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Landkreis Augsburg: Unachtsame Raucherin zündet aus Versehen Praxis ihres Chefs an

Landkreis Augsburg

Unachtsame Raucherin zündet aus Versehen Praxis ihres Chefs an

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    Für viele Alltag und trotzdem immer wieder Auslöser für Brände: Das sorgfältige Ausdrücken von Zigarettenkippen wird oft unterschätzt.
    Für viele Alltag und trotzdem immer wieder Auslöser für Brände: Das sorgfältige Ausdrücken von Zigarettenkippen wird oft unterschätzt. Foto: Christin Klose, dpa-tmn (Symbolfoto)

    Eine Zigarettenpause im Mai kommt eine 18-Jährige aus dem südlichen Landkreis teuer zu stehen. Laut Anklage machte sie sich nicht die Mühe, einen Zigarettenstummel angemessen zu entsorgen und schnipste ihn unachtsam auf die hölzerne Terrasse der Zahnarztpraxis im westlichen Landkreis, in der sie eine Ausbildung zur Zahnarzthelferin machte. Die Terrasse fing an zu brennen und die Flammen sprangen auf den Dachstuhl über. So entstanden ihrem Arbeitgeber 30.000 Euro Schaden. Die junge Frau musste sich nun vor Gericht verantworten.

    Kann eine Zigarettenkippe Brandstiftung sein?

    Die Staatsanwaltschaft legte ihr zur Last, dass sie ihre Sorgfaltspflicht bei der Entsorgung der Zigarette verletzt habe und so einen Brand verursacht habe. Damit sei der Tatbestand der fahrlässigen Brandstiftung erfüllt. Vor Gericht verzichtete die 18-Jährige auf einen Anwalt.

    Als Richterin Rose Oelbermann sie verhörte, beteuerte sie, zum Tatzeitpunkt schon seit einem Jahr nicht auf der Terrasse geraucht zu haben. Ihre Zigarettenpausen habe sie vor die Haustür verlegt. Außerdem habe sie die Praxis zum Zeitpunkt des Brandes bereits verlassen. Doch der Zahnarzt, der ebenfalls raucht, sei noch einmal dort gewesen.

    Dieser behauptete während der Zeugenvernehmung, er habe sie und ihre Kollegin dort allein gelassen und habe in seiner Wohnung im unteren Stockwerk Büroarbeiten gemacht. Der Brand sei von seinen Nachbarn bemerkt worden. Diese hatten Sturm geklingelt, als sie bemerkt hatten, dass das Haus in Flammen stand. Sie hatten sich bereits daran gemacht, den Brand mit Gartenschläuchen zu löschen.

    Wer hat die Zigarette geraucht, die das Feuer verursacht hat?

    Trotz der widersprüchlichen Geschichten war die Brandursache allerdings klar. Wie die beiden Kriminaloberkommissare, die den Brandort untersucht hatten, darlegten, muss es sich um einen Zigarettenstummel gehandelt haben. Alle anderen Brandursachen seien auszuschließen gewesen: Auf der Terrasse gab es keine elektrischen Kabel oder Feuerquellen. Was es allerdings gab, waren eine große Menge Zigarettenkippen. Diese wurden in einer grünen Vase auf der Terrasse und in einem Kiesstreifen im Garten gefunden. Laut Angeklagter wurde die Vase benutzt, um dort den Aschenbecher nach Zigarettenpausen zu entleeren. Wer hatte also die verhängnisvolle Zigarette geraucht?

    Neben der 18-Jährigen und ihrem Chef gab es nur noch einen weiteren Raucher, dessen Kippen auf die Terrasse gelangen konnten. Ein Rentner, der im Stockwerk über der Zahnarztpraxis wohnt. Richterin Oelbermann hielt es zumindest für denkbar, dass dieser die Kippen hätte aus dem Fenster werfen können. Dieser schied aber schnell aus, da er sein Fenster nicht öffnen kann, weil es von einem Möbelstück blockiert wird.

    Der Zahnarzt beteuerte, dass er immer auf seiner privaten Terrasse im Erdgeschoss raucht. In seiner Praxis sei es verboten gewesen, auf der Terrasse zu rauchen, weil sie sich vor dem Umkleidezimmer seiner Mutter, mit der er sich die Praxis teilt, befinde. Er habe die Angeklagte deswegen auch schon einmal schriftlich und einmal mündlich verwarnt.

    Richterin und Staatsanwalt sind im Fall der fahrlässigen Brandstifterin einer Meinung

    Scheinbar hat sie sich am Tattag über das Verbot hinweggesetzt. Das behauptete zumindest ihre Kollegin. Diese sagte aus, dass die Angeklagte, nachdem sie einen Anruf von ihrem Freund erhalten hatte, auf die Terrasse gegangen sei. Dort habe sie ein längeres Telefonat mit ihm geführt und dabei geraucht.

    Eine kleine Geschichte des Tabakkonsums

    Die Kulturgeschichte des Tabaks geht Jahrhunderte zurück. Schon lange bevor Christoph Kolumbus nach Amerika kam, verwendeten verschiedene Indianer-Kulturen dort Tabak und andere Pflanzen als Heilmittel und für rituelle Handlungen.

    Von dort gelangte der Tabak zunächst nach Spanien und Portugal, Mitte des 16. Jahrhunderts dann auch nach Paris.

    1573 wird Tabakanbau in Deutschland erstmals urkundlich erwähnt, im Pfarrgarten einer Gemeinde bei Speyer.

    Bis ins 18. Jahrhundert hinein wird Tabak vorwiegend geschnupft.

    Während des Dreißigjährigen Krieges (1618-1648) verbreitet sich das Rauchen in Deutschland.

    1761 veröffentlicht ein britischer Mediziner eine erste Studie über den Zusammenhang von Schnupftabak und Nasenkrebs.

    Ab 1855 kurbeln die ersten Zigarettenmaschinen und die Erfindung des Streichholzes den Konsum an.

    1904 organisieren sich die ersten Tabak-Gegner, zum Beispiel im "Verband zum Schutze für Nichtraucher".

    Ab 1945 fangen immer mehr Frauen mit dem Rauchen an.

    In den 1950er Jahren kommen Zigaretten mit Filter auf den Markt. Die Werbung preist sie als weniger gesundheitsschädlich an.

    1964 belegt eine US-Studie, dass Rauchen Lungenkrebs verursacht.

    In den 1970er Jahren entstehen die ersten "Light"-Zigaretten. Die Hersteller vermarkten sie als weniger schädlich.

    1974 wird Tabakwerbung hierzulande in Rundfunk und Fernsehen verboten.

    1981 werden die ersten Zigarettenpackungen mit Warnhinweisen bedruckt: "Der Bundesgesundheitsminister: Rauchen gefährdet Ihre Gesundheit." (Quelle: dpa)

    Da es keine Verteidigung gab, kam diese Gerichtsverhandlung mit einem Plädoyer aus. Staatsanwalt Martin Neumann sah es als erwiesen an, dass die Angeklagte die Tat begangen habe. Ihre Kollegin habe keinen Grund, falsch auszusagen. Der Zahnarzt nutze den Balkon nicht zum Rauchen und der Nachbar habe seine Stummel nicht auf die Terrasse werfen können. Neumann sprach von einer "erheblichen Sorgfaltsverletzung" und forderte deswegen eine "spürbare Geldauflage" von 800 Euro. Auf Empfehlung des Gerichtshelfers plädierte er auch noch für drei bis fünf Sitzungen Gesprächsweisung zum Thema "Umsetzungen von Anweisungen im Berufsleben".

    Richterin Oelbermann war Neumanns Meinung und kam seinen Forderungen in vollem Umfang nach. Allerdings erkundigte sie sich noch mit einem Augenzwinkern, ob der für die Gespräche verantwortliche Verein Brücke Augsburg auch Gesprächsweisungen zu den Themen "Umgang mit Brandgefahren" oder "Die Gefahren des Rauchens" im Programm habe. Die Angeklagte wollte ihre Schuld auch nach der Urteilsverkündung nicht eingestehen. Sie überlegt Rechtsmittel einzulegen.

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