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Landkreis Augsburg: Landrat Sailer: "Vom Robert-Koch-Institut halte ich überhaupt nichts"

Landkreis Augsburg

Landrat Sailer: "Vom Robert-Koch-Institut halte ich überhaupt nichts"

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    Landrat Martin Sailer (rechts) berichtete dem Kreistag  ausführlich über die vergangenen Wochen. Er sprach auch einiges an, was nicht gut lief.
    Landrat Martin Sailer (rechts) berichtete dem Kreistag ausführlich über die vergangenen Wochen. Er sprach auch einiges an, was nicht gut lief. Foto: Marcus Merk

    Es war eine besondere Sitzung für die Kreisräte, die sich mit Mundschutz im großen Sitzungssaal versammelten – zur Einhaltung des nötigen Abstands diesmal nur 40 von ihnen. Eigentlich sollte es für viele Urgesteine der Landkreispolitik, unter anderem Max Strehle, Anni Fries und Albert Lettinger, auch die letzte Sitzung ihrer politischen Laufbahn sein. Die haben sie sich sicher nicht so vorgestellt: mit Gesichtsmaske, auf Abstand und ohne herzlichen Händedruck zum Dank und Abschied. Deshalb stellte Landrat Martin Sailer gleich zu Beginn klar: Dieses Gremium werde in der alten und vollen Besetzung noch einmal später, wenn die Zeiten wieder normaler sind, zusammenkommen, um den scheidenden Kreisräten einen verdienstvollen Abschied bereiten zu können.

    Dennoch war diese Sitzung besonders. Nicht nur wegen der Masken – im hellblauen OP-Blau, mit bunten Mustern und Sternchen oder mit alpenländischen Hirschen (Landrat Sailer). Sondern auch, weil es am Ende der Tagesordnung unter „Verschiedenes“ – wo oft die eigentlich brisanten Themen zur Sprache kommen – doch wieder um Corona ging. Landrat Sailer berichtete auf Nachfrage des Gremiums über die vergangenen Monate, den Arbeitsalltag im Krisenmodus und die Herausforderungen, die das Landratsamt stemmen muss.

    Acht Stunden täglich Telefonkonferenzen

    Klar war, es gibt nicht viel Spielraum: „Wir bekommen täglich klare Anweisungen vom Krisenstab in München, die wir abzuarbeiten haben.“ Er selbst sitze oftmals acht Stunden täglich in Telefon- und Videokonferenzen. Sailer sagt, rückblickend habe man es in kurzer Zeit geschafft, das Landratsamt auf Krisenmodus umzustellen. Schon zehn Tage vor dem Robert-Koch-Institut (RKI) forderte er, ganz Norditalien zum Risikogebiet zu erklären. „Ich mache keinen Hehl daraus: Vom RKI halte ich überhaupt nichts! Vieles kam viel zu spät, es gibt zu viele widersprüchliche Aussagen.“

    Sailers harte Haltung wurde anfangs von manchen als übertrieben bewertet. Etwa, dass er seinen Wahlkampf abrupt beendete und das auch anderen dringend empfahl. Heute weiß man, seine Befürchtungen waren richtig. Im Landratsamt wurde Sailer zum Krisenmanager.

    Es bildeten sich drei Teams: eins davon (in nicht systemrelevanten Bereichen) im Homeoffice. Dieses Team macht sich nützlich, indem es Vereine, Firmen und Kunstschaffende anruft, sich deren Probleme anhört und die Fragenden an geeignete Stellen weiterleitet. Die anderen Teams im Landratsamt wechseln sich ab, sodass sie sich nie begegnen. „Unser Ziel ist, möglichst lange arbeitsfähig zu bleiben.“ Zu Spitzenzeiten waren bis zu 80 Mitarbeiter sieben Tage die Woche in der Telefonhotline des Gesundheitsamts tätig. Auch „weil die KV nicht in der Lage war, ihre Nummer 116117 ausreichend zu besetzen“, so Sailer. Generell spart er nicht mit Kritik an der Kassenärztlichen Vereinigung: „Die KV hat am Anfang ihren gesundheitlichen Versorgungsauftrag nicht erfüllt, das mussten wir mitübernehmen.“ Es seien dazu noch viele, viele Fragen offen, „die man so nicht stehen lassen kann und worüber es später noch eine harte Auseinandersetzung geben wird“, so der Landrat.

    "Hoch motiviert und effizient"

    Gleichzeitig lobt er seine Mitarbeiter und die Zusammenarbeit mit den eingerichteten Versorgungspraxen und dem Versorgungsarzt Dr. Berger. Man sei froh, mit den eigenen Abstreichstationen des Landkreises und zwei mobilen Fahrzeugen gut aufgestellt zu sein. Nächste Woche soll die Abstreichstation in Hirblingen eröffnet werden. Michael Püschel, leitender Verwaltungsdirektor, führte aus, man sei gut aufgestellt und in der Lage, jede geforderte Anzahl von Tests durchzuführen. Es sei nun auch gelungen, für Krankenhäuser, Pflegeeinrichtungen und Arztpraxen Schutzmaterial zu besorgen. Sailer sagte, es sei schön, zu sehen, „wie dieses Haus im Krisenmodus hoch motiviert und effizient funktioniert“.

    Seit die Zahl der Infizierten abnimmt, sei man mit anderen Fragen beschäftigt, etwa zur Hilfe für die Wirtschaft oder den Aufbau von Notkrankenhäusern. Auch Sailer warnt vor Übermut: „Steigt die Reproduktionszahl wieder über 1,3, dann sind unsere Krankenhäuser innerhalb von fünf Wochen voll.“

    Über alle aktuellen Entwicklungen informieren wir Sie in unserem Liveblog.

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