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Landkreis Augsburg: Fitnessstudios dürfen wieder öffnen: Nicht alle Betreiber sind begeistert

Landkreis Augsburg

Fitnessstudios dürfen wieder öffnen: Nicht alle Betreiber sind begeistert

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    Seit 35 Jahren betreibt die Familie Dienstbier in Welden ein Fitnessstudio. Nach sieben Monaten, in denen es wegen Corona geschlossen war, können sich Alfred, Elfriede und Sohn Andreas ab Freitag wieder auf Kunden freuen.
    Seit 35 Jahren betreibt die Familie Dienstbier in Welden ein Fitnessstudio. Nach sieben Monaten, in denen es wegen Corona geschlossen war, können sich Alfred, Elfriede und Sohn Andreas ab Freitag wieder auf Kunden freuen. Foto: Oliver Reiser

    Nicht nur Andreas Dienstbier dürfte aus allen Wolken gefallen sein, als er gestern vom jüngsten Fallrückzieher der Bayerischen Staatsregierung gehört hat. Während immer mehr Branchen ein Licht am Horizont der Corona-Finsternis erschienen ist, sofern nur in einer Region der Bundesnotbremsengrenzwert 100 in Sachen Sieben-Tage-Inzidenz stabil unterboten wird und auf der Nachfrageseite als Mindestgebot die drei Gs - geimpft, genesen, getestet - eingehalten werden, sollte es für die Fitnessbranche im Gegensatz zu Biergärten, Einzelhandel, Beherbergungsbetrieben und sogar Freibädern zappenduster bleiben. Entsprechend ungehalten waren im siebten Monat der vergeblichen Hoffnung auf Lockerungen die Studiobetreiber - auch im Landkreis Augsburg. Von einer Minute auf die andere hat sich alles verändert.

    Fitnessstudio-Öffnungen: "Erlösung" im Weldener Sport- und Fitnesscenter

    "Das ist ja wie Weihnachten", strahlte der Juniorchef des Sport- und Fitnesscenters in Welden. Als "Erlösung" bezeichnete Klaus Veitinger die Entscheidung, dass Fitnessstudios nun bei einer Sieben-Tage-Inzidenz von unter 100 wieder öffnen dürfen. Im Landkreis Augsburg könnte das schon am Freitag der Fall sein. Die Besucher müssen aber - mit Ausnahme des Sporttreibenden selbst - FFP2-Masken tragen und einen negativen Test vorweisen. "Anscheinend ist der Druck und die Gefahr einer Klage zu groß geworden", vermutet Veitinger den Grund für die Entscheidung aus heiterem Himmel. In der Branche hatte man mit einer Öffnung frühestens nach den Pfingstferien gerechnet.

    In der zuvor bis 6. Juni 2021 geltende Schließung aller Studios hatte das Gesundheitsministerium nämlich Fitnessstudios als Freizeiteinrichtungen deklariert, nicht etwa als Sportstätten. Insofern, so die Argumentation, müssten hier auch andere Spielregeln als beim Breitensport gelten. Mit mehr oder weniger schlagkräftigen Argumenten präzisierte das Ministerium seine Wortwahl und teilte als Schlussfolgerung mit, es sei "im Innenbereich von Fitnessstudios von einem höheren Infektionsrisiko auszugehen als im Indoor-Bereich von Sportanlagen, in denen kontaktlose sportliche Aktivitäten ausgeübt werden."

    Fitnessstudios im Landkreis Augsburg haben seit November geschlossen

    Darüber hatte sich insbesondere Alfred Dienstbier echauffiert: "Es ist ein Unding, dass wir mit Freizeiteinrichtungen wie Kinos, Nachtclubs oder Freudenhäusern in eine Schublade gesteckt werden", schimpfte der Seniorchef des gleichnamigen Sport- und Fitnesscenter in Welden. Er hat sich hier ein Lebenswerk geschaffen, das er seit 35 Jahren zusammen mit seiner ganzen Familie betreibt.

    Seit November ist komplett geschlossen. "Das tut weh! Wir retten uns von einem Monat zum anderen", spricht Dienstbier von einer Katastrophe. "Und keiner versteht's. Was machen wir falsch, dass wir so ignoriert werden?", schüttelt er den Kopf. Dabei gehe es nicht nur um das Materielle, sondern auch um die Volksgesundheit. "Prävention ist wichtiger als alles andere. Im Fitnessstudio hat die Freizeitgestaltung auch einen Gesundheitsaspekt, der den Blutdruck senkt und Gewichtsproblemen entgegenwirkt", befürchtet Dienstbier gravierende Auswirkungen: "Das dicke Ende kommt erst noch."

    Sportstudios Vitafit in Meitingen: ohne Training gibt es mehr Beschwerden

    "Beschwerden, die über Jahre hinweg weg waren, sind wieder zurückgekehrt." Diese Erfahrung hat Klaus Veitinger gemacht. Nur rund ein Viertel der insgesamt 1600 Quadratmeter seines Sportstudios Vitafit - Zentrum für Gesundheit und Bewegung in Meitingen - konnte er die letzten Monate für medizinisch notwendige Therapien, die vom Arzt per Rezept verordnet werden müssen, nutzen. Alles, was der Prävention dient, wie zum Beispiel Rückengymnastik, war zu. Veitinger: "Diese Auswirkungen kommen erst Jahre später auf uns zu."

    Klaus Veitinger vom Sportstudio Meitingen VitalFit in Meitingen macht sich Sorgen um die Beschwerden der Menschen nach monatelangen Schließungen der Fitnessstudios.
    Klaus Veitinger vom Sportstudio Meitingen VitalFit in Meitingen macht sich Sorgen um die Beschwerden der Menschen nach monatelangen Schließungen der Fitnessstudios. Foto: Andreas Lode

    Obwohl viele Hersteller inzwischen Fitnessgeräte für den Outdoor-Bereich anbieten, wäre für Klaus Veitinger eine "Muckibude zwischen Einkaufswagen und parkenden Autos vor dem Supermarkt" nicht in Frage gekommen. Die Dienstbiers haben im vergangenen Jahr nach dem ersten Lockdown auf dem Parkplatz vor ihrem Center ein Zelt aufgebaut, um zumindest Individualtraining anbieten zu können. Heuer hat es das nicht gegeben. "Zu viele Auflagen, zu viel Aufwand. Das bringt nichts", sagt Juniorchef Andreas Dienstbier.

    Fitnessstudio in Meitingen: Kurzfristige Öffnung ist Albtraum

    Stattdessen hat man 50.000 Euro in ein neues Lüftungssystem investiert. "Wir stehen in den Startlöchern", geben sich die Dienstbiers kämpferisch: "Die müssen uns aufmachen!" Dass dies jetzt tatsächlich so schnell der Fall sein wird, konnte niemand erahnen. "Es war immer mein Albtraum, dass ich am Dienstag erfahre, dass wir am Freitag öffnen können."

    Dass einige Kunden nicht mehr zurückkommen werden, weil sie sich inzwischen ein Fitnessgerät in den Keller gestellt haben, glauben die Dienstbiers nicht: "Bei uns gibt es auch ein intensives soziales Gefüge. Oft kommen Familien schon in mehreren Generationen." Dass die Vorlage eines negativen Tests den einen oder anderen von einem Besuch anhalten könnte, sei schon eher möglich. "Bei einer Umfrage unter unseren Kunden ist die Abstimmung 50:50 ausgefallen", verrät Andreas Dienstbier.

    Fitnessstudios im Landkreis Augsburg haben ausgefeilte Hygienekonzepte

    Schon nach dem ersten Lockdown hatte die Fitnessbranche penibel ausgefeilte Hygienekonzepte entworfen, um sichere Trainingsmöglichkeiten während der Pandemie zu gewährleisten. Auch im Sportstudio Vitafit in Meitingen. "Wir hatten von Juni bis Oktober mit einem klaren Hygienekonzept geöffnet. Dabei gab es nicht einen einzigen Fall einer Ansteckung", sagt Inhaber Klaus Veitinger.

    Auch jetzt könnten die Kunden auf 700 Quadratmeter so verteilt werden, dass sie sich nicht zu nahe kommen. FFP2-Masken seien sowohl bei Kunden als auch Mitarbeitern akzeptiert. Veitinger glaubt, dass auch der Corona-Test keine allzu große Hürde darstellen wird, zumal sich auf dem Parkplatz vor dem Studio eine Teststation befindet. "Sozusagen um die Ecke", hat Veitinger sein Lächeln wieder gefunden.

    Corona: Nach Schließungen befürchtet Fitnessstudios Insolvenz

    Viele Studiobetreiber dürfte die monatelange Zwangsschließung an den Rand der wirtschaftlichen Lebensfähigkeit treiben. Kenner der Szene befürchten inzwischen, dass bis zu einem Drittel aller deutschen Fitnessstudios in naher Zukunft Insolvenz anmelden wird. Betroffen könnten vor allem die großen Ketten sein.

    "Ein Geschäft, das ein dreiviertel Jahr zu hat, hat Probleme", sagt auch Klaus Veitinger. Man habe sich nur noch gefragt, wie man reagieren könne. "Gut, dass wir medizinisch angehaucht sind. Damit haben wir versucht, uns über Wasser zu halten." Einige seiner 40 Mitarbeiter, die er bisher alle halten konnte, hat er in den Reha-Bereich verschoben.

    Wie sich die Verhältnisse nach der Wiedereröffnung tatsächlich darstellen werden, vermag niemand vorherzusagen. Ähnlich wie die großen Sportverbände befürchtet die Fitnessbranche, dass manch einer, der zuvor Rückengymnastik betrieben und Hanteln gewuchtet oder das Studio in erster Linie als sozialen Treff verstanden hat, auch nach Corona auf dem Sofa sitzen bleiben wird.

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