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Kühlenthal: 300.000 Käfer an einem Haus

Kühlenthal

Mysteriöse Käferinvasion in Kühlenthal: 300.000 Harlekine an einem Haus

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    Durch  jede Ritze dringen Käfer ins Haus. Ulrich Wölfle wehrt sich mit einem Industriesauger, mit dem er die Käfer von der Fassade saugt. Seine Nachbarn bleiben von den Käfern weitestgehend verschont.
    Durch jede Ritze dringen Käfer ins Haus. Ulrich Wölfle wehrt sich mit einem Industriesauger, mit dem er die Käfer von der Fassade saugt. Seine Nachbarn bleiben von den Käfern weitestgehend verschont. Foto: Marcus Merk

    Ulrich Wölfle aus Kühlenthal fürchtet diese Tage im Oktober. Die Tage, an denen die Käfer kommen. Heuer war es am zweiten Oktoberwochenende so weit. Vor acht Jahren habe es begonnen, sagt Wölfle. Im ersten Jahr seien es auf der Südseite seines Hauses ein paar Hundert Harlekin-Käfer gewesen. "Die Zahl der Käfer verdreifacht sich jedes Jahr ungefähr." Irgendwann seien es 30.000 Käfer gewesen, dann 100.000, mittlerweile 300.000.

    Scheinen Wände und Ritzen zu mögen: Überall machen es sich die Harlekin-Käfer bei Ulrich Wölfle in Kühlenthal bequem. 300.000 von ihnen.
    Scheinen Wände und Ritzen zu mögen: Überall machen es sich die Harlekin-Käfer bei Ulrich Wölfle in Kühlenthal bequem. 300.000 von ihnen. Foto: Marcus Merk

    An sonnigen Oktobernachmittagen kommen die Harlekin-Käfer aus dem anliegenden Wald angeflogen. Auf der Suche nach einem Winterquartier kriechen sie in jede Ritze am Haus. "Die Käfer wollen alle ins Haus rein", erklärt Ulrich Wölfle. "Wenn sie nur draußen auf der Wand sitzen bleiben würden, wäre das ja kein Problem." So aber rückt Familie Wölfle den Tieren mit drei Industriestaubsaugern zu Leibe. Bis zu vier Stunden am Tag seien sie mit Saugen beschäftigt. So kommt Ulrich Wölfle auf die Zahl 300.000. Er zählt, wie viele Käfer er in einer Minute einsaugt, und rechnet das hoch.

    Der Harlekin-Käfer ist der größte Konkurrent des heimischen Marienkäfers

    Die Käfer sind Verwandte unserer Marienkäfer. Da sie in verschiedenen Färbungen und mit unterschiedlich vielen Punkten auftreten, werden sie Harlekin-Käfer genannt, informiert der Naturschutzbund (NABU) auf seiner Internetseite. Der ursprünglich aus Asien stammende Käfer kam als Schädlingsbekämpfer nach Amerika. In den 2000er-Jahren wurde er in Deutschland gesichtet. Dem einheimischen Marienkäfer macht er Konkurrenz. Er kann fünfmal so viele Blattläuse vertilgen und vermehrt sich öfter als sein deutscher Verwandter.

    Bei Bedrohung sondert der Käfer ein stinkendes Sekret ab. Deshalb hat er kaum Fressfeinde. Wenn mal keine Blattläuse in der Nähe sind, frisst er andere Marienkäferarten. Er ist also drauf und dran, einheimische Marienkäfer zu verdrängen. Dass der Käfer wirklich schädlich ist, ist laut NABU nicht bewiesen.

    Schädlinge von anderen Kontinenten sind längst keine Seltenheit mehr

    Er wäre jedenfalls nicht der erste weitgereiste Schädling. Der Asiatische Eschenprachtkäfer rückt, wie der Name vermuten lässt, der Esche zu Leibe. Das Weibchen legt Eier in Ritzen an der Rinde. Die Larven bohren sich unter die Rinde. Die Käfer schlüpfen dann im Frühjahr durch ein Loch wieder heraus. Die Folge: Die Bäume sterben meist nach ein oder zwei Jahren ab. Aus den USA kam vor rund 20 Jahren ein Fadenwurm nach Europa, der Kiefern zu schaffen macht. Nach Deutschland hat er es noch nicht geschafft, aber er arbeitet sich von Südeuropa aus nach und nach in Richtung Norden – und hinterlässt in Portugal und Spanien tote Kiefern. In dieser Gesellschaft wirkt der Harlekin-Käfer fast harmlos.

    Ulrich Wölfle aus Kühlenthal deckt seine Fassade mit einem Netz ab. Ein paar Käfer hat das vielleicht ferngehalten. 300.000 haben es sich heuer trotzdem auf Wölfles Wand und in seinem Haus bequem gemacht.
    Ulrich Wölfle aus Kühlenthal deckt seine Fassade mit einem Netz ab. Ein paar Käfer hat das vielleicht ferngehalten. 300.000 haben es sich heuer trotzdem auf Wölfles Wand und in seinem Haus bequem gemacht. Foto: Marcus Merk

    Wölfle weiß sich dennoch kaum mehr zu helfen. Was für Passantinnen und Passanten wie ein buntes und unglaubliches Naturschauspiel aussieht, wird für ihn immer mehr zum Problem. Heuer hat Wölfle sich was einfallen lassen: Er hat ein Netz mit Haken unter dem Dach befestigt und damit fast die gesamte Fassade abgedeckt. Ein bisschen was hat es gebracht: Bisher waren es laut dem Kühlenthaler etwa genauso viele Käfer auf seiner Wand wie 2020, also 300.000. Es gab also keine Verdreifachung mehr. Käfermillionär möchte Wölfle nicht werden. Der Naturschutzbund weist darauf hin, dass sich die Krabbeltiere im Winter nicht vermehren und keine Nahrung zu sich nehmen, sondern in eine Art Winterstarre fallen. Wer es also nicht mit einer Plage zu tun hat, kann die Tiere im Haus überwintern lassen.

    Warum suchen sich die Käfer ausgerechnet Ulrich Wölfles Haus aus?

    An der Fassade von Ulrich Wölfle sind aktuell kaum Käfer mehr, vor einer kalten Nacht hat er alle abgesaugt. Das Netz lässt er trotzdem vorerst hängen. Denn was andere freut, ist für ihn fast eine Bedrohung: Der Wetterbericht meldet für das Wochenende Sonne. Wölfle befürchtet, dass die Harlekine dann in Scharen zurückkommen.

    Eine Frage, die Wölfle umtreibt: Warum lassen sich kaum Käfer auf den umliegenden Häusern nieder, sondern suchen sich ausgerechnet sein Haus aus? Wenn Sie eine Antwort wissen, schreiben Sie uns gerne an redaktion.landbote@augsburger-allgemeine.de

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