, und bringen Essen. Auch eine Hotline gibt es, um einfach mal zu reden.
Und das öffentliche Leben? „Auf den Straßen ist niemand mehr“, sagt Bürgermeisterin Devanne, die seit sieben Jahren im Amt ist. Fast alle Fabriken haben geschlossen, Schulen kümmern sich nur noch um wenige Schüler, auf Baustellen werde nicht mehr gearbeitet. Michelle Devanne geht davon aus, dass die Ausgangssperre noch bis Ende April dauert. „Der Höhepunkt kommt erst noch“, sagt sie. „Wenn die Krise überstanden ist, gibt es ein Vor und ein Nach Corona.“
Brie-Comte-Robert - Partnergemeinde von Stadtbergen
Jean Laviolette vermisst während der Corona-Krise die schönen Dinge des Lebens: ins Restaurant, ins Kino gehen, Golf spielen, Fahrrad fahren, einen Kaffee in der Sonne trinken. Jetzt während der Corona-Krise ist das alles nicht möglich. Was ihm Freude macht? „Zu sehen, wie die Menschen für andere einkaufen“, sagt er.
Laviolette, 73, ist Bürgermeister der Gemeinde Brie-Comte-Robert im Südosten von Paris: 18 000 Einwohner, 50 Autominuten vom Eiffelturm entfernt, Partnergemeinde von Stadtbergen. Vor einiger Zeit feierten Vertreter der deutschen Stadt und der französischen Gemeinde das 30-jährige Bestehen der Freundschaft.
„So etwas haben wir noch nicht erlebt“, sagt Laviolette. Das Virus ziehe vom Osten des Landes in den Westen und touchiere dabei den Großraum Paris, also auch seine Gemeinde. „Der Höhepunkt ist noch nicht erreicht.“ In den Krankenhäusern gebe es aber jetzt schon Probleme. „Es fehlt Personal, wie überall.“
Eine Ausgangssperre, wie es sie in Frankreich seit Mitte März gibt, hätte Laviolette schon eher verhängt und das für einen Monat. „Dann hätten es die Leute vielleicht ernster genommen“, sagt er. In Brie-Comte-Robert seien immer wieder Leute auf dem „Chemin des Roses“, dem Weg der Rosen, unterwegs. Der Rad- und Wanderweg ist 18 Kilometer lang, verläuft von Yèbles nach Santeny und durchquert Laviolettes Gemeinde in nordwestlicher Richtung. An vielen Stellen gibt es Barrieren, Zettel weisen daraufhin, dass die Promenade geschlossen ist.
Über Laviolettes Rathaus steht –das ist in Frankreich Pflicht – Liberté, Egalité, Fraternité. Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit. „Das setzen wir gut um“, sagt Laviolette und meint damit die Hilfe der Menschen füreinander. Viele Kommunalpolitiker sind unter den 50 Freiwilligen.
Laviolette hat sich vor vielen Jahren dafür eingesetzt, dass in Brie-Comte-Robert eine „Épicerie solidaire“, ein solidarisches Lebensmittelgeschäft, eröffnet. Bedürftige kaufen dort bei bis zu 20 Prozent niedrigeren Preisen ein. Die Läden gibt es in ganz Frankreich, die Lebensmittel stammen zum Teil von großen Ketten, die das Essen ein paar Tage vor Ablauf abgeben. Besonders jetzt während der Krise seien die Geschäfte gefragt.
Nogent-sur-Oise - Partnergemeinde von Gersthofen
Die Eichhörnchen in ihrem Garten bereiten Valérie Lefèvre Freude. Sie beobachtet, wie die Tiere Bäume hochklettern und eine Haselnuss nach der anderen futtern. Dass die Natur gerade jetzt, während der Corona-Krise, aufblühe, sei schön. „Es ist psychologisch für viele Menschen schwierig, mit der Situation klar zu kommen“, sagt Lefèvre am Telefon. Da helfe, dass draußen Vögel zwitschern.
Lefèvre arbeitet für die Gemeinde Nogent-sur-Oise. 20.000 Einwohner, japanischer Garten, Felsen-Schloss, an der Oise gelegen, Zugverbindung ohne Umstieg nach Paris. 75 Kilometer in südliche Richtung sind es bis zum Museum Louvre in der Hauptstadt. Seit 51 Jahren ist Nogent-sur-Oise mit Gersthofen verpartnert. Lefèvre ist zuständig für die Städtepartnerschaften.
Offiziell gibt es in der Stadt bislang keine Coronavirus-Fälle. Dennoch gilt zusätzlich zu der frankreichweiten Ausgangssperre ein örtliches Ausgehverbot zwischen 22 und 6 Uhr. Das heißt, dass Bürger während dieser Zeit noch nicht mal um den Block gehen dürfen. „Je besser wir die Regeln befolgen, desto eher bekommen wir unser normales Leben zurück“, sagt die 57-jährige Lefèvre. An diesem Morgen hat sie mit ihrem Enkel, 9 Jahre alt, etwas für die Schule gemacht: Lesen, Mathe, Konjugieren. „C’était rigolo“, „Das war lustig“, sagt sie.
Valérie Lefèvre hat Freunde in der Toskana – den Italienern gehe es deutlich schlechter als den Franzosen. Ihre Freunde warnten sie: Passt auf euch auf! „Das waren alarmierende Nachrichten. In Italien sterben Hunderte Menschen an einem Tag“, sagt Lefévre. Sie versucht, nicht ständig Nachrichten zu schauen und auch mal ihr Handy wegzulegen.
Die Beigeordnete des Bürgermeisters ist seit zwei Wochen krank geschrieben. „Ich habe aber nicht Covid-19“, sagt sie. Das Rathaus, die Arbeit mit Menschen, das fehle ihr. Gerade zeigten die Bürger Solidarität gegenüber anderen. Ein Sportlehrer filmt sich bei Übungen in seinem Garten und stellt das Video online. Die Gemeinde teilt es auf Facebook. Menschen bieten anderen Hilfe an. Lehrer geben Unterricht über den Videodienst Skype oder den Nachrichtendienst Whats-App.
Und dann ist da noch das Formular, das braucht, wer das Haus verlässt. Die Gemeinde Nogent-sur-Oise druckt in diesen Tagen zahlreiche Formulare aus und verteilt sie an Menschen, die kein Internet und keinen Drucker haben.
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