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Landkreis Augsburg: Chaos um Corona-Impfstoff: Gablinger Impfzentrum schließt am Wochenende

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Chaos um Corona-Impfstoff: Gablinger Impfzentrum schließt am Wochenende

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    Im Corona-Impfzentrum in Gablingen werden derzeit die Über-80-Jährigen geimpft. Doch nicht überall halten sich alle an die festgelegte Reihenfolge.
    Im Corona-Impfzentrum in Gablingen werden derzeit die Über-80-Jährigen geimpft. Doch nicht überall halten sich alle an die festgelegte Reihenfolge. Foto: Marcus Merk (Archivfoto)

    Der Biontech-Impfstoff ist in den nächsten Tagen aufgebracht. Dafür erhält der Landkreis 1000 Dosen des Herstellers Astra-Zeneca. Allerdings sollen damit nach Empfehlung der Ständigen Impfkommission nur Erwachsene unter 65 Jahren geimpft werden. Aber wer darf?

    "Höchste Priorität haben Menschen, die in Pflegeeinrichtungen leben oder arbeiten oder regelmäßig pflegebedürftige Menschen versorgen. Zudem alle Beschäftigten in Intensivstationen, Notaufnahmen, bei Rettungsdiensten, in der Palliativversorgung oder anderen medizinischen Einrichtungen, in denen für die Patientinnen und Patienten ein sehr hohes Risiko für schwere oder tödliche Krankheitsverläufe bei einer Corona-Infektion bestünde“, sagt Landrat Martin Sailer. Wann das Vakzin im Landkreis Augsburg zur Verfügung steht, sei noch nicht absehbar. Es gibt offenbar auch eine technische Hürde: Denn zunächst einmal müsse der neue Impfstoff vom Freistaat im einheitlichen Softwaresystem angelegt werden, damit er dann im nächsten Schritt Impfwilligen zugeordnet werden kann. Derzeit dürfen nach Mitteilung des Ministeriums keine Kapazitäten freigegeben, Termine geplant und Einladungen verschickt werden.

    Durch Impfstoff-Mangel gibt es eine Pause im Gablinger Impfzentrum

    Klar ist dagegen, dass der Biontech-Impfstoff bald aufgebraucht ist. „Die Vorräte des Impfstoffs, der für die planmäßige Versorgung der über-80-jährigen Bevölkerung verwendet wird, gehen am Ende dieser Woche zur Neige und wir erhalten bis dahin keine weiteren Dosen, die wir an unsere älteren Mitbürger vergeben können“, sagt Sailer. Der Impfbetrieb im Zentrum in Gablingen muss deshalb am Wochenende zwangsläufig pausieren.

    Für viele Senioren bedeutet das: Sie müssen warten. Sie wie Georg Böck aus Welden. „Ich bin enttäuscht“, sagt Georg Böck. Der 81-Jährige hatte vergangenen Freitag einen Brief vom Landkreis erhalten, in dem steht, dass er sich nun impfen lassen kann. „Als ich am Montag angerufen habe, hieß es, es gibt keinen Impfstoff mehr“, sagt Böck. Er soll sich erst wieder im April melden, habe ihm eine Frau am Telefon erklärt. Als Böck es wenig später wieder versuchte, wurde er erneut vertröstet. Diesmal erklärte man ihm, er solle in zwei Wochen wieder anrufen, schildert der Senior. Ihn habe vor allem der Ton der Damen am Telefon geärgert, sagt Böck. „Es kann doch nicht sein, dass man mich einfach so abweist“, meint er. Schließlich gehört er mit seinen 81 Jahren zur Risikogruppe. Auch für einen Senior, der auf dem Lechfeld wohnt, gab es eine bittere Enttäuschung: Er hätte eigentlich am Mittwoch seinen Termin in Gablingen gehabt. Kurz vorher erhielt er die Absage und die Bitte, sich wieder zu melden.

    Regelrecht verzweifelt reagieren nach Angaben des Landratsamtes immer wieder Menschen, die aufgrund ihrer schweren Krankheit früher geimpft werden wollen. Denn das ist bei Weitem nicht in allen Fällen möglich. Die Einzelfallkommission im Landkreis, die darüber entscheidet, werde mit Anträgen regelrecht überschüttet. Doch auch sie kann nur in einem eng begrenzten Rahmen eingreifen. Nur wer ohnehin schon zur Bevölkerungsgruppe mit höchster Impfpriorität gehört (zum Beispiel über 80), kann wegen seiner zusätzlichen Vorerkrankung früher drankommen. Für alle anderen gilt: Sie müssen warten, bis sie vom Landkreis angeschrieben werden, und können sich dann einen Termin geben lassen.

    Impfstoff-Mangel im Kreis Augsburg: Wie kamen Politiker an eine Impfung?

    Während viele Senioren im Augsburger Land auf ihre Impfung warten müssen, ist eine andere Diskussion entbrannt: Ist es richtig, dass Politiker mit Vakzin-Resten geimpft wurden? Der Landrat des Landkreises Donau-Ries, Stefan Rößle, hatte nach eigenen Angaben genauso wie der Donauwörther OB kurzfristig das Angebot bekommen. Was ist mit den Politikern im Augsburger Land?

    Fabian Mehring (31), Landtagsabgeordneter der Freien Wähler, sagt: „Selbstverständlich bin ich noch nicht geimpft.“ Politische Entscheidungsträger würden erst in einer späteren Phase drankommen und er könne nur allen Politikern raten, „das auch tunlichst abzuwarten.“ Ähnlich äußert sich der CSU-Bundestagsabgeordnete Hansjörg Durz: „Ich lasse mich impfen. Aber erst, wenn ich dran bin.“ Das werde voraussichtlich „irgendwann im Sommer“ sein, so der 49-Jährige. Von der Aktion des Donau-Rieser Landrats Stefan Rößle ist er nicht begeistert: „Das beschädigt das Vertrauen. Und Vertrauen ist gerade beim Thema Impfen wichtig.“

    Sozialministerin Carolina Trautner will sich auch impfen lassen

    Sozialministerin Carolina Trautner (Stadtbergen) ist ebenfalls noch nicht geimpft. Sie will sich aber auf jeden Fall impfen lassen - sobald sie nach der festgelegten Folge an der Reihe ist. Sie sagt: „Die Frage der Impfreihenfolge ist natürlich sehr sensibel. Ich halte es für sehr wichtig, dass wir uns daran halten. Da der Impfstoff im Moment ein rares Gut ist, darf dieser auch nicht verschwendet, also weggeworfen werden. Die Regelung des Landkreises Augsburg, nach der spezielle Gruppen wie Rettungssanitäter noch eine Impfung erhalten können, sollte am Abend noch eine ungenutzte Dosis übrigbleiben, ist dabei eine gute und angemessene Lösung.“

    Zumindest räumlich an der Quelle sitzt die Bürgermeisterin von Gablingen, Karina Ruf. Und sie würde die Gelegenheit nicht vorbeigehen lassen, würde ihr eine Impfung angeboten, die sonst verfallen würde. Allerdings: Nicht für sich selbst. "Ich würde meine Feuerwehrkommandanten und Sanitäter anrufen. Diese einmalige Chance würde ich an jene weitergeben, deren Job es ist, andere Menschenleben zu retten", spricht sie die bereits geltende "Hop on-Liste" an. Auf ihr werden im Landkreis Augsburg Einsatz- und Rettungskräfte geimpft, wenn tatsächlich Impfdosen zu verfallen drohen, weil sie etwa in einem Pflegeheim an einem bestimmten Tag nicht benötigt werden. "Die derzeitige Debatte zeigt, wie sehr die Menschen mit der Impfung auf einen Weg aus der Pandemie hoffen", so Karina Ruf weiter.

    Oft ist der Parkplatz vor dem Impfzentrum in Gablingen voll. Doch es gibt noch nicht genügend Impfstoff für all jene, die auch gerne eine Impfung hätten.
    Oft ist der Parkplatz vor dem Impfzentrum in Gablingen voll. Doch es gibt noch nicht genügend Impfstoff für all jene, die auch gerne eine Impfung hätten. Foto: Marcus Merk (Archivfoto)

    Der Weg aus der Krise führt allein über die Impfung, das sieht auch der Grünen-Landtagsabgeordnete Max Deisenhofer so. Er selbst ist noch nicht geimpft - und ebenso wenig sei ihm eine Impfung angeboten worden. "Impfen ja, aber zum richtigen Zeitpunkt" ist seine Einstellung.

    "Gut, dass jetzt auch Ärzte auf der Prio-Liste stehen"

    Ebenso eindeutig ist die Meinung der SPD-Landtagsabgeordneten Simone Strohmayr (Stadtbergen). „Ich würde mich im Leben nicht impfen lassen, so lange wir noch die aktuellen Diskussionen haben“, sagt sie. Was sie damit meint: In den vergangenen Wochen hatte sie viele Gespräche geführt, unter anderem mit Ärzten. Die hatten die Politikerin inständig gebeten, auf die Liste jener Menschen aufgenommen zu werden, die zuallererst geimpft werden dürfen. Den Ärzten ging es dabei aber nicht um sich selbst. „Die hatten Angst, ihre eigenen Risikopatienten, etwa Krebspatienten, anzustecken.“ Inzwischen sei es gelungen, auch Ärzte in die Impfgruppe 1 aufzunehmen. „Ich bin froh, dass das geklappt hat“, so Strohmayr.

    Untermeitingens Bürgermeister Simon Schropp (37) hat sich im Internet seinen möglichen Impftermin ausrechnen lassen: Januar 2022.
    Untermeitingens Bürgermeister Simon Schropp (37) hat sich im Internet seinen möglichen Impftermin ausrechnen lassen: Januar 2022. Foto: Schropp (Archivfoto)

    Untermeitingens Bürgermeister Simon Schropp ist der Fall aus dem Landkreis Donau-Ries bekannt. Er sagt: „Ich hätte mich zurückgehalten, weil ich eine solche Priorisierung nicht für mich in Anspruch nehmen will.“ In Zeiten, in denen der Impfstoff knapp ist, sei den Bürgern eine vorzeitige Impfung schwer zu vermitteln. Als Politiker müsse man mit einer entsprechenden Außenwirkung rechnen. „Aber ich bin auch sehr froh, dass ich diese Entscheidung nicht treffen musste“, sagt Schropp, der auch dem Gemeindetag vorsteht.

    Seines Wissens habe es im Landkreis Augsburg bisher keinen Versuch gegeben, dass sich Politiker vorzeitigen impfen lassen oder die Option im Raum stand. Als 37-Jähriger geht er davon aus, dass er noch eine Weile auf seine Impfung warten wird. „Ich habe mir online meinen Impftermin errechnen lassen. Ich weiß nicht, auf welchen Daten das Ergebnis basiert, aber demzufolge werde ich erst im Januar nächsten Jahres geimpft“, sagt Schropp.

    Missverständnis bei Impfaktion in Stadtberger Altenheim

    Derzeit läuft im Landkreis Augsburg die Impfaktion für rund 15.500 über 80-Jährige. Geimpft werden möchten aber viel mehr Menschen. So soll es immer wieder vorkommen, dass Begleitpersonen von über 80-Jährigen im Impfzentrum Gablingen nachfragen, ob nicht auch für sie zufällig eine Portion Impfstoff übrig wäre. Wie groß die Nachfrage nach den raren Vakzinen ist, zeigt auch eine Episode aus dem Stadtberger Altenheim Schlössle. Dort wurde Angehörigen von Bewohnern angeboten, sie gegen Corona zu impfen. Der Andrang war riesig, doch am Ende mussten viele unverrichteter Dinge wieder nach Hause gehen. Entsprechend groß war der Unmut.

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