Sebastian Kahl ist vorsichtig: "Wir wollen dem Virus keine Angriffsfläche bieten", sagt der neue Betreiber des Strasserwirts in Gersthofen. Seit er vor vier Wochen seine neue Gaststätte eröffnet hat, muss jeder Gast am Tisch einen Zettel ausfüllen, auf dem er seinen Namen und seine Telefonnummer einträgt. Der Kellner nimmt ihn dann mit und heftet ihn in einen Ordner, wo die Zettel einen Monat lang aufbewahrt werden. Den Kugelschreiber, mit dem die Zettel ausgefüllt wurden, desinfiziert das Personal anschließend. "Eine Heidenarbeit, aber das Risiko, sich anzustecken, ist immer da", sagt Kahl.
Wenn ein Corona-Infizierter angibt, in seinem Restaurant gewesen zu sein, kann er die Daten einfach an das Gesundheitsamt weiterleiten. Zumindest wenn die Angaben darauf gut lesbar sind: "Die meisten schreiben leserlich, aber manchmal ist das eine rechte Sauklaue", sagt Kahl. Mit Zetteln ganz ähnlich wie die im Strasserwirt beschäftigen sich nun auch die Bundeskanzlerin und die Ministerpräsidenten.
Gastronomen haben kein Verständnis für die neue Regelung
Die Regierungschefs haben sich am Dienstagnachmittag auf eine neue Strafe geeinigt, wenn man auf den Zetteln falsche Informationen angibt. 50 Euro soll das in Zukunft kosten. Kahl ist sich allerdings nicht sicher, was das bringen soll: "Wir haben bis jetzt keine merklich falschen Angaben gehabt", sagt Kahl. Auch Angela Müller vom Braustüble in Ustersbach hat das bis jetzt nicht beobachtet: "Die Leute füllen das eigentlich sehr zuverlässig aus", sagt sie. Ebenso bei Jahanzaib Malik vom indischen Restaurant Masala in Schwabmünchen: "Bis jetzt haben wir keine offensichtlichen falschen Namen bekommen", sagt der Inder.
Anders als seine Kollegen hat er die Namen auf einer Liste eingetragen. Dort kann jeder Gast die Eintragungen der anderen sehen. "Bis jetzt hat sich noch keiner beschwert", sagt Malik. Tatsächlich hat er die Listen bereits eingesetzt, um seine Gäste zu kontaktieren, etwa wenn sie einen Mantel oder Ähnliches vergessen haben.
Eigentlich verstößt das gegen das Musterhygienekonzept des Freistaats aus der Feder der Staatsministerien für Gesundheit und Wirtschaft. Dort ist geregelt, dass die Daten der Gäste von anderen nicht eingesehen werden dürfen. Eine Strafe muss das Restaurant Masala aber nicht befürchten. Der Datenschutzbeauftragte des Freistaats Bayern Thomas Petri erklärt: "Dieses Musterhygienekonzept hat den Rang einer Verwaltungsvorschrift." Damit sei seiner Meinung nach keine Basis für ein Bußgeld gegeben. Genauso wie ein Beamter, der einen Fehler macht, sich nicht strafbar macht.
Auch der bayerische Datenschutzbeauftragte sieht die Strafen kritisch
Der Beschluss mit der Strafe für falsch ausgefüllte Zettel sieht Petri kritisch: "Die einzige Möglichkeit, die ich sehe, das zu kontrollieren, ist es, die Polizei auf Gaststättenstreife zu schicken", sagt Petri. Also Beamte loszuschicken, um stichprobenartig Gaststätten zu kontrollieren und die Eintragungen der Gäste abzufragen. "Das wäre eine Menge Aufwand für wenig Ertrag", sagt er.
Als die Gaststätten nach der strengen Phase der Corona-Beschränkungen wieder öffnen durften, habe es Beschwerden gehagelt. "Beim Landesamt für Datenschutzeinsicht sind in wenigen Wochen Hunderte Beschwerden eingegangen", sagt er. Mittlerweile habe die Situation sich aber normalisiert: "Mittlerweile ist das normal für die Leute", sagt er.
Darf die Polizei die Daten auf den Zetteln nutzen?
Die kleinen Zettel können nicht nur für Mitarbeiter des Gesundheitsamtes eine wertvolle Ressource sein. Auch Polizisten können von den Zetteln profitieren, etwa um Alibis zu überprüfen oder Vermisste zu finden. Zumindest, wenn man die Zettel entziffern kann. Im Gebiet des Polizeipräsidiums Schwaben Nord sei das bisher allerdings nicht vorgekommen, sagt Pressesprecher Siegfried Hartmann.
Die Hürden dafür seien allerdings auch hoch, sagt Datenschützer Petri: "Die Daten dürfen nicht für Bagatelldelikte eingesetzt werden, der Einzug der Daten darf nur im normalen Beschlagnahmungsprozess erfolgen, und sie muss von einem Staatsanwalt genehmigt sein", sagt Petri. Laut dem Infektionsschutzgesetz dürfen die in Restaurants gesammelten Daten nur an die Gesundheitsämter übermittelt werden. Der Polizei ist der Zugriff zwar nicht verboten, aber auch nicht ausdrücklich erlaubt.
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