Die Wirtschaft im Landkreis Augsburg kommt besser durch die Corona-Krise als in anderen Teilen Schwabens. Das liegt am hohen Anteil an verarbeitendem Gewerbe, das seine Absatzmärkte im Ausland hat. Für Schulabgänger bieten sich viele Lehrstellen, weil die Betriebe dringend Nachwuchs brauchen. Schlecht ist die Lage dagegen in Gastronomie und Einzelhandel, die massiv unter den Folgen der Corona-Beschränkungen leiden.
So lautet das Fazit der Industrie- und Handelskammer über die wirtschaftliche Lage in Schwabens größtem Landkreis. Es fußt auf einer Umfrage unter Unternehmen und zeigt, wie sehr die Corona-Krise die Wirtschaft gespalten hat. Die Stimmung dort schwanke zwischen "Erholung und Existenzängsten". Am Mittwoch erläuterten IHK-Vizepräsident Michael Proeller (Erhardt und Leimer) sowie IHK-Regionalvorsitzender Reinhold Braun (Sortimo) die Situation der Wirtschaft im Landkreis Augsburg. Die Betriebe dort beschäftigten mehr als 78.000 Menschen und machen mehr als sieben Milliarden Euro Umsatz im Jahr.
Wirtschaft: Das sagt die Industrie- und Handelskammer über die Lage
Die Lage: Im vergangenen Sommer noch malten Proeller und Braun die Situation der Firmen in dunkelsten Farben und sagten, jede zweite stehe mit dem Rücken zur Wand. Einen Corona-Winter und zwei weitere IHK-Umfragen später sieht es offenbar rosiger aus. "Wir sind extrem krisenresistent" , sagt Proeller.
Industrieunternehmen und Zulieferer hätten vor allem von Aufträgen aus China und den USA profitiert und das komme im Landkreis Augsburg, wo sich exportorientierte Mittelständler tummeln, besonders zum Tragen. Düster ist die Stimmung dagegen bei Händlern, in der Reisebranche und Messefirmen. Die Lage der Gastronomie fasst Braun mit einem Wort zusammen: "Voll-Katastrophe." Auch wenn jetzt langsam die Biergärten öffnen dürften, habe die Branche im Grund ein ganzes Jahr verloren.
Darum fehlen im Kreis Augsburg die Lehrlinge
Die Lehrstellen: Für die Firmen schwierig, für Schulabgänger vielversprechend - das zumindest sagen die Zahlen. Im Landkreis Augsburg kommen auf 100 Bewerber 149 offene Stellen in Handel, Handwerk und Gewerbe. Mit anderen Worten: "Wir suchen händeringend Nachwuchs," so Proeller. Er erneuerte seine Forderung nach mehr staatlicher Unterstützung. Die berufliche Ausbildung müsse vom Staat ähnlich gefördert werden wie ein Studium, für Gymnasiasten müsse ein Praktikumsjahr her. Nach Proellers Angaben geben die rund 600 Industriebetriebe, die im Kreis Augsburg ausbilden, pro Jahr und Lehrling rund 100.000 Euro aus. Zu schaffen macht den Firmen derzeit offenbar eine gewisse Zurückhaltung unter den Bewerbern.
Diese seien allem Anschein nach durch Corona verunsichert. Hinzu kommt, dass Jobmessen und ähnliche Veranstaltungen, bei denen Firmen früher um Azubis werben konnten, der Pandemie zum Opfer fielen. Die große Frage für die Unternehmen ist deshalb: "Wie kommen wir an die Schulabgänger ran." Wenig zu spüren sei bislang von coronabedingten Wissenslücken der Schulabgänger. Das kann laut IHK daran liegen, dass die Abschlussklassen überwiegend im Präsenzunterricht blieben. Möglich sei aber, dass sich Lücken in einigen Jahren bei jüngeren Jahrgängen offenbaren.
Vor diesen Herausforderungen steht die Wirtschaft im Kreis Augsburg
Die Herausforderungen: Neben der Nachwuchsgewinnung bereitet der Industrie vor allem die Energieversorgung Sorgen. "Die Energie- und Rohstoffpreise explodieren," klagte Braun. Die Firmen müssten sich daher ihren Energie- und Rohstoffnachschub sichern. Proeller forderte eine europäische Industriepolitik, die mittelständischen Unternehmen helfe, ihre weltweiten Spitzenpositionen etwa beim Maschinenbau zu behaupten.
Beim Online-Handel und in der Batterieherstellung sei der Zug schon ohne die Europäer abgefahren, das dürfe sich in anderen Schlüsselbranchen nicht wiederholen. Existenziell seien gut ausgebildete Fachkräfte. Die Beschäftigten seien schon länger mit einem tiefgreifenden Wandel konfrontiert, sagte Braun: "Ein Schweißer oder Dreher ist heute im Grunde schon ein Programmierer."
Wirtschaft im Kreis Augsburg: Das sind die Zukunftsprognosen
Die Zukunft: 45 Prozent der Unternehmen im Landkreis sehen ihre Lage laut aktueller IHK-Umfrage positiv, für elf Prozent ist sie schlecht. Für die nächsten Monate geht die große Mehrheit von einer gleichbleibend guten Lage aus.
Bei Investitionen und Einstellungen herrscht in den Chefetagen derzeit eher Zurückhaltung. IHK-Vizepräsident Proeller fasst es so zusammen: "Wir sind hochgradig exportlastig. Das ist derzeit ein Segen, langfristig aber eine Bedrohung." Nötig sei deshalb ein gewisser Wandel.
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