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Landkreis Augsburg: Gibt es im Augsburger Land zu viel Wild im Wald?

Landkreis Augsburg

Gibt es im Augsburger Land zu viel Wild im Wald?

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    Um das Wild in Schach zu halten, hat Bundesagrarministerin Julia Klöckner (CDU) einen neuen Entwurf für das Jagdgesetz vorgestellt. In Zukunft soll es einen „jährlichen Mindestabschuss für Rehwild“ geben.
    Um das Wild in Schach zu halten, hat Bundesagrarministerin Julia Klöckner (CDU) einen neuen Entwurf für das Jagdgesetz vorgestellt. In Zukunft soll es einen „jährlichen Mindestabschuss für Rehwild“ geben. Foto: Marcus Merk (Archiv)

    Die meisten Menschen finden Rehe niedlich. Trotzdem will Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner Jägern empfehlen, mehr von ihnen zu schießen. Der Grund: Die Bundesregierung will den sogenannten Waldumbau forcieren. Das bedeutet vor allem mehr Laubbäume und weniger Nadelbäume. Bäume mit Blättern sollen besser mit dem sich aufheizenden Klima zurechtkommen als die vorherrschenden Fichtenwälder. Rehe neigen allerdings dazu, genau diese Laubbäume zu fressen, wenn sie noch Stecklinge sind.

    Bestand an Rehen im Landkreis Augsburg wächst

    Um das Wild in Schach zu halten, hat Bundesagrarministerin Julia Klöckner (CDU) einen neuen Entwurf für das Jagdgesetz vorgestellt. In Zukunft soll es einen „jährlichen Mindestabschuss für Rehwild“ geben, wie es in ihrem Gesetzesentwurf heißt. Eine Obergrenze soll entfallen. Eines ist klar: Der Bestand an Rehen nimmt zu. 15.000 Rehe gibt es nach aktuellen Schätzungen im Augsburger Land. Laut der unteren Jagdbehörde beim Landratsamt sind im Jagdjahr 2019/2020 insgesamt 4240 Rehe geschossen worden. 576 wurden überfahren, 76 sind aus anderen Gründen gestorben. „Es ist ein großer Aufwand, junge Bäume vor Rehen zu schützen“, sagt Philipp Hanner, der Geschäftsführer der Forstbetriebsgemeinschaft Augsburg West. Der Verein vertritt private Waldbesitzer. Um junge Bäume zu schützen, spannen sie Plastikplanen im Wald und lassen die Bäume aufwendig von Förstern bewachen. Durch den Wegfall von Raubtieren wie dem Luchs und dem Wolf nehme der Bestand an Rehen seit Jahrzehnten zu. Der einzige Weg, das Rehwild in Schach zu halten, sei die Bejagung durch den Menschen.

    Interview: Diese Strafen drohen für Wilderei

    Mit einem romantischen Zeitvertreib hatte es wenig zu tun, auch nicht mit einer abenteuerlichen Suche nach Trophäen: Allein der Hunger trieb Menschen im 19. Jahrhundert zur Wilderei. Tragödien und schwere Verbrechen prägten die heimliche Jagd in der Dämmerung, die heute oft verklärt wird. Auch heute noch werden im waldreichen Holzwinkel, für den die Polizeidienststelle Zusmarshausen zuständig ist, immer wieder Fälle von Wilderei gemeldet. Das bestätigt der Inspektionsleiter Raimund Pauli.

    Wie wird heutzutage gewildert?

    Raimund Pauli: Das Jagen mit Schlingen oder Fallen wie vor 100 Jahren beschrieben stellt im aktuellen Zeitalter die absolute Ausnahme dar und ist in den letzten Jahren überhaupt nicht mehr bekannt geworden. In überwiegenden Fällen der Jagdwilderei sind Schusswaffen im Spiel – klein- oder großkalibrige Waffen. Nachdem tagsüber so gut wie nie gewildert wird – Forstarbeiter, Jäger oder Erholungssuchende oder Pilzsammler passen in den Wäldern gut auf –, kommen mit den Schusswaffen nachts sehr oft auch spezielle Zielgeräte, das Scheinwerferlicht von Kraftfahrzeugen oder auch andere Lichtquellen zum Einsatz. Insgesamt spielt Jagdwilderei heute eine eher untergeordnete Rolle in der Kriminalstatistik. Eine Konzentration im Holzwinkel ist nicht mehr festzustellen.

    Welche Strafe steht heute auf Wilderei?

    Pauli: Die Strafbarkeit für Jagdwilderei ergibt sich aus dem Strafgesetzbuch. Da das Jagdrecht mit Grund und Boden verbunden ist, ist grundsätzlich immer die Erlaubnis des Grundstücks- oder Waldbesitzers erforderlich. Ist sie nicht vorhanden, dann handelt es sich um Jagdwilderei. In solchen Fällen sieht der Paragraf 292 eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren oder eine Geldstrafe vor. Es kann sogar deutlich mehr werden: Bei gewerbs- oder gewohnheitsmäßiger Jagdwilderei, zur Nachtzeit, in der Schonzeit, mit Schlingen oder gemeinschaftlich mit Schusswaffen, ist eine Geldstrafe nicht mehr möglich, sondern nur eine erhöhte Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren

    Das klingt sehr komplex.

    Pauli: Das ist richtig. Von der Jagdwilderei abgegrenzt werden übrigens Verstöße gegen das formelle Recht.

    Das heißt?

    Pauli: Das formelle Recht ist im Bundesjagdgesetz und im Bayerischen Jagdgesetz geregelt. Das Landesrecht geht grundsätzlich dem Bundesjagdgesetz vor, außer es findet sich dort keine relevante Regelung. Neben der Einhaltung von sachlichen Geboten und Verboten, unter anderem das Jagen aus einem Kraftfahrzeug heraus oder Schusswaffen mit Schalldämpfer, zählt hierzu vor allem das Jagen ohne den erforderlichen Jagdschein. In der Regel handelt es sich dann um Ordnungswidrigkeiten, die mit einer Geldbuße von bis zu 5000 Euro belegt werden können. Unter bestimmten Voraussetzungen sind nach dem Bundesjagdgesetz auch Straftatbestände als Vergehen mit einer Strafandrohung von bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe oder mit Geldstrafe möglich. (mcz)

    Das Interview wurde dem Buch „Mordgeschichten – Die kleinen und großen Sünden unserer Vorfahren“ entnommen. Es ist unter anderen bei den AZ-Servicepartnern und im AZ-Onlineshop unter www.augsburger-allgemeinde.de/shop erhältlich.

    Auch Martin Mayr, der Kreisobmann des Bauernverbandes, hält Klöckners Idee für sinnvoll. Er findet aber, dass sie nicht weit genug geht: „Ich würde mir wünschen, dass auch Wildschweine verstärkt geschossen werden dürfen.“ Wildschweine neigen dazu, auf der Nahrungssuche den Boden umzupflügen, dabei machen sie auch nicht vor den Äckern der Bauern halt. „Rehe machen zudem Waldbesitzern das Leben schwer, weil sie das Aufforsten erschweren“, sagt Mayr. Ein verstärkter Abschuss könne auch dafür sorgen, dass Wälder besser wachsen können.

    Wälder heutzutage erinnern eher an eine Plantage

    Hans Fürst ist Vorsitzender der Jägervereinigung Augsburg. Auch er will einen heterogeneren Wald: „Die Wälder heutzutage erinnern ja eher an eine Plantage“, sagt er. Die vorwiegend aus Fichten bestehenden Wälder seien zwar vielleicht wirtschaftlicher, aber weniger widerstandsfähig. Er hält aber nicht viel von Vorgaben aus Berlin, um das Ziel zu erreichen: „Die Situation ist von Ort zu Ort unterschiedlich“, sagt er. Lokale Jagdbehörden, Jäger und Forstbesitzer seien viel besser in der Lage, lokale Gegebenheiten zu beurteilen und auf Probleme wie Abfraß zu reagieren. Das funktioniere seit Jahrzehnten einwandfrei, auch ohne die Bundespolitik. Er fordert ein Gleichgewicht von Wald und Wild: „Wenn heimische Baumarten nicht in der Lage sind, eigenständig zu wachsen, ist der Wildbestand zu hoch, und wir Jäger müssen eingreifen“, findet Fürst.

    Der Bund Naturschutz findet sich in seltener Einigkeit mit den Bauern und Jägern: „Die Naturschutzverbände fordern schon seit Jahren, dass mehr Rehe geschossen werden sollen“, sagt der stellvertretende Vorsitzende für den Landkreis Augsburg, Lothar Büch. Der Wildbestand sei viel zu hoch, um Laubbäumen das Wachsen zu ermöglichen. Der vorherrschende Fichtenwald sei gut für die Holzindustrie, aber katastrophal für die Artenvielfalt: „Dieser Nadelboden ist im Grunde steril“, sagt Büch. Zudem seien Fichten Flachwurzler, die bei Sturm leicht umfallen und ein gefundenes Fressen für den Borkenkäfer darstellen.

    Sorge vor "Abschusswut" der Jäger im Landkreis Augsburg

    Monika Öppert kümmert sich in Fleinhausen um verwaiste Rehkitze. Sie will Rehen nicht die Schuld für die mangelnde Vielfalt im Wald geben: „Frau Klöckner sollte mal selbst raus in den Wald und sich die Situation anschauen“, sagt sie. Nahrungsquellen, die Rehe eigentlich bevorzugen, würden systematisch entfernt und klein gehalten: „Rehe fressen eigentlich lieber Büsche und Beeren. Die werden häufig entfernt“, sagt sie. Nur wenn diese fehlen, würden sie sich auf junge Bäume konzentrieren. Im natürlichen Zustand gebe es an jedem Waldrand eine Reihe von Büschen. Natürlich sehe sie ein, dass Rehe ab und zu geschossen werden müssen, aber „Abschusswut“ sei keine Lösung.

    Auch Roland Bock von der Jägervereinigung Schwabmünchen sieht den Vorschlag skeptisch: „Schon jetzt schaffen es viele Jäger nicht, die Höchstquoten zu erfüllen“, sagt er. Auch ohne Gesetzesänderung würden mehr Tiere geschossen. Schon jetzt werde das Rehwild durch den Menschen zurückgedrängt, was auch den Abfraß verstärke. Allerdings will auch Bock mehr Laubbäume im Wald sehen, er würde das Ziel aber lieber über den Schutz der Stecklinge erreichen. „Ich wünsche mir einen Wald mit Wild. Ohne Wild macht der Wald keinen Spaß.“

    Lesen Sie dazu auch den Kommentar: Der Wald kommt vor dem Wild

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