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Gersthofen-Hirblingen: Damit das Fleisch „Bio“ ist, bleibt die Stalltür zu

Gersthofen-Hirblingen

Damit das Fleisch „Bio“ ist, bleibt die Stalltür zu

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    Katharina Mayer versorgt ihre Rinder auf dem Biolandhof Mayer in Gersthofen
    Katharina Mayer versorgt ihre Rinder auf dem Biolandhof Mayer in Gersthofen Foto: Marcus Merk

    80 bis 90 Rinder leben auf dem Biolandhof Mayer im Gersthofener Ortsteil Hirblingen. Ein Teil ist auf dem „Moirhof“ in Gersthofen auf die Welt gekommen, ein anderer Teil wird von einem Biobetrieb im Alter von sechs bis acht Monaten und meist bereits kastriert zugekauft. Die Tiere stammen aus Mutterkuhhaltung und dürfen erst dann nach

    Der Nährstoffkreislauf ist wichtig

    Die Erklärung für die Stallhaltung ist der geschlossene Nährstoffkreislauf, der auf dem Biolandhof Mayer umgesetzt wird. Die Rinder fressen Klee aus dem eigenen Anbau. Die Gülle wird auf dem Acker anschließend wieder als Dünger ausgebraucht. Bei der Weidehaltung würde dies nicht funktionieren.

    Der Stall bietet den Tieren jede Menge Komfort. Es gibt einen Liege- und einen Laufbereich, einen überdachten Teil und einen offen Teil sowie eine Kuhbürste, die die Tiere aktuell besonders gerne nutzen, um sich vom warmen Winterfell zu entledigen. „Als Tierärztin liegt mit das Tierwohl ganz besonders am Herzen“, erklärt die 30-Jährige. Und noch eine weitere Besonderheit gibt es im Stall des Moirhofs, der für sein Konzept schon mehrfach ausgezeichet worden ist: Zur Rinderherde gehören ein paar auffällig gefleckte Tiere. Dabei handelt es sich um Pustertaler Sprinzen, die weltweit in ihrem Vorkommen gefährdet sind. Daneben reihen sich Angus Rinder und Fleckvieh.

    Nach zweieinhalb Jahren kommt der Schlachter

    Bis aus den Tieren Schlachttiere werden, vergehen auf dem Biolandhof Mayer 30 Monate, also zweieinhalb Jahre. Zum Vergleich: Im konventionellen Betrieb erreichen die Tiere ihr Schlachtgewicht meist schon binnen 16 Monaten. Warum es in den Wintermonaten wöchentlich zum Augsburger Schlachthof geht und im Sommer manchmal erst alle zwei Wochen, liegt am Verkauf: Im Sommer sind zwar Steaks zum Grillen sehr beliebt. Doch Braten und Suppenfleisch mögen in der warmen Jahreszeit nur wenige. Doch die 30-Jährige hat einen Grundsatz: „Erst wenn der letzte Braten verkauft ist, kommt das nächste Tier zum Schlachter.“

    Nach dem Schlachten kommt das Fleisch direkt und via Warmfleisch-Transport wieder zurück auf den Hof. Ein Teil des Fleisches wird noch schlachtwarm gesalzen, gekuttert und als Warmbrät eingefroren. „Das bildet die Grundlage für die Wurst“, erklärt die zweifache Mutter, die selbst aus einem landwirtschaftlichen Betrieb stammt und vor einigen Jahren nach Hirblingen geheiratet hat.

    Von 700 Kilo bleiben 200 Kilo Fleisch

    Vom 700 Kilogramm schweren Tier kommen etwa 65 Prozent vom Schlachter zurück. Die Hälfte davon wiederum, also etwa 200 Kilogramm, bringt jedes Tier an Fleisch. Verarbeitet wird dann alles: Aus den Knochen werden Fonds, Suppen und Hundefutter. Auch die Sehnen werden als Hundefutter angeboten. Im Durchschnitt werden 15 Prozent des Tieres zu Wurst und 85 Prozent zu Fleisch, doch im Detail kann die Verwendung pro Tier durchaus variieren. Aus dem Ochsen wird in der Regel keine Wurst. Die ältere Milchkuh hingegen kann durchaus komplett zu Wurst verarbeitet werden. Beim Fleischverkauf selbst kommt es dann auf das perfekte Timing an: Drei Tage lang ruht das Fleisch, bevor es weiterverarbeitet wird. Direkt in der ersten Woche haben Hackfleisch und Suppenfleisch die richtige Reife. Nach etwa zehn Tagen gehen Braten und Gulasch über den Ladentisch. Filet wird nach drei bis vier Wochen verkauft, Steak erst nach sechs Wochen Reifezeit.

    Mit fortschreitender Reifung des Fleisches steigt das Wasserbindungsvermögen, der Geschmack intensiviert sich durch Eiweißabbauprodukte. Bindegewebe zersetzt sich und das Fleisch wird zarter. Für Menschen mit Histamin-Intoleranz wäre das Fleisch dann ungenießbar, denn im selben Reifeprozess bilden sich auch Histamine.

    Produkte gibt es nur im Hofladen

    Verkauft werden alle Produkte direkt und ausschließlich im eigenen Hofladen. Das, was die Kunden des Moirhofs am häufigsten nachfragen, würde Katharina Mayer allerdings am liebsten komplett streichen. „Ich habe eine Antipathie gegen Hackfleisch“, erklärt sie lachend und liefert auch direkt eine Begründung dafür: „Hackfleisch zuzubereiten, ist keine Herausforderung am Herd.“

    Der Trend gehe aber leider in die Richtung, dass die Fleischhäppchen immer kleiner werden. Auch Gulasch, ebenfalls Fleisch in Kleinformat, erfreut sich großer Beliebtheit. Steaks, Braten und Suppenfleisch werden vor allem saisonal nachgefragt. Manchmal sei es aber gar nicht so einfach, dem Kunden auch das passende Fleischstück zu verkaufen, verrät die zertifizierte Bauernhof-Gastronomin. Viel zu viele Bezeichnungen für ein- und dasselbe Fleischteil gibt es heute. So ist das „Flanksteak“ Freunden des Steakgrillens durchaus ein Begriff. In Frankreich heißt das gleiche Fleischteil jedoch „Bavette“. Im deutschen Topf landet es als Schmorbraten oder Teil vom Gulasch.

    Kunden beraten, das tut Katharina Mayer gern. Nur die Idee, sie zu belehren, will nicht so recht funktionieren. Auch die Intention der Fleischseminare, die sie regelmäßig anbietet und die über die VHS Augsburg Stadt buchbar sind, verfehlen ihre eigentliche Wirkung. Eigentlich waren die Seminare als Vorbeugung gegen Reklamationen gedacht. Es sollte nicht mehr passieren, dass sich ein Kunde über zähes Rindfleisch beschwert, der eben dieses 30 Minuten gebraten hat.

    Seminare über Qualität des Fleisches

    Doch das Klientel, das gerne zur Katharina Mayers Seminaren kommt, ist ein anderes: Viele Hausfrauen, die voller Leidenschaft und mit jeder Menge Erfahrung am Herd stehen, kommen zum Seminar. Auch viele Mitarbeiter aus der IT und aus klassischen Bürojobs zählen zu den Seminarteilnehmern. Und auch das Equipment der Teilnehmer ist höchst unterschiedlich. Während die einen über einen Sous-vide Vakuumgarer verfügen, haben andere einen mächtig großen Smoker zuhause, um Pulled Beef zu fertigen.

    Unabhängig von den jeweiligen Vorkenntnissen, wohl aber mit Blick auf die individuellen Anregungen und Vorlieben startet fast jedes Seminar im Stall. Die Intention dahinter: Wer sich das Rind und seine Bewegung ansieht, sieht auch, welche Fleischbeschaffenheit das Fleischstück später haben wird. Zartes Fleisch wächst dort, wo das Tier sich nicht bewegt und das Gewebe keine Stützfunktion ausführt. Katharina Mayer, die noch während ihres Studiums der Tiermedizin die Ausbildung zur staatlich geprüften Hauswirtschafterin absolviert hat, setzt auch hier auf Fachwissen und hofft darauf, dass eine praxisnahe Erläuterung für Verständnis sorgt.

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