Was hilft gegen den Eichenprozessionsspinner: Absaugen, Feuer oder gar der Einsatz von Spritzmitteln aus der Luft? Bürgermeister aus dem Landkreis Augsburg fordern jedenfalls, dass der Staat sich mehr engagiert bei der Bekämpfung der Raupen mit ihren giftigen Brennhaaren, die bei Menschen hoch allergische Reaktionen hervor rufen können.
Im Sommer 2018 waren die Raupen im Augsburger Land verbreitet wie noch nie, Spezialfirmen kamen kaum noch hinter her, die Nester abzusaugen und zu vernichten. Überall im Augsburger Land fanden sich die Warnschilder. Im kommenden Jahr könnte es noch schlimmer kommen.
Ideale Lebensbedingungen bei mildem Wetter
Entscheidend werden der kommende April und Mai sein, sagte der Kreisfachberater für Gartenkultur und Landespflege, Bernhard Frey, am Mittwoch bei einer Besprechung mit Bürgermeistern. Sind die Temperaturen in diesen Monaten wieder ähnlich mild wie im Frühjahr 2018, finden die Raupen des aus Südeuropa stammenden Falters ideale Lebensbedingungen vor und werden viele Eichen befallen, deren Blätter sie fressen.
Die Bäume überstehen die Invasion in aller Regel gut. Gefährlich sind die Raupen wegen ihrer Brennhaare, die sie ab der dritten Häutung im Juli ausbilden und die sie gegen Fressfeinde schützen sollen, dagegen für Menschen. Diese Haare bleiben über Jahre hinweg giftig und können noch Schaden anrichten. Sie finden sich in Massen in den so genannten Gespinstsäcken an den Bäumen, in die sich die Raupen zurückziehen. Selbst wenn die Nester verlassen sind, geht von ihnen Gefahr aus, wenn sie zum Beispiel der Wind zerreißt und die giftigen Haare verbläst.
Bäume an Kindergärten oder Schulen haben Vorrang
Idealerweise im Mai/Juni sollen Fachfirmen die Nester deshalb absaugen. Ist der Befall jedoch so stark wie in diesem Jahre, schaffen es die Spezialisten nicht überall rechtzeitig. Vorrang haben laut Frey dann Bäume, die an Kindergärten, Schulen oder stark frequentierten Plätzen stehen. Das trifft dann meist die Städte und Gemeinden, die den Einsatz organisieren und bezahlen müssen. Nisten die Raupen in Privatgärten, sind die jeweiligen Besitzer zuständig. Ob sie etwas tun, muss laut Frey die jeweilige Gemeindeverwaltung überwachen und durchsetzen. Rechtliche Grundlage sei die Verkehrssicherungspflicht, wonach von Bäumen keine Gefahr für Passanten ausgehen darf.
Wie aber kommt man dem Falter und vor allem seinen Raupen auf lange Sicht wirksam bei? Natürlich Fressfeinde wie Ei- und Raupenparasiten gibt es in den hiesigen Breitengraden nicht ausreichend. Zudem sei dieses Feld noch nicht hinreichend erforscht, sagt Frey. Wo ein starker Befall mit den Raupen, die sich auf dem Weg zum Fressen in meterlangen Prozessionen voranbewegen, zu befürchten sei, könnten Gemeinden auch vorsorglich spritzen lassen. Es gebe etliche Gifte, die den Raupen den Garaus machen. Frey an die Adresse der Rathauschefs: „Das Thema wird sie wahrscheinlich verstärkt beschäftigen.“
Horgaus Bürgermeister Thomas Hafner kritisierte die Bayerischen Staatsforsten. Dort würde der Spinner nicht bekämpft, habe einen Rückzugsraum und breite sich wieder in der Nachbarschaft aus. „Bleibt das so, dann ist die Bekämpfung durch die Gemeinden eine Sysiphos-Arbeit.“ Landrat Martin Sailer will Hafners Anliegen bei der nächsten Landräte-Tagung zur Sprache bringen – ebenso die Anregung von Edgard Kalb. Dinkelscherbens Bürgermeister verwies auf Beispiele aus Niedersachsen und Brandenburg, wo große Gebiete per Hubschrauber abgeflogen und gespritzt werden. Naturschützer kritisieren dieses Vorgehen jedoch. Dabei würden auch andere Tiere zugrunde gehen.
Roden von Eichenbeständen ist „keine gute Idee“
Aystettens Bürgermeister Peter Wendel berichtete, ihn hätten Bürger aufgefordert, vom Spinner befallene Bäume fällen zu lassen. Das könne in einzelnen Fällen schon einmal helfen, wenn die befallene Eiche zum Beispiel in einem Kindergarten oder Schwimmbad stehe, sagt Experte Frey. In großem Stile aber sei das Roden von Eichenbeständen „keine gute Idee“, denn: „Die Natur ist schlauer als wir und findet einen Ausweg.“ Will heißen: Der Spinner sieht sich nach einer neuen Wirtspflanze um.
Erste Anzeichen dafür gibt es. Auch an Hainbuchen wurde der Prozessionsspinner schon gesichtet. Frey hatte für die Rathauschefs nur einen Trost. Mit der Zeit würden sich die Menschen an den Spinner gewöhnen. „Wenn er sich erst einmal etabliert hat, wird sich die Aufregung wieder legen.“ Nur mit einem sei nicht zu rechnen: Dass das Tier, das sich inzwischen dank des Klimawandels nördlich der Alpen breit gemacht hat, wieder verschwindet.