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Großaitingen: Und täglich kommt ein Wickelkind ins Haus

Großaitingen

Und täglich kommt ein Wickelkind ins Haus

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    Im Wohnzimmer von Tagesmutter Ruth Hamburger türmen sich Lego-Duplosteine, es stapeln sich Bilderbücher und im Wintergarten gibt es eine Spielburg. Der kleine Mika kann sich dort richtig austoben und zum Beispiel durch einen Kindertunnel krabbeln.
    Im Wohnzimmer von Tagesmutter Ruth Hamburger türmen sich Lego-Duplosteine, es stapeln sich Bilderbücher und im Wintergarten gibt es eine Spielburg. Der kleine Mika kann sich dort richtig austoben und zum Beispiel durch einen Kindertunnel krabbeln. Foto: Marcus Merk

    Bei ihr kommen die Kinder aus dem Wickelalter nicht raus: Seit sieben Jahren ist Ruth Hamburger Tagesmutter. Jeden Arbeitstag beschäftigt sie sich seitdem mit Kindern im Alter von etwa einem bis drei Jahre. Singen, Bücherlesen, kleinkindgerechtes Essen zubereiten – und vor allem Windelwechseln, das steht bei ihr seitdem immer wieder an.

    Im Wohnzimmer gibt es einen Tisch mit ganz kleinen Stühlen davor und einer großen Schachtel mit Lego-Duplosteinen darin. Neben dem Sofa stapeln sich Bilderbücher und im Wintergarten gibt es eine Spielburg. Im Garten sind gleich zwei Rutschen nebeneinander aufgebaut, ein Sandkasten ist bei schönem Wetter geöffnet und wer will, kann auch schaukeln.

    Die eigenen Kinder sind 24 und 29 Jahre alt

    Zumindest das Erdgeschoss des Einfamilienhauses in Großaitingen scheint auf den ersten Blick ganz das einer jungen Familie zu sein, bei der die kleinen Kinder im Mittelpunkt stehen. Dabei ist Ruth Hamburger mit Mitte 50 eigentlich in einem Alter, in dem die eigenen Kinder längst aus dem Haus sind und viele den „Kinderkram“ gar nicht mehr sehen können. „Manchmal komme ich mir schon vor wie in einer Zeitschleife“, gibt sie zu. Schließlich ist ihre eigene Tochter schon 24 und der Sohn 29 Jahre alt.

    Es war ein Wendepunkt in ihrem Leben, der Ruth Hamburger zu ihrem neuen Beruf gebracht hatte. Denn eigentlich ist sie Bauzeichnerin. „Als mein Sohn geboren wurde, habe ich mich selbstständig gemacht. Ich hatte mein Büro zuhause und konnte hier meine Aufträge abarbeiten.“ Eine Arbeit, die für die junge Mutter ideal mit der Familie zu vereinbaren war: Arbeiten konnte sie dann, wenn die Familie sie nicht brauchte. Unzählige Eingabepläne entstanden an ihrem Schreibtisch in den eigenen vier Wänden.

    Mit 17 bekam die Tochter ein Kind

    Doch die Kinder wurden größer und irgendwann war es Ruth Hamburger einfach zu einsam, immer nur zuhause im Büro zu sitzen, sie wünschte sich eine Tätigkeit, bei der sie unter Menschen kam. Die fand sie schließlich für einige Zeit in einem Versicherungsbüro. Und dann kam der September 2011: „Innerhalb von drei Tagen wurde ich arbeitslos und habe erfahren, dass ich Oma werde“, berichtet sie. Ihre Tochter war damals gerade 17 und stand kurz vor der Mittleren Reife. Der Mutter war klar, dass sie sie so gut wie möglich unterstützen wollte. Und das hieß: Sie würde viel auf ihr Enkelkind aufpassen müssen. Schließlich sollte die Tochter nach dem Abschluss der Schule noch eine Ausbildung machen. „Aber mit einem Kind konnte ich umgehen“, blickt sie heute auf die turbulenten Monate im Familienleben zurück.

    Es war ein Hinweis des Jugendamts, doch am besten ihre neue Aufgabe gleich zu einem Beruf zu machen. Ruth Hamburger besuchte einen Ausbildungskurs und öffnete ihre Türen nicht nur für die eigene Enkelin, sondern auch für andere Kinder. „Der Anfang war aber nicht leicht“, gibt sie zu – wie bei jedem Start ins selbstständige Unternehmertum. Doch nach und nach haben schließlich mehrere Eltern ihre Kinder bei ihr angemeldet.

    Die eigene Enkelin ist schon ein Schulkind

    Inzwischen ist die eigene Enkelin schon ein Schulkind. Der Aufgabe als Tagesmutter ist Ruth Hamburger aber treu geblieben. Momentan sind es fünf Kinder, um die sie sich kümmert, wenn auch nicht immer alle an denselben Tagen kommen. Die neue Arbeitswoche beginnt bei ihr bereits am Samstag: Dann überlegt sie sich den Speiseplan für die folgenden Tage. Je nachdem, wie viele Kinder an welchem Tag bei ihr sind, kauft sie auch schon ein. Montags ab 8 Uhr morgens bringen die Eltern die ersten Kinder. „Wir frühstücken dann erst mal gemeinsam“, erzählt sie über den Tag. Während die Tagesmutter anschließend aufräumt, je nach Intensität des Frühstücks auch mal saugt, spielen die Kinder im Wohnzimmer, immer im Blick von Ruth Hamburger.

    Dann geht es raus: Bei gutem und auch mittlerem Wetter in den Garten, am besten mit Gummistiefeln und Matschhose, bei schlechtem Wetter bleibt man eben im Wintergarten. Eine feste Regel für Ruth Hamburger: Wer auf ein Klettergerüst oder eine Rutsche will, muss alleine rauf- und auch wieder runterkommen. „Sonst bin ich ständig nur am Kinder hoch und runter heben“, sagt sie. Ihr sei es aber wichtig, dass sich die Kinder viel bewegen. Und die Kinder lernen die motorischen Abläufe ganz offensichtlich gut: Geschickt klettern die Tagespflegekinder Mika und Luisa, beide zwei Jahre alt, auf die Geräte.

    Geschnetzeltes mit Spätzle kann jeder essen

    Die Kinder immer im Blick, geht es dann ans Zubereiten des Mittagessens. Die Herausforderung dabei: Die Mahlzeit muss sowohl den Kleinen als auch der Enkelin, Schwiegertochter und dem Mann schmecken. An diesem Tag gibt es deshalb Geschnetzeltes mit Spätzle. „Das kann jeder essen“ – auch, wer noch nicht selbst Fleisch schneiden kann. Während die Kleinen ihren Mittagsschlaf halten, hilft Ruth Hamburger ihre Enkelin beim Hausaufgabenmachen.

    Gegen 15 Uhr werden die Kinder zumeist abgeholt, für Ruth Hamburger bedeutet das: Noch kurz aufräumen und dann – Feierabend. Endlich Zeit zum Ausruhen und zum Füße hochlegen. „Am Wochenende bin ich meist platt“, gibt sie zu. Die Tagesmutter sagt aber auch: „Jeder Beruf ist anstrengend.“ Was bei dieser besonderen Aufgabe jedoch ganz wichtig ist: Der Partner und die Familie müssen mitziehen – schließlich finde die Arbeit in den eigenen vier Wänden statt. Auch Ruth Hamburgers Mann ist am Abend weiterhin im Garten und im Wohnzimmer von Spielzeug umgeben. „Ein großer Vorteil ist aber, dass ich auch für meine Enkelin da sein kann“, macht Ruth Hamburger deutlich. Und so wird sie wohl noch einige Zeit lang Tagesmutter bleiben: Das zweite Enkelkind ist inzwischen unterwegs.

    Bereits erschienen in unserer Serie "Hausbesuche"

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