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Landkreis Augsburg: Ärzte kritisieren: Corona-Tests im Kreis sind zu schleppend

Landkreis Augsburg

Ärzte kritisieren: Corona-Tests im Kreis sind zu schleppend

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    Versuchen, mit einem Spendenaufruf die Ausstattung der Hausärzte im Kreis zu verbessern: Sören Dülsner (links) und Alexander Stöckl.
    Versuchen, mit einem Spendenaufruf die Ausstattung der Hausärzte im Kreis zu verbessern: Sören Dülsner (links) und Alexander Stöckl. Foto: Andreas Lode

    Doktor Sören Dülsner schlägt Alarm. „Die aktuelle Teststrategie des Landkreises liefert kein akkurates Bild der Corona-Lage“, sagt der Mediziner aus Langweid. Das Volumen sei zu klein und es werde knappe Ausrüstung verschwendet.

    Dülsner selbst beteiligte sich am Corona-Fahrdienst der Kassenärztlichen Vereinigung Bayern (KVB). Parallel dazu existiert im Augsburger Land ein weiterer Fahrdienst des Gesundheitsamts. Beide testen Corona-Verdachtsfälle per Hausbesuch. „Wir haben an einem zehnstündigen Arbeitstag 26 Patienten getestet“, sagt Dülsner. Nach Angaben des Landratsamts testen seine mobilen Einheiten etwa zehn bis 20 der rund 250000 Einwohner des Landkreises pro Tag. Es würde also rund 34 Jahre dauern, die ganze Bevölkerung zu testen. Bei der KVB werde laut Axel Heise keine Statistik auf Landkreisebene geführt. In ganz Bayern habe man am Mittwoch 2038 Tests durchgeführt. Bei 13 Millionen Einwohnern des Freistaats würde es circa 17 Jahre dauern, jeden zu testen.

    Es dauert vier Tage bis ein positiver Befund in der Statistik auftaucht

    Durch die Fahrten zwischen den Testfällen gehe viel Zeit verloren, sagt Dülsner. Zudem sei das Verfahren sehr langsam. Es könne Tage dauern, bis es zu einem Abstrich komme. Dann könne es noch weitere Tage dauern, bis er ausgewertet ist und die Zahlen an das Gesundheitsamt übermittelt seien. „Eine dreifache Verzögerung also“, sagt Dülsner. Dementsprechend veraltet seien die bekannt gegebenen Zahlen.

    Die Behörden bestätigen das. Die offizielle Infiziertenzahl – Freitagmittag lag sie bei 152 bestätigten Fällen – hinke der Wirklichkeit immer um einige Tage hinterher. Laut Landratsamt dauert es bis zu vier Tage, bis ein positiver Fall in die Statistik aufgenommen werde. Bei der KVB habe man bereits am Folgetag eine Statistik. „Da die Infektionen exponentiell ansteigen, sind die Zahlen aus dem Landkreis viel zu niedrig“, befürchtet Dülsner.

    Dülsners Alternativvorschlag ist eine zentrale Teststation. Auf dieses Konzept setzt man in Südkorea, wo die Seuche mittlerweile im Griff ist. Vom Hausarzt identifizierte Verdachtsfälle setzen sich ins Auto und fahren zu einer zentralen Stelle, wo sie dann getestet werden, ohne den Wagen zu verlassen. Man muss aber nicht bis nach Korea blicken. In Mindelheim gibt es beispielsweise schon eine solche Station vom dortigen Gesundheitsamt. Dort können zwei Freiwillige der Johanniter und der Unfallhilfe bis zu 100 Menschen am Tag testen. Anders als beim Fahrdienst muss dort nicht nach jedem Test die Schutzkleidung gewechselt werden, weil es weniger Kontakt zu den Getesteten gibt. Außerdem gibt es innerhalb von 24 Stunden ein Ergebnis. Im Landkreis Augsburg sei das derzeit nicht möglich, sagt Kerstin Zoch, Sprecherin des Landratsamtes. „Ich weiß nicht, wie man das in Mindelheim schafft, aber wir haben nur begrenzte Laborkapazitäten.“

    Es gab schon eine Teststation für den Kreis - Die Beteiligung wurde beendet

    Der Landkreis hatte zusammen mit dem Landkreis Aichach-Friedberg und der Stadt Augsburg schon eine solche Station eingerichtet. „Die Kräfte dort waren schlecht gebündelt“, sagt Zoch. Man habe sich entschlossen, die Beteiligung aufzugeben und auf die mobilen Teams zu setzen. Die Stadt Augsburg betreibt die Station in Haunstetten weiter und hat die Kapazitäten dort vor Kurzem erhöht.

    Für die Gegebenheiten im Landkreis habe ein Fahrdienst seine Vorzüge, meint Zoch. „Wir sind ein Flächenkreis und von Nord nach Süd 65 Kilometer lang. Durch die mobilen Teams können wir vermeiden, dass Patienten lange Wege fahren müssen.“ Die mobilen Teams hätten sich sehr gut bewährt. Auch Dülsner sieht den Bedarf für manche Fälle, sagt aber: „Für Leute, die nicht mobil sind, braucht man das. Für alle anderen wäre eine zentrale Stelle besser.“

    Einrichtung von Teststationen scheitert an bürokratischen Hindernissen

    Dülsner hat bereits versucht, eine zentrale Station in Langweid einzurichten. Bürgermeister Jürgen Gilg war an Bord. „Ich habe schon einen geeigneten Parkplatz gesucht“, sagt Gilg. Mit Ausrufung des Katastrophenfalls ist die Aufgabe aber zum Innenministerium gegangen. „Damit wurde mir die Kompetenz entzogen“, sagt der Bürgermeister. Er habe daher keine Möglichkeit, das Projekt weiter zu unterstützen. Sein Ansprechpartner sei das Landratsamt.

    Dort wird angegeben, dass das Innenministerium federführend sei. Laut Landratsamt sei dort geplant, eine solche Station in jedem Kreis und jeder kreisfreien Stadt zu errichten. Das Landratsamt wiederum will für das Projekt eine Arbeitsgruppe einrichten. Wer eine Anfrage im Ministerium stellt, erfährt, dass die Zuständigkeit von dort auf die Regierungen und die KVB übertragen wurde. Wer bei der Regierung Schwaben anfragt, wird zum Landratsamt verwiesen. Die KVB gibt an, dass man gerne die Ärzte stellen würde, aber alles andere sei die Aufgabe der Behörden.

    „Es passiert absolut nichts“, sagt Sören Dülsner resigniert. Corona-Teststationen würden an bürokratischen Hindernissen scheitern und verzögert werden. „Und das, obwohl es auf jeden Tag ankommt“, sagt Dülsner.

    Ärzte bitten um Spenden:

    Ärzten in der Region fehlt es noch immer an Material. Neben Kitteln und Desinfektionsmittel fehlt es vor allem an Masken. Die Mediziner brauchen Mundschutzmasken mit einer FFP2-Zertifizierung. Nur diese schützen den Träger nachhaltig vor Infektion. Andere Masken eignen sich aber als Provisorium. Ärzte waren schon gezwungen, Kompromisse zu machen: Häufig wurden Einwegmasken mehrmals verwendet. Oder es wurde suboptimaler Nachschub im Baumarkt besorgt. Alexander Stöckl apelliert an die Solidarität der Bevölkerung im Landkreis Augsburg: „Wir müssen alle zusammenhalten, dann können wir die Krise bewältigen.“

    • Spenden jeglicher Art werden vom Diabeteszentrum Diedorf unter Telefon 08238/2010 angenommen und an Ärzte in der Region verteilt.

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