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Hirblingen: Netter Junge, Angeber, Stalker: Wer ist der mutmaßliche Doppelmörder?

Hirblingen

Netter Junge, Angeber, Stalker: Wer ist der mutmaßliche Doppelmörder?

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    Hat Waldemar N. seine beiden Nachbarinnen ermordet? Vor Gericht wird er ganz unterschiedlich beschrieben.
    Hat Waldemar N. seine beiden Nachbarinnen ermordet? Vor Gericht wird er ganz unterschiedlich beschrieben. Foto: Marcus Merk

    Wie er da so sitzt, Seitenscheitel und fortwährend Notizen machend, könnte man ihn auch für einen Versicherungsvertreter oder einen Autoverkäufer halten. Er ist auch bislang nicht mit dem Gesetz in Konflikt gekommen. Scheinbar ein normaler, netter junger Mann. Doch vieles spricht dafür, dass Waldemar N. ein Doppelmörder ist. Wie passt das zusammen? Was ist in seinem Leben schief gelaufen? Wer ist dieser Waldemar N., der im Dezember 2016 seine lesbischen Nachbarinnen bestialisch ermordet haben soll?

    N. hat am Freitag Geburtstag, er wird 32. Zum ersten Mal wird er diesen Tag nicht in Freiheit mit seiner Mutter und seiner jüngeren Schwester feiern können. Er wird den Tag im Gefängnis von Gablingen und im Schwurgerichtssaal des Augsburger Landgerichts verbringen. Es wird ein trauriger Tag. Aber wird N. das überhaupt so empfinden? Er wirkt seltsam ungerührt, fast unbeteiligt im Prozess, obwohl dort über sein Schicksal entschieden wird. Er selbst sagt, er sei zu keinerlei Gefühlsregung fähig. Das hat er seinem Notizbuch anvertraut und einem Zellengenossen erzählt. Ist Waldemar N. ein Mensch ohne jegliche Empathie?

    Waldemar N. lebte mit seiner Mutter und Schwester zusammen

    Auf seinem Facebook-Profil zeigen Fotos einen jungen Mann, der den Freuden des Lebens nicht abgeneigt ist: Er posiert in Badehose am Strand, es gibt Urlaubsbilder aus Dubai, Bilder einer Hochzeit. N. hatte schon mehrere Freundinnen in seinem Leben, er feierte offenbar gerne mit Kumpels. Alles ganz normal. Doch auf der anderen Seite haben die Ermittler Hinweise darauf gefunden, dass er sich mit den kruden Thesen der Reichsbürger und seltsamen Dämonenbeschwörungen beschäftigte. Staatlichen Institutionen soll er misstrauisch bis ablehnend gegenüber stehen. Das macht die Augsburger Kripo auch daran fest, dass N. sich bei Polizeikontrollen im Auto „aufmandelte“: Er behandelte die Beamten herablassend nach dem Motto: Ich kenne meine Rechte, ihr könnt mir nichts. Auf Facebook hat er einen Aufnäher gepostet, auf dem steht: „Ich glaube eher an die Unschuld einer Hure als an die Gerechtigkeit der deutschen Justiz“. Zudem berichtet eine Ex-Freundin von N., dass er ihr penetrant nachgestellt habe – auch, als die Beziehung schon beendet war. Die Ermittler sprechen von Stalking. Versteckte sich also hinter der gewöhnlichen Fassade eine merkwürdige Gesinnung? Gab es menschliche Abgründe bei Waldemar N.?

    Geboren ist Waldemar N. am 6. Oktober 1985 in Balchasch in Kasachstan. Die Familie siedelte Anfang der 90er Jahre nach Deutschland über. 1996 zog sie in den Gersthofer Ortsteil Hirblingen. N. machte den Hauptschulabschluss, eine Lehre als Feinmechaniker brach er ab. Später machte er bei der IHK eine Ausbildung zum Industriemeister. Sein Vater starb vor etwa zehn Jahren. N. lebte vor seiner Verhaftung mit seiner Mutter und seiner Schwester in dem Hirblinger Haus. Er bewohnte allein eine Einliegerwohnung im Obergeschoss. Das Anwesen gehört der Familie, Waldemar N. hat für den Hauskauf einen Kredit aufgenommen, er besitzt das Haus also auch zum Teil.

    Und da ist man schon bei den finanziellen Verhältnissen des Angeklagten, in denen die Staatsanwaltschaft das Motiv für den Doppelmord sieht. Die Ermittler gehen davon aus, dass N. quasi immer am finanziellen Limit lebte. Neben den Kreditverbindlichkeiten soll er seinen monatlichen Dispokredit praktisch ständig voll ausschöpfte. Dokumentiert ist auch ein Kleinkredit für eine Fernreise. N. fuhr einen aufgemotzten weißen 3er BMW, verbürgt sind mehrere Besuche in Spielbanken. Insgesamt nennt die

    Wie sich der Doppelmord von Hirblingen abspielte ist unklar

    War sein Lebensstil zu aufwendig für das, was N. als Maschinenführer verdiente? Wurde er daher aus Habgier zum Mörder der beiden Nachbarinnen, die recht vermögend waren? N. wusste das, seine Mutter war mit den Frauen befreundet. Sie hatte den Hausschlüssel, denn sie kümmerte sich um die Pflanzen und die Katze, wenn Beate N. und Elke W. im Urlaub waren.

    Am Morgen des 9. Dezember 2016, ein Freitag, soll Waldemar N. zu den Nachbarinnen hinübergegangen sein, sie mit mehr als 30 Messerstichen niedergemetzelt und ihre Bankkarten gestohlen haben. Mit den Geheimnummern, die er laut Anklage aus einem der Opfer herausgeprügelt hatte, soll er gut 5000 Euro im Großraum Augsburg und in Prag abgehoben haben. Noch am selben Wochenende soll N. die Opfer in Schlafsäcke gewickelt und am Flüsschen Schmutter verscharrt haben.

    Hat Waldemar N. seine beiden Nachbarinnen ermordet? Der Angeklagte, hier mit seinen Verteidigern Hansjörg Schmid (links) und Walter Rubach, schweigt vor Gericht.
    Hat Waldemar N. seine beiden Nachbarinnen ermordet? Der Angeklagte, hier mit seinen Verteidigern Hansjörg Schmid (links) und Walter Rubach, schweigt vor Gericht. Foto: Marcus Merk

    Doch wann und wie genau sich die Tat abgespielt hat, ist unklar. Bislang gibt es nur eine Rekonstruktion der Ermittler. Und an der bestehen nach zwei Zeugenaussagen zumindest Zweifel. Denn ein junges Pärchen, das bei dem lesbischen Pärchen zur Miete wohnte, ist sich ganz sicher, dass es Beate N. am Abend jenen Freitags gegen 21.30 Uhr noch getroffen hat. Das sagen die beiden am Donnerstag. Auch auf mehrmaliges Nachhaken der Richter bleiben die beiden bei ihrer Darstellung. Damit würde die Hypothese der Kripo, dass die Frauen am Freitagmorgen ermordet wurden, nicht zutreffen.

    Auf der anderen Seite ist N.s Versuch, sich ein Alibi für die Tatzeit zu besorgen, am Donnerstag endgültig gescheitert. Der mutmaßliche Doppelmörder hatte bei der Polizei behauptet, er habe am Freitagmorgen nach der Nachtschicht bei einem Arbeitskollegen noch extra gearbeitet. Doch diese Darstellung weist der Kollege als Zeuge entschieden zurück. Damit verfügt Waldemar N. über kein Alibi für die vermutete Tatzeit.

    Der Indizienprozess wird am Freitag fortgesetzt, am 32. Geburtstag des Angeklagten.

    Lesen Sie mehr dazu: Beging Waldemar N. einen Doppelmord wegen 5000 Euro?

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