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Landkreis Augsburg: Landrat Sailer: "Zahlen sagen wenig über das Corona-Risiko aus"

Landkreis Augsburg

Landrat Sailer: "Zahlen sagen wenig über das Corona-Risiko aus"

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    Ausführlich Stellung genommen hat Landrat Martin Sailer zur Informationspolitik seines Hauses in der Corona-Krise.
    Ausführlich Stellung genommen hat Landrat Martin Sailer zur Informationspolitik seines Hauses in der Corona-Krise. Foto: Marcus Merk (Archivfoto)

    Genauso sprunghaft wie die Infektionszahlen steigt das Interesse am Thema Corona wieder. Seit Anfang Oktober wurden die Infoseiten des Landkreises 57.000 mal aufgerufen. Doch wie gut werden die Menschen dort auf dem Laufenden gehalten? Wie schnell erfahren sie die wirklich wichtigen Informationen? Das Online-Angebot des Landkreises unterscheidet sich deutlich von dem der Stadt Augsburg. Dieses bietet zum Beispiel mehr Informationen über das Infektionsgeschehen, ist in mehreren Sprachen verfasst und auch in Leichter Sprache. Auch der Nachbarlandkreis Aichach-Friedberg hat ein Angebot in Leichter Sprache. Wir befragten den Augsburger Landrat Martin Sailer über die Gründe für die Unterschiede und die aktuelle Corona-Entwicklung im Augsburger Land.

    Die Aufbereitung der Corona-Zahlen ist im Landkreis im Vergleich zur Stadt Augsburg sehr unterschiedlich. Woran liegt das?

    Sailer: Wir orientieren uns nicht an der Vorgehensweise der Stadt Augsburg, sondern den eigenen Überlegungen. Wir kennen das Informationsangebot der Stadt Augsburg und haben zu Beginn der Pandemie geprüft, welche Informationsdichte für die Bevölkerung des Landkreises aufschlussreich und aussagekräftig ist. An dieser Vorgehensweise halten wir fest.

    Zahlen allein bieten keine realistische Einschätzung der Corona-Lage im Kreis

    Hält das Landratsamt seine Art der Präsentation für besser oder ist eine Angleichung der Darstellung an die der Stadt Augsburg denkbar, die neben Grafiken auch mehr Details bietet?

    Sailer: Das entscheidende Kriterium, ob eine Information bereitgestellt und täglich aktualisiert werden muss, ist, ob die Information für die Bürgerinnen und Bürger relevant ist und einen belastbaren Rückschluss auf die Ist-Situation zulässt. Eine realistische Einschätzung der Lage auf Grundlage bloßer Zahlen und Statistiken ist nicht möglich und unter Umständen sogar riskant. Zahlenangaben müssen stets in einem erläuternden Kontext präsentiert werden, um das Risiko falscher Rückschlüsse zu vermeiden. Aufgrund der Abwägung von Aufwand und Nutzen kommen wir zu dem Ergebnis, dass der Aufwand für ein täglich aktualisiertes, detailliertes Zahlendossier in keinem Verhältnis zu seinem tatsächlichen Nutzen für die Öffentlichkeit stünde.

    Warum gibt es beim Landratsamt am Samstag keine Zahlen, bei der Stadt aber schon?

    Sailer: Sämtliche Zahlen im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie dienen der Orientierung und Veranschaulichung, in welche Richtung sich die Lage bewegt. Die zahlenmäßige Entwicklung allein löst keine Maßnahmen aus, sondern die zuständige Behörde unter Berufung auf diese Zahlen. Daher ist es im Verlauf des Wochenendes unerheblich, welche Statistiken verzeichnet werden, da die Änderungen von Regelungen und Vorgaben nicht an Automatismen sondern an bewusste Entscheidungen geknüpft sind.

    Wie sinnvoll ist es, bei einem derart großen Landkreis wie dem Augsburger einen Inzidenzwert anzugeben, der dann für Nordendorf genauso gilt wie für Zusmarshausen oder Königsbrunn?

    Welche Regel gilt jetzt wo?

    Sailer: Gemessen daran, wie vielfältig die unterschiedlichen Maßnahmen je nach aktuellen Inzidenzwerten bereits sind, wäre es wenig zielführend, den Landkreis als Gebietskörperschaft noch feingliedriger zu unterteilen. Eine solche Auftrennung der Inzidenzwerte nach kreisangehörigen Kommunen oder Landkreisregionen Nord/Süd ist auch in den verbindlichen Vorgaben des Freistaats in keiner Weise vorgesehen. In der Praxis würden sich zahlreiche neue Detailfragen ergeben, was nun beispielsweise für Bürger gelte, die in einer Kommune leben und in einer anderen mit höherem Inzidenzwert zur Arbeit gehen oder eine Veranstaltung ausrichten oder besuchen wollen.

    Es gibt Landkreise, die die Corona-Zahlen für einzelne Städte und Gemeinden ausweisen. Warum kann man das nicht für den Landkreis Augsburg machen?

    Sailer: Das ist eine Angabe, die ein hohes Potenzial missverständlicher Lesarten birgt. Das Infektionsrisiko für die Bevölkerung einer Kommune mit höheren Fallzahlen ist nicht zwangsläufig höher als in einer Kommune mit augenblicklich niedrigen Fallzahlen, was aber durchaus auf diese Art interpretiert werden könnte. Wenn eine Ansteckung nachgewiesen ist, wird bekanntermaßen häusliche Quarantäne verordnet. Von diesen Personen geht für die Allgemeinheit kein Ansteckungsrisiko mehr aus. Wie hoch das Risiko in den Landkreiskommunen für die Öffentlichkeit ist, lässt sich mit keiner Zahlenangabe verlässlich beziffern – hier stoßen blanke Zahlen schlicht an die Grenzen ihrer Aussagekraft. Wir empfehlen, sich unabhängig von Zahlenangaben stets umsichtig, verantwortungsbewusst und vorausschauend in dieser Pandemie zu verhalten.

    Muss man bald im Landkreis Augsburg im Freien Maske tragen?

    Abschließende Frage: Gibt es bald auch im Landkreis Orte, an denen wir unter freiem Himmel Maske tragen müssen?

    Sailer: Sofern die Kommunen den Bedarf vor Ort sehen sollten, melden sie dies an das Landratsamt. Das Gesundheitsamt stellt daraufhin die Anordnung aus.

    Lesen Sie dazu auch den Kommentar von Christoph Frey: Corona-Krise im Landkreis Augsburg: Information schafft Vertrauen

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