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Landkreis Augsburg: Landkreis Augsburg: Jede zweite Firma steht mit dem Rücken zur Wand

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Landkreis Augsburg: Jede zweite Firma steht mit dem Rücken zur Wand

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    Warnte vor den wirtschaftlichen Folgen eines weiteren Corona-Lockdown: IHK-Vizepräsident Michael Proeller
    Warnte vor den wirtschaftlichen Folgen eines weiteren Corona-Lockdown: IHK-Vizepräsident Michael Proeller Foto: Marcus Merk

    Rein äußerlich scheinen Reinhold Braun und Michael Proeller sehr gegensätzlich. Hier der sich leger-lässig gebende Proeller, der das traditionsreiche Familienunternehmen Erhardt und Leimer leitet und gerne mal einen lockeren Spruch raushaut, und da Braun. Der Geschäftsführer des Zusmarshauser Fahrzeugausstatters Sortimo trägt Krawatte, formuliert verbindlich und freundlich. Doch inhaltlich haben Proeller als Vizepräsident der Industrie- und Handelskammer und Braun als Vorsitzender der IHK-Regionalversammlung Augsburg-Land ein und dieselbe Botschaft: Die Corona-Krise hat der Wirtschaft im Landkreis Augsburg den steilsten Absturz seit 20 Jahren beschert, und beide sind in Sorge, dass es noch schlimmer kommt.

    Corona: Fast die Hälfte der Firmen spart beim Personal

    Gestützt wird diese These von aktuellen Erhebungen der Industrie-und Handelskammer. Danach hat fast die Hälfte der Firmen im Wirtschaftsraum Augsburg (Kreise Augsburg und Aichach-Friedberg sowie Stadt Augsburg) seit dem coronabedingten Lockdown beim Personal gespart. Mehr als 80 Prozent davon meldeten Kurzarbeit an, zudem wurden flexible Arbeitszeitmodelle genutzt oder freie Stellen nicht mehr besetzt.

    Auf der anderen Seite könnten die Unternehmen nicht alles auf null herunterfahren. So müssten die Bereiche Forschung und Entwicklung weiter mit Hochdruck arbeiten, um konkurrenzfähig zu bleiben. Oder wie es Proeller als Chef eines weltweit agierenden Unternehmens für Automatisierungstechnik sagte: „Nur mit dem Schweißen und Biegen von Blechen behauptet man sich nicht auf dem Weltmarkt.“

    Reinhold Braun: Im Herbst könnten harte Entscheidungen fallen.
    Reinhold Braun: Im Herbst könnten harte Entscheidungen fallen. Foto: Marcus Merk

    Über 60 Prozent der Chefs befürchten sinkende Umsätze

    Nach einer IHK-Umfrage im Augsburger Land rechnen im Frühjahr 40 Prozent der Unternehmen mit einer Verschlechterung der Lage, im gesamten Wirtschaftsraum gingen mehr als 60 Prozent der Firmenchefs von sinkenden Umsätzen aus. Besonders mies ist die Stimmung in Gastronomie- und Hotelgewerbe sowie im verarbeitenden Gewerbe, das im Landkreis Augsburg ein besonders wichtiges Standbein ist. Besser sieht es auf dem Bau aus, doch es ist nach Einschätzung von Proeller nur eine Frage der Zeit, bis die Krise auch dort durchschlägt.

    Braun und Proeller warnten am Dienstagvormittag vor den Folgen eines erneuten bundesweiten Lockdowns. Proeller: „Das überleben 90 Prozent der Unternehmen bei uns nicht.“ Schon jetzt stehe die Hälfte der Firmen im drittgrößten bayerischen Landkreis „mit dem Rücken zur Wand“. Im Augsburger Land haben rund 20.000 IHK-Firmen mehr als 77.000 Beschäftigte und erwirtschaften ein Inlandsprodukt von 7,5 Milliarden Euro im Jahr.

    Als industrielastige Region seien die Unternehmen im Kreis besonders vom Export abhängig. Doch derzeit sei nicht abzusehen, wie die internationalen Märkte wieder anlaufen. Hinzu kämen die Unsicherheiten über den Verlauf des Brexits. Braun: „Was man von den Verhandlungen aus Brüssel hört, ist eine Katastrophe.“

    Die beiden Unternehmenschefs (Sortimo, Erhardt und Leimer) fordern von Bund und Land einen Masterplan, um der Wirtschaft zu helfen. Dabei gehe es um Verbesserungen in den Bereichen Digitalisierung, Verkehr, Energieversorgung und Bildung, damit der Standort weltweit wettbewerbsfähig bleibe. Dabei sei Tempo wichtig. Proeller: „Wenn man sich auf dünnem Eis bewegt, ist Geschwindigkeit wichtig.“

    Im Herbst könnten harten Entscheidungen fallen

    Nach Ansicht von Proeller und Braun stehen viele Firmen vor einem „Herbst der Wahrheit“. Wenn die Jahresabschlüsse gemacht und die wirtschaftlichen Aussichten erwogen würden, könnten harte Entscheidungen fallen, warnten beide. Schon jetzt sei ein Anstieg der Arbeitslosigkeit zu beobachten und ein Rückgang bei den Lehrverträgen.

    Zugleich unterstrichen sie die Bereitschaft vieler Betriebe, weiter auszubilden. Braun betonte: „Wir wollen erreichen, dass jeder einen Ausbildungsplatz findet.“ Die finanziellen Beihilfen des Bundes für Ausbildungsbetriebe begrüßte er. In den Augen Proellers könnten diese Beihilfen auch über die Corona-Krise hinaus bestehen bleiben. Schließlich koste die Ausbildung eines Lehrlings einen Betrieb an die 100.000 Euro. Auf der anderen Seite sind gut ausgebildete Fachkräfte ein wertvolles Kapital und wurden vor der Krise händeringend gesucht.

    Laut einer aktuellen Umfrage der Industrie- und Handelskammer für Schwaben planen viele Unternehmen, Lehrlinge auszubilden. Zwar sei mit weniger Ausbildungsplätzen zu rechnen, allerdings blieben in der Vergangenheit Hunderte Lehrstellen offen.

    Derzeit bilden in Schwaben mehr als 5000 Betriebe der IHK rund 23.000 Lehrlinge aus. Hinzu kommen noch die Stellen im Handwerk.

    Hier geht es zum Kommentar zum Thema: Trotz Absturz der Wirtschaft:Was ein wenig Hoffnung macht

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