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Schwabmünchen: Hausbesuche: Zuhause beim Altlandrat

Schwabmünchen

Hausbesuche: Zuhause beim Altlandrat

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    Altlandrat Karl Vogele und seine Frau Gisela Vogele verbringen gerne viel Zeit im Garten ihres Wohnhauses in Schwabmünchen.
    Altlandrat Karl Vogele und seine Frau Gisela Vogele verbringen gerne viel Zeit im Garten ihres Wohnhauses in Schwabmünchen. Foto: Fred Schöllhorn

    Ein Hausbesuch beim Altlandrat in Schwabmünchen steht an. Und wüsste die Redakteurin nicht, wo sie klingelt, ein Vogel auf dem Briefkasten aus Metall und ein größeres Exemplar aus Ton im Blumenbeet vor der Eingang, wären erste Hinweise, dass hinter der rustikalen Holztüre die Vogeles wohnen.

    Karl und Gisela Vogele leben mittlerweile allein im Haus. Die vier erwachsenen Kinder sind längst eigene Wege gegangen. Und auch die blinde Tochter Ursula ist vor fünf Jahren ausgezogen. Sie hatte lange Zeit ihre eigene Wohnung im ersten Geschoss des Einfamilienhauses mit den hölzernen Fensterläden.

    An den Dachbalken hängen viele Stofftaschen

    Ins Obergeschoss führt auch Vogeles erster Weg, als er das Haus herzeigt. In einem Nebenraum sieht es aus wie in einer Schneiderei. Vier Nähmaschinen, rote Stoffbahnen und Maßbänder drängen sich auf einem Tisch, an den Dachbalken hängen viele Stofftaschen – kleine, große und bunte. Es sind die „Fari-Bags“. Sie werden von Flüchtlingen gefertigt. Das Projekt soll zur Integration beitragen und wird von Tochter Karola Stenzel begleitet.

    Im Hobbyraum nebenan steht eine große Modelleisenbahn mit Bahnhof, Bergen und Bäumen. Das ist ein Hobby von Gisela und einem ihrer sechs Enkelkinder. Am Schrank klebt ein alter Sticker mit der Aufschrift „Landkreis Augsburg – lebenswert, liebenswert“. Etwas verstaubt in der Ecke fristet ein Fitnessgerät sein einsames Dasein. „Das habe ich mir zu Beginn des Ruhestandes gekauft und nie benutzt“, sagt Karl Vogele etwas verlegen. Ansonsten steht die Wohnung im ersten Stock seit dem Auszug der Tochter leer.

    Vogele wird am 15. Mai zum Ehrenbürger ernannt

    Gemütlich wird es im Erdgeschoss. Im Esszimmer mit Echtholztisch, Eckbank und Stühlen steht ein großer Kachelofen, darüber hängt prominent die Urkunde zur Ernennung zum Altlandrat. Bald gesellt sich wohl eine weitere hinzu: Vogele wird am 15. Mai zum Ehrenbürger der Stadt Schwabmünchen ernannt.

    Anschließend geht es ins Wohnzimmer. Es hat einen besonderen Charme. Hier trifft Tradition auf Moderne. Filterkaffe und Gebäck serviert Gisela Vogele im hippen eckigen graufarbenen Geschirr. Auf dem Boden ist Parkett verlegt, an der Wand hängt ein Flachbildfernseher. Darunter steht ein altes Klavier aus Holz, darauf liegt ein Bluetooth-Kopfhörer. Alles sehr gegensätzlich und doch heimelig.

    Den Ruhestand ehrlich verdient

    Karl Vogele nimmt auf einem der dunkelgrünen Ledersessel Platz und noch bevor das Gespräch beginnt, präsentiert er eine Liste mit Terminen, die er in den vergangenen Monaten wahrgenommen hat: Festreden beim ADAC, CSU-Klausur, Vortrag in der Vhs Meitingen, Sitzung der Landvolkstiftung, und so weiter und so fort. 24 Aktivitäten mit exaktem Datum führt er auf. Nicht, dass noch der Eindruck entsteht, er sei einfach nur Rentner. Dabei hat sich der 79-Jährige seinen Ruhestand ehrlich verdient.

    Jahrzehnte in der Kommunalpolitik fordern ihren Tribut. Wenig Schlaf und viel Stress haben Spuren hinterlassen. Vogele muss 2012 am Herzen operiert werden, bekommt einen Bypass. Mittlerweile geht es ihm wieder gut und dafür ist er dankbar, erzählt er. „Denn ich habe Tag und Nacht gearbeitet, ich dachte das muss so sein. Der Preis des Lebens kann sehr hoch sein. Ich kenne viele, die einfach tot umgefallen sind. Ich habe Glück gehabt.“

    Endlich Zeit für die Familie

    Er genießt es, nun Zeit für die Familie zu haben, vor allem für die Enkelkinder. Für die eigenen Kinder hatte er sie früher nicht. „Ich war wirklich immer beruflich unterwegs. Das bereue ich zutiefst. Und das würde ich heute anders machen, hätte ich noch einmal die Chance dazu.“

    Seine Frau, die vor wenigen Wochen ihren 80. Geburtstag gefeiert hat, nimmt es rückblickend mit Humor: „Ich habe oft gesagt, dass ich bald einen Kurs für Alleinerziehende belege“, erzählt sie. Gleichzeitig ist ihr aber bewusst, dass sie durch den Beruf ihres Mannes nicht mehr arbeiten musste, nachdem die Kinder auf der Welt waren. „Ich konnte vom ersten Tag an zuhause bleiben. Das ist ja durchaus ein Privileg. Aber es wäre auch gar nicht anders gegangen.“

    Eine herzliche Dame mit flottem Kurzhaarschnitt

    Für die Enkelkinder nehmen sich beide Zeit. Sie kommen regelmäßig zu Besuch. „Auch weil die Großeltern sehr großzügig sind“, sagt Karl Vogele, der ihnen hin und wieder einen Geldschein zusteckt. „So lange man warm ist, kann man geben. Ich bin in einfachen Verhältnissen aufgewachsen, dann ging es mir unerwartet gut im Leben. Deshalb gebe ich gerne etwas davon weiter“, sagt er. Gisela Vogele nickt bestätigend. Sie ist „die Herzkammer der Familie“, sagt Karl Vogele, die Frau seines Lebens. Eine herzliche Dame mit flottem Kurzhaarschnitt und pinker Strickweste.

    Wenn sie erzählt, was ihr Mann im Ruhestand so macht, wird es lustig. „Gelegentlich schicke ich Karl zum Einkaufen und schreibe ihm eine Liste, was er mitbringen soll. Die ist aber sinnlos. Am Ende kauft er doch das, was er will“, sagt sie. Kochen und waschen könne er immer noch nicht und mit der Ordnung sei das auch so eine Sache. „Die ist ihm nicht so wichtig. Da ist der Karl berufsgeschädigt. Als Landrat ist er immer verwöhnt worden.“

    Begeistert von seiner Frau und ihren Talenten

    Auch Gartenarbeit gehöre zu seinen Aufgaben. „Er ist für den Rasen zuständig, wie man sieht“, neckt sie ihren Mann und deutet mit dem Finger auf einen braunen Fleck in der grünen Wiese. Beide lachen. Er nimmt sie liebevoll in den Arm. Nach so vielen Jahren Ehe ist er noch immer schwer begeistert von seiner Frau und ihren Talenten. Im Haus und Garten zeigt er alle Kunstwerke her, die sie angefertigt hat, aus Ton oder Keramik.

    Sein Berufsleben und das Landratsamt vermisst Karl Vogele mittlerweile nicht mehr. „Der Ausstieg war zunächst schon hart, das Loslassen fiel schwer. Aber jetzt lebe ich ruhiger und entspannter, ich nehme nur noch die Termine wahr, die ich wahrnehmen will. Ansonsten halte ich Mittagsschlaf, lese ausgiebig Bücher und Zeitung, pflege Kontakte zu alten Weggefährten, beschäftige mich mit dem Computer und trage nur noch in absoluten Ausnahmefällen eine Krawatte“, sagt er und wirkt sehr zufrieden in seiner braunfarbenen Jeans, dem dunkelblauen Pullover und den Hauspantoffeln – ganz ohne Krawatte.

    Stolz auf seine Großprojekte

    Trotzdem erzählt er noch gerne von seinen Großprojekten als Landrat: Darunter das Klinikum Augsburg (jetzt Uniklinik) das ab dem Jahr 2000 die Rechtsform eines selbstständigen Kommunalunternehmens inne hatte. Dazu haben sich im Krankenhauszweckverband die Stadt und der Landkreis Augsburg als Träger zusammengeschlossen. „Das war ein schwieriges Unterfangen, da der Freistaat das Klinikum nur zu 80 Prozent unterstützt hat.“ Wichtig für den Süden des Landkreises sei auch die Zusammenlegung der Wertachkliniken Bobingen und Schwabmünchen gewesen. Als „ein Riesenkampf“ bleibt ihm der Bau der Abfallverwertungsanlage in Augsburg in Erinnerung. Damals eine der modernsten Anlagen in Deutschland.

    Aber das ist Vergangenheit. In die aktuelle Politik mischt er sich aus Prinzip nicht ein.

    Jeder neue Tag ist ein Geschenk

    Für die Zukunft wünscht er sich noch drei Dinge: jeden Tag fröhlich aufstehen, nicht dement werden und, dass ihn seine Frau überlebt. „Sonst muss ich doch noch Waschen und Kochen lernen“, scherzt er. Er wird ernster und sagt „Mit bald 79 Jahren empfinde ich jeden neuen Tag als Geschenk.“

    Genug geplaudert, ein weiterer Termin steht am späten Nachmittag noch an: der Einkauf im Supermarkt. Gisela Vogele fährt zur Sicherheit mit, damit auch gekauft wird, was auf der Liste steht.

    Bereits erschienen in unserer Serie "Hausbesuche":

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