Neue Gardinen wären schön. Darauf wartet Elisabeth Strasser aus Zusmarshausen schon lange. Mittags steht sie hoffnungsfroh vor dem riesigen Ikea-Gebäude in Gersthofen. Einen Termin zum Shoppen hat sie nicht vereinbart. Die 63-Jähriger versucht ihr Glück spontan. Seit gut einer Woche dürfen viele Einzelhändler im Kreis Augsburg ihre Kunden eigentlich nur mit Termin empfangen. Ist ein Geschäft aber nicht ausgelastet, kann man in der Regel aber auch auf gut Glück vorbeischauen. Noch funktioniert das. Doch die Händler fürchten wegen der zunehmenden Corona-Infektionen die sogenannte Notbremse.
Die tritt dann in Kraft, wenn die Sieben-Tage-Inzidenz drei Tage lang über der 100er-Marke liegt. Die Entwicklung der Corona-Zahlen in den vergangenen Tagen und Wochen legt nahe, dass das ein realistisches Szenario ist.
Dann, erklärt Landratsamtssprecherin Annemarie Scirtuicchio, sei in Bayern Schluss mit Shoppen auf Termin. Öffnen dürfen nur noch Geschäfte des täglichen Bedarfs. Supermärkte, Drogerien und neuerdings auch Buchläden. Liegt die Sieben-Tage-Inzidenz zwischen den Schwellenwerten von 50 und 100 haben Händler mehr Freiheiten. Liegt sie unter 50, gibt es noch weniger Beschränkungen.
"Click & Meet" im Kreis Augsburg: Ein Kunde pro 40 Quadratmeter
Konkret sehen die Regeln im Kreis Augsburg aktuell so aus: Der Besuch des Geschäfts ist nur für einen begrenzten Zeitraum zulässig. Wie lange das ist, unterscheidet sich je nach Geschäft. Im Laden darf sich pro 40 Quadratmeter Verkaufsfläche maximal ein Kunde aufhalten, und die Kunden müssen eine FFP2-Maske tragen. Die Händler müssen außerdem die Kontaktdaten ihrer Kunden erheben. Wie die Geschäfte diese Regeln umsetzen, ist sehr unterschiedliche Bei Ikea in Gersthofen sollte man vorher online einen Termin ausmachen.
Die sind heißt begehrt. "In der Regel sind wir ausgebucht", sagt Marktmanager Günter Müller. Auf der Webseite des schwedischen Möbelhauses kann man sich für einen bestimmten Zeitraum zum Einkaufen anmelden. Dann bekommt man einen Code zugeschickt, der beim Betreten und Verlassen des Geschäfts vorgezeigt werden muss. Maximal dürfen 500 Menschen gleichzeitig einkaufen. Im Vergleich zu kleinen Geschäften, die teils nur einen Kunden empfangen können, ist das eine ganze Menge. Kein Wunder also, dass der Parkplatz vor dem Möbelhaus gut gefüllt ist. Drinnen sei vergleichsweise weniger los, berichtet das Ehepaar Scholz aus Augsburg. Die beiden wollten eigentlich nur einen Barhocker kaufen. Als sie das Geschäft verlassen, ist der Einkaufswagen aber auch mit etlichen anderen Dingen gefüllt. "Es macht Spaß, wieder einkaufen zu können", sagt die 65-Jährige. Doch die Frage ist: Wie lange noch?
Massiver Umsatzverlust trotz neuer Freiheiten für den Einzelhandel
Jeden Tag blickt Hannelore Kalkbrenner gespannt auf die neuen Corona-Zahlen. Sie ist eine der Filialleiterinnen von Schuh Schmid in Neusäß. Aktuell können Kunden dort telefonisch zum Einkaufen anmelden. In der Regel könne man aber auch einfach vorbeikommen, sagt Kalkbrenner. Jeder Kunde muss sich am Eingang eine Tasche nehmen, so kann Kalkbrenner immer abschätzen, wie viele Plätze noch frei sind. Nachdem klar war, dass sich die Corona-Regeln ändern werden, habe man in Neusäß schnell reagiert. "Wir hatten die Hoffnung, dass wir ohne Anmeldungen öffnen können", sagt Kalkbrenner. Doch wenige Tage vor Inkrafttreten der neuen Maßnahmen stiegen die Corona-Fälle im Kreis plötzlich an.
Bei Spiel + Freizeit in Gersthofen habe man zu diesem Zeitpunkt alle Hebel in Bewegung gesetzt, um kurzfristig Termine zum Shoppen über die Webseite des Spielwarengeschäfts vergeben zu können, erzählt Geschäftsführer Karl-Hans Pfleger. In dem großen Geschäft können angemeldete Kunden nun eine Stunde lang einkaufen. "Das Geschäft läuft zufriedenstellend", sagt Pfleger. Er hofft, dass das auch so bleibe. Schließlich gebe es Produkte, die man nicht einfach online bestellen kann. "Schulranzen zum Beispiel", sagt Pfleger. Jedes Kind habe eine andere Haltung. Pfleger: "Da braucht es einfach Beratung."
Ist Einkaufen mit Termin entspannter als Spontanshopping?`
Die gibt es nun auch bei dem kleinen Spielwarenhändler Gerd Hutner in Gessertshausen. Weil der Laden viel kleiner ist als zum Beispiel Spiel + Freizeit, dürfen dort nur acht Kunden gleichzeitig einkaufen. "Aktuell haben wir aber nur drei im Geschäft", sagt Hutner am Telefon. Was den Umsatz angeht, liege man weit unter dem, was vor Ostern eigentlich üblich. "Maximal 50 Prozent", schätzt der Spielwarenhändler. Dennoch ist er froh, dass mit Einschränkungen geöffnet werden kann. "Wir schauen jeden Tag auf die Inzidenzen", sagt Hutner.
Was passiert, wenn die - entgegen dem aktuellen Trend - wieder unter die Marke von 35 sinkt, zeigt ein Blick in den Landkreis Aichach-Friedberg. Im Möbelhaus Segmüller wollte Regina Baumann aus Anhausen dort am Wochenende einkaufen. "Es war so viel los, dass ich fast keinen Parkplatz gefunden hätte", sagt die 60-Jährige am Dienstagmittag vor Ikea in Gersthofen. "Hier war das Einkaufen schon deutlich entspannter", meint sie. Nur an der Kasse habe es sich trotz Terminshopping gestaut. Mit neuen Möbeln für ihr Gästezimmer macht sich Baumann zufrieden auf den Heimweg.
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