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Interview: Tote Jugendliche in Nordendorf: Kampf gegen Drogenhandel wird schwieriger

Interview

Tote Jugendliche in Nordendorf: Kampf gegen Drogenhandel wird schwieriger

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    Neue synthetische Drogen verbreiten sich schnell. Auch deshalb ist es nicht einfach, gegen den Handel vorzugehen, sagen Polizisten.
    Neue synthetische Drogen verbreiten sich schnell. Auch deshalb ist es nicht einfach, gegen den Handel vorzugehen, sagen Polizisten. Foto: F. Leonhardt (Symbolfoto)

    Waren es vor einigen Jahren noch hauptsächlich Heroinüberdosen, die zum Tod vieler Abhängigen geführt hat, sind es heute immer mehr die synthetischen Drogen. Im Interview erklärt die Polizei nach dem Tod zweier Jugendlicher in Nordendorf, wie schwer der Kampf gegen den organisierten Handel ist.

    Lässt sich der Ursprung synthetisch hergestellter Drogen heute eingrenzen? Oder schießen die Labore wie Pilze aus dem Boden?

    Siegfried Hartmann, Polizeisprecher: Der Ursprung synthetisch hergestellter Drogen lässt sich nicht eingrenzen. Sie werden weltweit produziert und vertrieben. Ein leichter Überhang wird im asiatischen Raum vermutet, ist jedoch nicht bestätigt. Auch in Europa befinden sich Produktionsstätten. Faktisch treten in Deutschland, nur auf das Hellfeld bezogen, Labore nur in einer sehr geringen Anzahl auf. Der Großteil der synthetischen Drogen wird aus dem Ausland importiert. In Bayern kann bei Drogenlaboren lediglich von Einzelfällen gesprochen werden.

    Warum sind synthetisch hergestellte Drogen so gefährlich? Warum sind gerade diese sogenannten Legal Highs so unkalkulierbar?

    Hartmann: Verständlicherweise findet bei derartigen Herstellungsprozessen keinerlei Qualitätskontrolle statt. Die Substanzen werden daher in verschiedenen Herstellungsverfahren synthetisiert und weisen auch unterschiedliche Konzentrationen des Wirkstoffes auf bzw. beinhalten diverse Verunreinigungen oder unerwartete Nebenprodukte. Zudem ist der exakte Inhaltsstoff und Wirkstoffgehalt auch nicht ersichtlich. Aus den vorgenannten Gründen ist der Konsum äußerst riskant und unkalkulierbar. Im Übrigen werden sogenannte Legal Highs korrekt als Neue psychoaktive Stoffe bezeichnet, die auch, je nach Einstufung, ins Betäubungsmittelgesetz übernommen werden.

    Pflanzliche Drogen müssen angebaut und geerntet werden. Bei synthetischen Drogen gilt der Grundsatz: Ohne Grundstoffe keine Drogen. Woher kommt die Chemie?

    Hartmann: Die Grundstoffe werden in der Regel in der legalen Chemieproduktion eingesetzt. Aus diesen Quellen werden Teile abgeschöpft und zur synthetischen Drogenproduktion missbraucht. Das Landeskriminalamt erhält immer wieder Verdachtsmeldungen über den Gebrauch von Grundstoffen.

    Drogentod in Nordendorf ist symptomatisch für Änderungen der Szene

    Befürchten Sie, dass die synthetischen Drogen eine größere Rolle einnehmen könnten als bisher bekannte Drogen, wie Opium, Morphium, Kokain oder Marihuana?

    Hartmann: Es ist bereits so, dass der Markt neben den klassischen Drogen, wie Marihuana oder Kokain, überwiegend von synthetischen Drogen, wie beispielsweise Amphetamin und dessen Derivaten, oder Neuen psychoaktiven Substanzen auf Cathinonbasis (sog. Badesalze) beherrscht wird. Tatsächlich sind klassische Drogen eher rückläufig.

    Das ist die Droge "Badesalz"

    Der Begriff Badesalz umfasst eine Reihe von Substanzen, die als synthetische Cathinone bezeichnet werden. Sie werden meist als Pulver oder in Kapseln verkauft.

    Sie werden geschnupft, geschluckt oder gespritzt. Viele Stoffe wurden zwar verboten, doch es kommen ständig neue hinzu.

    Nebenwirkungen sind unter anderem Krampfanfälle, Psychosen, Herz-Kreislauf-Probleme. In Augsburg wurden zuletzt drei Drogentote damit in Verbindung gebracht. (jöh)

    Ob nun Kräutermischungen, Badesalze oder Lufterfrischer: Neue synthetische Drogen werden mit einer nie da gewesenen Geschwindigkeit in ganz Europa verbreitet – macht das die Bekämpfung schwierig?

    Hartmann: Die Bekämpfung der Verbreitung gestaltet sich sehr schwierig. Zum einen findet ein Großteil der Produktion im Ausland statt, weshalb eine Kooperation mit dem entsprechenden Land angestrebt werden muss. Gleiches gilt für mögliche Zulieferungs- und Verteilungswege. Zum anderen nutzt die Globalisierung auch der Drogenmanufaktur, indem das Produkt im E-Commerce jederzeit verfügbar ist und zudem noch anonymisiert verkauft und zugestellt werden kann.

    Auch Kräutermischungen werden über das Internet gekauft.
    Auch Kräutermischungen werden über das Internet gekauft. Foto: Alexander Kaya (Symbol)

    Drogen als "legal" beworben: Bekämpfung der Dealerei wird schwerer

    Welche Rolle spielt bei der Bekämpfung, dass Drogenköche immer wieder die Strukturen der künstlich hergestellten Stoffe verändern?

    Hartmann: Die Hersteller streben zunächst die Legalität ihres Produktes an, weshalb die Struktur minimal verändert wird und so die Strafbarkeit nach dem Neue-psychoaktive-Stoffe-Gesetz umgangen wird. Dadurch, dass der Stoff als „legal“ beworben wird, steigen die Attraktivität und das Interesse des Konsumenten. Erst durch eine Untersuchung einer Probe kann der Stoff letztendlich klassifiziert und gesetzmäßig eingestuft werden.

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