Die neue Mittelschule in Gersthofen trägt den Namen der Wiederstandkämpferin Anna Pröll, die in der Stadt lebte. Nun sind ihr und ihrem Ehemann Josef zwei neue Stolpersteine gewidmet, die am Montag auf dem Schulgelände von Künstler Gunter Demnig verlegt wurden. Doch das ist nicht alles. Denn an anderer Stelle in Gersthofen feiert das Gedenken eine bayernweite Premiere.
Denn vor dem Werkstor der MVV Industriepark Gersthofen in der Ludwig-Hermann-Straße wurde erstmals eine "Stolperschwelle" verlegt. Diese dient zur Erinnerung an die 400 russischen, ukrainischen, Italienischen, holländischen und französischen Zwangsarbeiter bei den Firmen IG Farbwerke Hoechst und Transehe in Gersthofen. "Erstmals hat ein Industriebetrieb in Bayern die Patenschaft für eine Stolperschwelle übernommen. Das ist beispielhaft", lobte der Historiker Bernhard Lehmann. "Dank dieses Vorbilds haben sich jetzt Langweid, Meitingen sowie die Firma SGL Carbon ebenfalls entschieden, Stolperschwellen setzen zu lassen.
Erinnerung an Zwangsarbeiter in Gersthofen
Im Gegensatz zu den Stolpersteinen des Künstlers Gunter Demnig, die jeweils einem Menschen oder einer Familie gewidmet sind, soll die Stolperschwelle an das grausame Schicksal vieler Zwangsarbeiter erinnern, die während der Nazizeit in den Firmen IG Farbwerke Hoechst und Transehe unter schlimmsten Umständen schuften mussten. "Den Anstoß für unser Engagement gab im Oktober 2019 der Anschlag auf die Synagoge in Halle", erklärte Holger Amberg, Geschäftsführer des MVV Industrieparks Gersthofen. Leider ergriffen Antisemitismus und Ausländerfeindlichkeit wieder mehr Raum, so Amberg weiter. "Ein Weg im Kampf dagegen ist die Erinnerung." Die MVV sei Bernhard Lehmann und seinen Mitstreitern dankbar, dass sie den Opfern ein Gesicht geben. "Wir müssen mit allem, was wir tun, dem Unrecht entgegentreten und die Demokratie verteidigen", forderte er.
Stellvertretende Landrätin Sabine Grünwald verwies auf die 800 bis 1000 Zwangsarbeiter, die im Lauf des Zweiten Weltkriegs in Gersthofen schuften mussten. "Die Gräueltaten haben eben nicht im Geheimen stattgefunden, sondern in unmittelbarer Nachbarschaft." Vor 20 Jahren habe die Zwangsarbeiter-Initiative Pionierarbeit in der Aufarbeitung ihrer Geschichte geleistet. Diese ging letztendlich aus einem Leistungskurs hervor, den Lehmann damals am Gersthofer Paul-Klee-Gymnasium leitete.
Rigider Umgang mit den Zwangsarbeitern
Fabian Schnaubert sprach über seinen Großvater Gerhard Hermann Schnaubert. "Dieser war bei der ehemaligen Firma Transehe leitender Ingenieur", sagte der Lokführer, der sich intensiv mit Ahnenforschung befasst. Er fand heraus, dass sein Großvater wegen seines rigiden Umgangs mit den Zwangsarbeitern als "schwarze Bestie von Gersthofen" bezeichnet worden war.
Schülerinnen des Paul-Klee-Gymnasiums trugen Auszüge aus Tagebüchern von Zwangsarbeitern vor, die ihr Leben in Gersthofen schilderten. Viele von ihnen waren erst 18 oder 19 Jahre alt, als sie infolge der menschenunwürdigen Arbeitsbedingungen den Tod fanden. Für würdige musikalische Untermalung sorgte ein Klarinettentrio des Jugendorchesters Gersthofen.
Wie Anna und Josef Pröll nach Gersthofen kamen
Gleich im Anschluss wurden zwei Menschen geehrt, die ebenfalls unter dem Naziregime litten und auch noch nach dem Krieg angefeindet wurden: Anna und Josef Pröll lebten lange in Gersthofen. Sie hatten mehrere Familienangehörige durch die Nazis verloren, beide wurden ins KZ gesteckt. Nach der Befreiung der Konzentrationslager wurden sie oft als "KZler" bezeichnet. Sie bekamen weder Wohnung noch Arbeit. Sie brauchten eine Zuzugserlaubnis und mussten nachweisen, wer ihre Vorfahren waren. Deshalb haben sie in Gersthofen 1953 ein Grundstück gekauft. Für sie wurden zwei Stolpersteine auf dem Gelände der Anna-Pröll-Mittelschule gesetzt.
Es sei außergewöhnlich, dass die zwei Stolpersteine nicht an der letzten Wohnadresse der beiden verlegt würden, sagte Bürgermeister Michael Wörle. "Es ist mit der Familie abgestimmt, und auch der Künstler Gunter Demnig hat einer Verlegung auf dem Schulgelände zugestimmt", so Wörle. "Anna Pröll ist ein Stück der Geschichte Gersthofens."
Anna-Pröll-Mittelschule übernimmt Patenschaft
Erfreut, dass die Steine hier ihren Platz finden, zeigte sich die Schulleiterin Sigrid Puschner. "Die Schule hat gerne die Patenschaft übernommen", betonte sie. "Unser Schulname ist uns Verpflichtung", betonte sie. So werde jedes Jahr in jeder Jahrgangsstufe altersgerecht die Geschichte von Anna und Josef Pröll sowie des Widerstands aufgearbeitet und den Schülern nahegebracht.
Bernhard Lehmann lobte, die Anna-Pröll-Mittelschule sei "ein Leuchtturm in Gersthofen" geworden, mit ihrem Namen, dem roten Schriftzug in der Handschrift der Namensgeberin und nun mit den beiden Stolpersteinen. Er könne sich auch vorstellen, dass künftig weitere Gedächtnissteine an die Verwandten Karl und Rosina Nolan sowie Fritz, Alois und Maria Pröll verlegt werden könnten. "Erinnern ist kein einmaliger Vorgang, sondern ein permanenter Akt der Selbstreflektion."
Kurzer Einblick in die Lebensläufe von Anna und Josef Pröll
Schüler verlasen dann kurz die Lebensläufe von Anna und Josef Pröll, und schilderten, wie diese wegen ihres Engagements und ihrer Mitgliedschaft bei der Kommunistischen Partei verfolgt wurden. Anna Nolan, später verheiratete Pröll, leistete während des NS-Regimes von Jugend an Widerstand. Gemeinsam mit dem Lehrerchor sang Tina Schüssler als Patin für "Schule ohne Rassismus - Schule mit Courage" den Song "Steht auf!"
Josef Pröll, Sohn der mit den Stolpersteinen geehrten, zeigt sich nach der Zeremonie sehr zufrieden. "Die Veranstaltung war sehr bewegend und niveauvoll."