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Gersthofen: Skurriler Prozess: Fahrt mit falschem Blaulicht endet vor Gericht

Gersthofen

Skurriler Prozess: Fahrt mit falschem Blaulicht endet vor Gericht

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    Ein ähnliches Blaulicht wie dieses hatte der Angeklagte an seinem Auto montiert.
    Ein ähnliches Blaulicht wie dieses hatte der Angeklagte an seinem Auto montiert. Foto: Henrik Dolle/stock.adobe.com

    Diesen Wunsch hat wohl jeder Autofahrer schon einmal gehabt. Es pressiert, doch der Verkehr staut sich und ein schnelleres Durchkommen ist nicht möglich. Taucht dann ein Polizeiauto mit Blaulicht auf und schneidet durch die Blechlawine wie ein warmes Messer durch die Butter, kann der gestresste Autofahrer durchaus ein wenig neidisch werden. Kauft sich jedoch ein Normalbürger eine Blaulicht-Attrappe, um möglicherweise ebenfalls freie Fahrt zu haben, kann diese schnell vor Gericht enden. Diese Erfahrung musste jetzt ein 26-jähriger Versicherungskaufmann in Augsburg machen.

    Auf Nötigung in Tateinheit mit Amtsanmaßung lautete die Anklage der Staatsanwaltschaft. Doch der junge Mann und seine Verteidigerin wollten dies so nicht stehen lassen. „Das Blaulicht meines Mandanten kann überhaupt nicht blinken, da es überhaupt kein Innenleben hat“, sagte die Anwältin. Es sei zwar richtig, dass der Angeklagte eine Blaulicht-Attrappe außen an seinem Mercedes angebracht hätte, das Gerät selbst aber sei „jungfräulich“ und nicht funktionsfähig. Und zum Beweis präsentierte sie das Corpus Delicti auf dem Richtertisch.

    Landratsamt Regensburg hat keine Einwände gegen den Einbau

    Die beiden Zeugen, die im Januar vergangenen Jahres vor dem Angeklagten auf der Autobahn bei Gersthofen in Richtung Stuttgart unterwegs waren, hatten dies freilich anders gesehen. Sie vermuteten, dass es sich um ein ziviles Einsatzfahrzeug der Polizei handelt, da der Angeklagte zudem mit blinkender Lichthupe so dicht aufgefahren war, dass sie flugs die Fahrspur räumten.

    Die Verteidigung wiederum argumentierte, dass weder eine Nötigung noch eine Amtsanmaßung vorgelegen hätte, da erst knapp zwei Stunden zuvor der junge Mann von der Polizei in Regensburg kontrolliert worden war. „Und die haben ihn trotz des Blaulichts weiterfahren lassen“, so die Anwältin. Zudem hätte auch das Landratsamt in Regensburg keine Einwände gegen die Montage des Blaulichts gehabt.

    Staatsanwältin Alisa Starflinger war gänzlich anderer Meinung und lieferte sich mit der Verteidigung so manches Wortgefecht. „Es geht nicht um die Attrappe an sich“, sagte sie, „sondern wie man sich im Gesamtzusammenhang verhält“. Zudem sei es durchaus möglich, dass zwar die Attrappe funktionsuntüchtig sei, entsprechende Signale jedoch aus dem Innenraum gesendet wurden.

    Lässt der Sonnenschein die Attrappe blinken?

    Dies hätte die Polizei laut Richterin auch so bestätigt. Doch auch hierfür hatte die Verteidigerin eine Erklärung. „Es kann sein, dass lediglich durch das Sonnenlicht der Anschein erweckt wurde, dass die Attrappe blinkt.“ Und dies war beileibe nicht die letzte Karte, die sie ausspielte.

    Demnach soll das Landratsamt in Regensburg die Montage des Blaulichts sogar genehmigt haben. Als Beweis wurde der entsprechende Mailverkehr zwischen dem Angeklagten und dem zuständigen Sachbearbeiter vorgelegt. Diese Argumentation stimmte Richterin Susanne Scheiwiller ein wenig nachdenklich. „Wenn das Landratsamt den Einbau erlaubt, sehe ich keine Amtsanmaßung, um Sonderrechte zu erlangen“, sagte sie.

    „Ein jungfräuliches Blaulicht ohne Innenleben“

    Die Verteidigung räumte daraufhin zwar ein, dass der Einbau nicht explizit erlaubt wurde, laut Landratsamt jedoch auch keine Gründe gefunden wurden, die Blaulicht-Attrappe auf dem Dach zu verbieten. Zudem gelte eine Leuchte rechtlich als nicht existent, wenn sie nicht blinken kann. Staatsanwältin Starflinger zweifelte dies jedoch an. Demnach hätten Polizisten bemerkt, dass es Lichtsignale aus dem Innenraum gegeben hätte. „Wir können gerne das ganz große Fass aufmachen“, sagte daraufhin die Verteidigerin, die immer wieder betonte, dass es sich um „ein jungfräuliches Blaulicht ohne Innenleben“ gehandelt habe.

    „Dann sind weitere Nachermittlungen erforderlich“, sagte Richterin Scheiwiller. Und so werden sich demnächst neben dem Ehepaar, dass sich von dem vermeintlich zivilen Einsatzfahrzeug genötigt fühlte, auch die Kontrollbeamten der Polizei, ein weiterer Zeuge und auch der Sachbearbeiter aus dem Landratsamt in Regensburg vor dem Amtsgericht einfinden müssen. Die Rückfahrt trat der Angeklagte übrigens ohne Blaulicht an. Er hatte bereits zuvor schriftlich erklärt, künftig auf die Attrappe zu verzichten.

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