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Landkreis Augsburg: Stille Nacht: So lief die erste Nacht der Ausgangssperre im Kreis Augsburg

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Stille Nacht: So lief die erste Nacht der Ausgangssperre im Kreis Augsburg

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    Seit Mittwochabend herrscht im Landkreis Augsburg zwischen 21 und 5 Uhr eine Ausgangssperre. Wer das Haus verlassen möchte, braucht einen triftigen Grund. Vielerorts, wie hier in Königsbrunn, war es gespenstisch ruhig.
    Seit Mittwochabend herrscht im Landkreis Augsburg zwischen 21 und 5 Uhr eine Ausgangssperre. Wer das Haus verlassen möchte, braucht einen triftigen Grund. Vielerorts, wie hier in Königsbrunn, war es gespenstisch ruhig. Foto: Marcus Merk

    21.03 Uhr. In der Bobinger Dönerbude brennt noch Licht. Vor Muhammed Faighi reiht sich roter Krautsalat neben geschnittenen Tomaten und Knoblauchsauce. Hinter ihm dreht sich das geschichtete Fleisch am Spieß. "Alles für die Tonne", sagt der Iraner mit kurzen schwarzen Haaren und rotem Polohemd: "Was soll ich machen?" Denn mit Kundschaft ist an diesem Abend nicht mehr zu rechnen. Wer jetzt noch Döner kauft, muss mit Bußgeld rechnen. Seit drei Minuten herrscht Ausgangssperre im Augsburger Land.

    In der Dönerbude Meydan ist am Dienstagabend kaum noch etwas los, berichtet Muhammad Faighi (rechts). Ab 21 Uhr darf man auch zum Döner holen nicht mehr vor die Tür.
    In der Dönerbude Meydan ist am Dienstagabend kaum noch etwas los, berichtet Muhammad Faighi (rechts). Ab 21 Uhr darf man auch zum Döner holen nicht mehr vor die Tür. Foto: Marcus Merk

    Seither ist es gespenstisch still auf dem kleinen Marktplatz in Bobingen. Die Anzeige der großen Digitaluhr an der Raiffeisenbank springt von 21.04 Uhr auf minus Null Grad. Die leuchtenden Weihnachtsengel an den Straßenlaternen der Hochstraße weisen einer einsamen Autofahrerin den Weg. Vermutlich machen es sich viele Bobinger gerade auf dem Sofa bequem. Im Fernsehen läuft "Aktenzeichen XY... ungelöst". Draußen, auf den Straßen im Augsburger Land, hat die Polizei wenig zu tun.

    Kaum Verstöße gegen die Ausgangssperre im Kreis Augsburg

    Keinen einzigen Verstoß gegen die Ausgangssperre verzeichnet die Polizei in Gersthofen in dieser ersten Ausgangssperren-Nacht. Nicht einmal eine Verwarnung mussten seine Kollegen aussprechen, sagt Polizeichef Markus Schwarz. Das mag auch an den eisigen Temperaturen, dem Schnee und den geschlossenen Kneipen liegen, meint Polizeihauptkommissar Artur Dachs vom Polizeipräsidium in Bobingen. Auch seine Kollegen konnten im Gebiet Bobingen und Königsbrunn keine Verstöße feststellen. Raimund Pauli, Chef der Polizeiinspektion in Zusmarshausen, hofft, dass das so bleibt. Die Bilanz der ersten Nacht mit Ausgangsverbot in seinem Dienstgebiet: Eine Verwarnung in Fischach, weil ein Mann um kurz nach 21 Uhr noch auf dem Weg zum Essen holen war. Ansonsten: "Tote Hose", sagt Pauli.

    Kurz vor Beginn der Ausgangsperre sieht das noch etwas anders aus. 20.35 Uhr, im Skaterpark in Königsbrunn fliegt ein Schneeball durch die Luft. "Eine letzte Schlacht", sagt Hubert Strobl zu seinen beiden Söhnen: "In zehn Minuten geht's nach Hause." In voller Wintermontur stürzen sich die drei in den frischen Schnee. Das dürfte als sportliche Aktivität gelten, tagsüber ist das auch in Corona-Hotspot-Gebieten wie dem Kreis Augsburg kein Problem. Seit Mittwoch greifen die Regeln mit dem sperrigen Namen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung. Wer raus will, braucht einen triftigen Grund. Die Liste eben dieser ist lang: Arbeiten, Einkaufen, Arzt besuchen, Freunde eines Haushalts treffen, Ämtergänge, Teilnahme am Gottesdienst, Sport oder Gassigehen.

    Wer nach 21 Uhr das Haus verlassen will, braucht einen triftigen Grund

    Zwischen 21 und 5 Uhr ändern sich die Regeln. Die Liste wird kürzer: Arbeiten, medizinische Notfalle, Wahrnehmung des Sorge und Umgangsrechts, Begleitung von Unterstützungsbedürftigen und die Versorgung von Tieren. Letzteres dürfte Kai Häcker am Mittwochabend ein Bußgeld ersparen. Seinen triftigen Grund führt er im Königsbrunner Park an der Leine. Er heißt Samy, fünf Jahre alt, kurzes, schwarz-graues Fell, Australian Cattle Dog. Eine Rasse, die besonders viel Auslauf braucht, erklärt der 23-jährige Hundefreund. Wie er haben noch einige andere gute Gründe, weshalb sie trotz Ausgangssperre durch die Nacht ziehen.

    Wenige hundert Meter entfernt von Hund Samy stehen Fanni und Julia am Königsbrunner Busbahnhof. Die beiden sind beruflich unterwegs. Falls sie kontrolliert werden, haben sie eine Bescheinigung ihre Arbeitsgebers dabei, erzählt Fanni eingepackt in eine dicke schwarze Winterjacke und weißem Schaal. Die 30-Jährige arbeitet unter anderem in der Gastronomie. Sie erzählt von desaströsen Zeiten für Gastronomen und von goldenen Zeiten für Lieferdienste. Mit dem Bringdienstriesen Lieferando arbeite sie zur Zeit zusammen. "Da boomt es richtig", sagt Fanni. Das internationale Unternehmen berichtet in den drei ersten Quartalen des Jahres von 64 Prozent mehr Bestellungen als noch vor einem Jahr. Ein Gewinner in der Krise. Die Gastronomen hingegen schlagen Alarm und klagen über Umsatzverluste. Die Lichter in den meisten Restaurants im Augsburger Land sind am Mittwochabend aus. Doch es gibt Ausnahmen: Hell erleuchtet strahlt das goldene Logo von McDonalds an der Stadtberger Daimlerstraße.

    Viele Restaurants im Kreis Augsburg sind wegen Corona geschlossen

    Wer Lust auf Cheesburger, Nuggets und Cola hat, muss mit dem Auto kommen. Das Drive-in ist geöffnet, auch Abholen ist möglich. Gegessen wird bei laufemden Motor mit Sitzheizung. Zwei Sanitäter holen sich Burger und verschwinden in ihren Rettungswagen. Es sei eine ruhige Nacht bislang, sagt einer der beiden gegen 22 Uhr. Zeit für ein Gespräch haben sie nicht, es geht zurück zur Wache. Ein Mitarbeiter der amerikanischen Fast-Food-Kette erzählt, dass seit einer Stunde kaum mehr etwas los ist. Seit Beginn der ersten stillen Nacht von vielen. Dass die auch so still bleibt, darum kümmere sich der Stadtberger Ordnungsdienst, sagt der McDonalds-Mitarbeiter mit FFP-Maske aus dem Fenster heraus. "Die kommen hier alle halbe Stunde vorbei". Das hatte der Stadtberger Ordnungsamtsleiter Markus Voh schon angekündigt. Die Gegend rund um den Schnellimbiss gilt als Treffpunkt für Feierlustige. Bei Verstößen gegen die Corona-Regeln werde man hart durchgreifen, sagte Voh am Tag vor Beginn der Ausgangssperre. Am Mittwochabend gegen 22.15 gibt es aber nichts, weswegen durchgegriffen werden müsste. Auch in Stadtbergen ist es an diesem Abend gespenstisch ruhig.

    Berufspendler dürfen auch während der Ausgangssperre unterwegs sein

    Seitdem auch an Tankstellen abends kein Alkohol und keine Speisen verkauft werden dürfen, ist an der RAN-Tankstelle in Neusäß deutlich weniger los, sagt Mitarbeiter Nazir.
    Seitdem auch an Tankstellen abends kein Alkohol und keine Speisen verkauft werden dürfen, ist an der RAN-Tankstelle in Neusäß deutlich weniger los, sagt Mitarbeiter Nazir. Foto: Marcus Merk

    An der Endhaltestelle gegenüber des Schnellimbisses sitzt ein einziger Mann in der Straßenbahnlinie 2 in Richtung Haunstetten. Draußen, am dunklen Busbahnhof wartet die 20-Jährige Joanna auf die Linie 506 nach Zusmarshausen. Hinter ihr liegt ein langer Arbeitstag. Sie ist Pflegerin in einem Augsburger Behindertenwerk. Abfahrt um 22.20 Uhr, Joanna muss noch warten. Vier Minuten später, um 22.24 Uhr, soll der Fuggerxpress in Richtung Augsburg am Neusässer Bahnhof einfahren. Ein junger Mann in Turnschuhe, Trainingsjacke und Jogginghose wartet am Gleis. Auch er kommt aus der Arbeit: Spätschicht. Für Berufspendler gilt die Ausgangssperre nicht. Egal, ob die mit Zug oder Auto auf dem Weg nach Hause oder zur Arbeit sind.

    Ganz leer sind die Straßen am Mittwochabend deshalb nicht. An der RAN-Tankstelle in Neusäß tanken zwei Audifahrer ihre Autos mit Augsburger Kennzeichen. Vor dem Eingang räumt ein junger Mann Frostschutzmittel vom Hubwagen in ein silbernes Regal. Er heißt Nazir und hat in einer halben Stunde Feierabend. Dann ist es 23 Uhr. Viel los sei um diese Zeit auch vor der Ausgangssperre nicht, sagt Nazir. Besonders seit abends kein Alkohol und keine Speisen mehr verkauft werden dürfen. Noch so eine Corona-Regel. Eine Nacht mit Ausgangssperre ist eine Nacht ohne Dosenbier vor der Tanke oder Glühwein auf dem Gersthofer Rathausplatz.

    Sinken die Corona-Zahlen nicht, bleibt die Ausgangssperre bestehen

    Vor genau einem Jahr reihte sich dort Glühweinstand an Bratwurstbude an Crêpesstand an Aperol-Spritz-Bar. Vorbei, das Wintermärchen. Stattdessen sitzen die Alltagsmenschen, bekannte Skulpturen im Gersthofer Stadtbild, einsam auf einer Bank vor der Stadthalle. Die Bahnhofstraße ist leer, auf der Augsburger Straße fährt ein einsamer weiß-blauer AVV-Linienbus. Nun, gegen 23.15 Uhr sind auch kaum noch Pendler unterwegs. Es ist die erste von vielen stillen Nächten im Augsburger Land - vorausgesetzt, die Corona-Zahlen sinken nicht dauerhaft. Sieben Tage am Stück müssten die Sieben-Tages-Inzidenz im Kreis Augsburg unter den Wert von 200 gehen, damit die nächtliche Ausgangssperre aufgehoben würde. Sollte der Wert bis Weihnachten also nicht deutlich sinken, wird auch Silvester voraussichtlich zur stillen Nacht.

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