Seit einigen Tagen klafft dort, wo bislang die Toilette von Tanja Pester war, ein Loch. Es erinnerte die 41-Jährige aus Bonstetten an eine Geschichte, die ihre Familie schon viel Geld und Nerven gekostet hat. Die Pesters sind einer offenbar unseriösen Firma auf den Leim gegangen. Das Unternehmen ist für seine zweifelhaften Methoden deutschlandweit bekannt, endgültig das Handwerk hat ihr bislang aber keiner gelegt.
Monteure verlangten 1200 Euro in bar
Am vergangenen Sonntag kontaktierte Tanja Pester die Rohrreinigungsfirma wegen eines Notfalls. „Wir haben über das Internet nach einer Firma gesucht und dann das erste Unternehmen angerufen“, erinnert sie sich. Der Preis für diese Wahl: Über 1200 Euro verlangen die Monteure nach den vier Stunden Einsatz von der Familie – und bestehen darauf, dass der Betrag in bar bezahlt wird. Auch der Hinweis, gar nicht so viel Bargeld im Haus zu haben, beeindruckt die Handwerker nicht: „Mein Mann ist dann zur Bank gefahren und hat das Geld geholt“, sagt Pester.
Die Toilette können Tanja Pester, ihr Mann, ihr Großvater und die vier Kinder, die in dem Haus wohnen, seitdem nicht mehr benutzen. „Gott sei Dank, haben wir noch ein zweites Klo im Haus“, sagt sie. Doch damit nicht genug: Die Monteure empfahlen der Familie zusätzlich, das Kanalsystem auf einer Länge von 18 Metern ausbaggern zu lassen – eine teure Angelegenheit, die mehrere tausend Euro verschlingen würde.
Die Familie ist abgezockt worden
Ob das überhaupt notwendig ist, fragwürdig. Denn Tanja Pester ist sich, nachdem sie sich über die Firma informiert hat, sicher: Sie ist abgezockt worden.
Ein Eindruck, den Gerhard Gerstmayer von der Augsburger Firma Gerstmayer Rohrreinigung bestätigt, nachdem er Einsicht in die Rechnung und die bei Pester geleisteten Dienste erhalten hat. Sein Urteil. „Maximal 500 Euro wären in einem solchen Fall angemessen gewesen. Das ist total überzogen.“
Im Internet finden sich vernichtende Bewertungen über die Firma
Tätig wurde bei Familie Pester die „Rohrreinigung Fuchs“, die auf der Homepage mit dem Slogan „Ihr Schnelldienst für Neusäß“ wirbt. Doch bei näherem Hinsehen wird schnell klar, dass dahinter ein Unternehmen aus dem hessischen Heuchelheim steckt: die SOS Umweltdienst OHG.
So schützen Sie sich vor falschen Handwerkern
Aufpassen, wen man ins Haus lässt Informieren Sie sich über das Unternehmen, das Sie beauftragen möchten. Über das Internet kann man in Erfahrung bringen, wie seriös das Unternehmen ist. Viele Versicherungen bieten auch einen Handwerker-Vermittlungsservice an.
Eigenheimbesitzer aufgepasst Immer wieder kommen Wanderarbeitern vorbei, die vermeintlich spontane Bauarbeiten auf dem Grundstück wie Dach-, Teer- oder Pflasterarbeiten anbieten. Sofort angefangene Arbeiten dienen nur der Täuschung und werden nicht beendet.
Niemals Geld im Voraus zahlen Die einzelnen Rechnungsposten lassen sich nachträglich überprüfen. Und nur eine überwiesene Rechnung lässt sich gegebenenfalls von der Steuer absetzen.
Nicht einschüchtern lassen Unseriöse Handwerker können schon mal aufdringlich werden. Auch wenn es schwer fällt: Lassen Sie sich nicht einschüchtern. Rufen Sie im Zweifelsfall die Polizei zu Hilfe.
Was tun, wenn die Arbeit schon erledigt und das Geld weg ist? Bei der zuständigen Handwerkskammer beschweren. Die kann ein Vermittlungsverfahren anstrengen, bei dem sich der Betrieb zu den Vorwürfen äußern kann. Wer abgezockt wurde, sollte zwingend Anzeige bei der Polizei erstatten. Nur damit kann Betrügern langfristig das Handwerk gelegt werden. Quelle: Polizei-Beratung.de
In Internetforen finden sich vernichtende Bewertungen von Kunden, die bereits mit der Firma zu tun hatten. Ein Beispiel: „Unseriöser geht es nicht, zwangen zwei ältere Damen zur sofortigen Zahlung.“
Allein in diesem Jahr gab es bereits 21 Beschwerden
Die Firma ist der Handwerkskammer in Wiesbaden bekannt. Wie die Kammer auf Nachfrage mitteilt, ist der Betrieb seit 2008 eingetragen – und unter der gleichen Adresse gleich sieben weitere Unternehmen. Alleine in diesem Jahr seien bereits 21 Beschwerden eingegangen. Die Masche ist ähnlich wie bei Tanja Pester in Bonstetten: Im gesamten süddeutschen Raum wirbt das Unternehmen mit mehreren Adressen und Telefonnummern, um den Eindruck einer lokalen Nähe zu erwecken.
Wer anruft, hat meistens schon verloren: Handwerker der Firmen veranschlagen überteuerte Preise, verlangen von den überrumpelten Menschen eine Bargeldzahlung und machen sich danach wieder aus dem Staub. Wie der Südwestrundfunk berichtet, hat die Bundesnetzagentur wegen der massiven Beschwerden bereits im Juni die Abschaltung von 300 Telefonnummern angeordnet, mit der die Firma in Werbeanzeigen auftrat. Die Firma SOS Umweltdienst wollte sich auf Anfrage unserer Zeitung nicht äußern.
Warum kommt die Firma seit Jahren mit der Masche durch?
Warum die Firma mit dieser Masche seit Jahren durchkommt? Die Handwerkskammer verweist darauf, keine „Verfolgungsbehörde“ zu sein – im Gegensatz zur Polizei. Jörg Reinemer von der Pressestelle des Polizeipräsidiums Mittelhessen kennt SOS Umweltdienst ebenfalls. „Bei uns gehen deswegen viele Anzeigen ein, und auch bei der Firma gibt es immer wieder polizeiliche Einsätze.“ Die Firma bewege sich mit ihren Einsätzen permanent am Rande der Legalität: „Der Graubereich zwischen Nepp und Wucher ist fließend, das macht es für uns nicht leicht.“ Seit etwa zwei bis drei Jahren häufen sich die Beschwerden über die Firma, dabei müsse jeder Fall separat geprüft werden.
Mittlerweile sind die Praktiken offenbar auch zu einem Fall für die Staatsanwaltschaft in Gießen geworden – diese wollte auf Nachfrage unserer Zeitung aber nichts zum Stand ihrer Ermittlungen sagen.
Familie will Anzeige erstatten
Eine Anzeige wird wohl auch Tanja Pester stellen. „Einen Anwalt haben wir uns bereits genommen“. Um zu untersuchen, ob die teuren Folgearbeiten am Rohr tatsächlich nötig sind, hat sie nun ein Unternehmen aus der Nähe beauftragt.
Nachfragen bei der Firma, die ihr außer hohen Kosten bislang nichts gebracht hat, blieben dagegen ohne Wirkung: „Ich habe einmal bei der Telefonnummer auf der Rechnung angerufen. Die Frau dort hat einfach aufgelegt.“