Mit einem romantischen Zeitvertreib hatte es wenig zu tun, auch nicht mit einer abenteuerlichen Suche nach Trophäen: Allein der Hunger trieb Menschen im 19. Jahrhundert zur Wilderei. Tragödien und schwere Verbrechen prägten die heimliche Jagd in der Dämmerung, die heute oft verklärt wird.
Wilderer wurden damals zu Volkshelden – auch mithilfe der Bevölkerung. Die einfachen Menschen unterstützten die Rebellen aus den Wäldern, weil sie gegen die Obrigkeit aufbegehrten.
Weldener Heimatdichter trägt zur Legendenbildung bei
Zur Legendenbildung trugen übrigens auch die tausendfach verkauften Romane des Weldener Heimatdichters Ludwig Ganghofer bei. Der „Jäger von Fall“ gehört zu den bekanntesten Romanen aus der Feder des Schriftstellers, der einen Großteil seiner Jugend in Welden verbracht hat. Dort stromerte er mit seinen Freunden in den Wäldern herum. An die Lausbubengeschichten des späteren Heimatdichters erinnert seit 2015 ein Rundweg im Wald.
Eine Station ist einer besonderen Begebenheit gewidmet: Der junge Ganghofer vergrub Tafelsilber der Familie im Wald, damit seine Freunde einmal einen Schatz heben konnten. Als die Sache daheim aufflog, gab es riesigen Ärger. Doch zu dumm: Ludwig Ganghofer vergaß die Stelle, an der er Besteck und Schmuckstücke im Erdreich versenkt hatte.
Ganghofers „Jäger von Fall“ geht übrigens auf eine Erinnerung von Ludwig Thoma zurück. Sie spielt im Isarwinkel. In Thomas Kurzgeschichte „Die Seeschlacht auf der
In einem Waldstück erschießen Wilderer einen Förster
Auch in den Wäldern Schwabens ging es früher um Begegnungen auf Leben und Tod. Oft hatten die Förster als Vertreter der staatlichen Ordnung das Nachsehen.
Im Jahr 1856 wurde zwischen Ziemetshausen und Langenneufnach ein fürstlicher Wallerstein’scher Förster mit den Namen Deffner von Wilderern erschossen. 43 Jahre später soll ein kranker, dem Tod naher Mann, das Verbrechen gestanden haben. In der Zeitung wurde gemutmaßt: „Vor dem irdischen Richter wird der Betreffende infolge Verjährung nicht mehr zu erscheinen brauchen.“
![Diese Tafel erinnert an Blasius Stotz, der in Itzlishofen bei Fischach erschossen wurde. Diese Tafel erinnert an Blasius Stotz, der in Itzlishofen bei Fischach erschossen wurde.](https://images.mgpd.de/img/100264393/crop/c1_1-w100/1289270487/615584955/copy20of20foto54tif.jpg)
Im selben Jahre hätte es bei Haselbach beinahe ein weiteres Opfer gegeben: Der Jagdpächter Keisinger und sein Gehilfe, der Bauern Hyazinth, sowie drei Treiber trafen am Nachmittag auf einen Wilderer. Sie umzingelten den Mann, der ein doppelläufiges Gewehr bei sich hatte.
Der Wilderer flüchtete sich in einen Hohlweg hinter eine junge Tanne. Als sich der Kreis enger geschlossen hatte, war der Bauer Hyazinth dem Wilderer ziemlich nahe: Auf einmal sprang der Unbekannte hervor, schlug dem Bauern das Gewehr aus der Hand und rannte an ihm vorbei. Er soll sich dann in die Gessertshauser Jagd geflüchtet haben.
Dort wurde 1903 ein ganzes Wilderernest ausgehoben. Die Zeitung berichtete: „Die Leute übten ihr verwerfliches Handwerk am hellen Tage aus, und lustig hörte man in den nahen Waldungen die Büchsen knallen. Abgeschraubte Gewehre, Munition etc. wurden in größeren Mengen gefunden. Gendarmerie-Sergeant Schmidt erhielt bei der Hausdurchsuchung einen Stoß und fiel so unglücklich die Treppe hinunter, dass er den linken Oberarm brach.“
Ein Wilderer wurde gestellt und erschoss sich selbst
Einem Wilderer das Handwerk gelegt hatte im November 1895 auch Franz Ruf, der Förster auf Schloss Seyfriedsberg. Im Hagenloh gelang es ihm, einen Mann festzunehmen. Der ging auch scheinbar willig mit. Plötzlich zog er jedoch ein zweiläufiges Terzerol hervor und zielte auf Ruf; der erste Schuss ging daneben, der zweite traf Ruf in die Lende.
Ruf schoss zurück und traf den Wilderer in den Oberschenkel. Ruf wankte nach Hause und ließ den verletzten Wilderer zurück. Um seiner Festnahme zu entgehen, lud dieser erneut sein Gewehr und schoss sich in den Kopf. Wie sich herausstellte, war der Wilderer ein gewisser Anton Weitprächtiger aus Neuburg. Er hatte schon ein Menschenleben auf dem Gewissen: Als Wilderer hatte er einen Förster bei Roggenburg erschossen und war dafür zu einer lebenslangen Zuchthausstrafe verurteilt worden. Wegen guter Führung wurde er aber nach 16 Jahren begnadigt.
Auch bei Zusmarshausen hinterließen Wilderer ihre Spuren
Wilderer wurden auch in der Gegend um Zusmarshausen vermutet. In den Wäldern hatten die Forstangestellten immer häufiger das Werkzeug der Wilddiebe entdeckt: Schlingen. 30 davon sammelte um 1900 ein Jäger namens Schneider ein. Bei der Begehung der Jagdbögen wurden auch einige gefährliche Schlingensteller von Neumünster gefasst.
Förster Hirsch entdeckte in dem Jagdgebiete des Herrn Heiß von Augsburg fünf Schlingen, in einer steckte ein verendeter Rehbock. Das Tier hatte sich mit einem Hinterlauf in der Schlinge gefangen.
Die Realität ist grausam: Das beweist die Auswahl von über 200 Kriminal-, Unglücks- und Un-fällen aus dem Augsburger Land, Mittelschwaben und dem angrenzenden Unterallgäu. Die kleinen und großen Sünden unserer Vorfahren in den letzten Jahren von Kini und Co. hat Redakteur Maximilian Czysz nacherzählt und mit einem Augenzwinkern aufbereitet. Die „Mordsgeschichten“ sind online unter www.augsburger-allgemeine.de/shop sowie bei den Medienpartnern der Augsburger Allgemeinen erhältlich.
Mordgeschichten: Bisher erschienen in unserer Serie
- Der schlimmste Tag des Lebens
- Brennende Kerze löscht fast die ganze Familie aus
- Brutaler Raub mit der Eisenstange
- Ganz Dinkelscherben geht im 19. Jahrhundert auf Verbrecherjagd
- Der schwäbische Räuber Kneißl
- Dunkle Abgründe und Räuberlegenden