Was soll mit dem Schlamm aus Kläranlagen geschehen? Eine landwirtschaftliche Nutzung wird wegen der darin enthaltenen Schadstoffe immer schwieriger. Nun soll eine Klärschlammverbrennungsanlage auf dem Gelände des Industrieparks Gersthofen eine Lösung bringen. Derzeit läuft das immissionsschutzrechtliche Genehmigungsverfahren. Der für Mittwoch geplante Erörterungstermin wurde pandemiebedingt abgesagt. Der Bund Naturschutz (BN) hat erhebliche Einwände gegen die Pläne, fordert einen Planungsstopp und will die Bayerische Staatsregierung mehr in die Pflicht nehmen.
Hintergrund für den Bauboom bei Klärschlammverbrennungsanlagen - Gersthofen ist nicht die einzige - ist die Pflicht für die Betreiber von Kläranlagen bis 2029 (Großanlagen) und 2032 (mittlere Anlagen), Phosphor rückzugewinnen. Das Verfahren, Phosphor aus der Asche rückzugewinnen, wird derzeit als einfachste Lösung propagiert.
Große Lücken in Gersthofer Planungen
"Bayern braucht nachhaltigere Lösungen für die Behandlung und Verwertung von Klärschlamm", erklärt der BN-Landesbeauftragte Martin Geilhufe. Die beim Genehmigungsverfahren vorgelegten Planungen für die Anlage wiesen, was den Naturschutz betrifft, große Lücken auf. "Wir fordern von der Bayerischen Staatsregierung ein Moratorium für den Aus- und Neubau von Klärschlammverbrennungsanlagen." Das Ziel müssten geschlossene Stoffkreisläufe, eine Minimierung der Schadstoffbelastung für die Umwelt und Klimaneutralität sein. "Mit dem Bau von Klärschlammverbrennungsanlagen in ganz Bayern können diese Ziele nicht erreicht werden", betont Geilhufe.
Zudem enthielten diese Schlämme zahlreiche wertvolle Pflanzennährstoffe, die im Rahmen einer Kreislaufwirtschaft wiederverwertet werden sollten. "Hierzu ist es aber notwendig, dass die weitgehende Schadstofffreiheit von Klärschlämmen sichergestellt wird." Daher seien alternative Verfahren zur Rückgewinnung unbedingt zu prüfen.
So viel Klärschlamm soll jährlich in der Gersthofer Anlage verbrannt werden
85.000 Tonnen entwässerter Klärschlamm sollen jährlich in der geplanten Anlage verbrannt werden. Betreiberin ist die MVV Industriepark Gersthofen GmbH. Aus der Asche soll dann Phosphor gewonnen werden. Ob das ebenfalls im Industriepark geschieht, steht noch nicht fest. Die Gersthofer MVV-Sprecherin Ingrid Knöpfle verweist darauf, dass der Klärschlamm aus dem Augsburger Land bisher teilweise bis nach Kempten gekarrt und dort verbrannt wird. Der CO2-Fußabdruck werde durch die Verbrennung in Gersthofen eher kleiner", vermutet sie.
Die Naturschützer wollen dies nicht nur aus lokalem Blickwinkel betrachten: "Es werden nach unserer Auffassung in ganz Bayern zu viele solcher Anlagen gebaut, sodass Überkapazitäten drohen", sagt Waltraud Galaske, die Sprecherin des BN-Landesarbeitskreises Abfall. Bayern begebe sich derzeit in eine Einbahnstraße. "Stehen die Verbrennungsanlagen einmal, kann kaum mehr auf nachhaltigere Verfahren umgestellt werden."
Naturschützer sorgen sich um Gersthofer Wasserschutzgebiete
Peter Hirmer, Sprecher des Landesarbeitskreises Wasser befürchtet, dass eine Vielzahl von Schadstoffen bei der Verbrennung an die Umwelt abgegeben werden. "Diese könnten dann auch die nahe dem Industriepark gelegenen Wasserschutzgebiete beeinträchtigen und geschützte Arten gefährden." Nicht zuletzt im Lechkanal gebe es bereits jetzt erhöhte Werte von Quecksilber und anderen Schwermetallen - durch die neue Anlage würde es noch mehr Belastung geben. "Es ist notwendig, dass genaue Bilanzen aufgestellt werden, wie sich die Belastung mit Schwermetallen darstellt."
Johannes Enzler, Vorsitzender der BN-Kreisgruppe Augsburg, fordert die Regierung von Schwaben auf, die Klärschlammverbrennungsanlage Gersthofen nicht zu genehmigen. "Im Antrag der Gersthofer Klärschlammverbrennung sind noch zu viele Fragen ungeklärt. Daher fordern wir auch im Genehmigungsverfahren für diese Anlage ein Moratorium." Dann gebe es mehr Zeit für genaue Prüfungen der Auswirkungen, die der Betrieb dieser Anlagen habe.
Freistaat soll Koordination übernehmen
Dies lasse sich nur machen, wenn der Freistaat die Koordination und eine landesweite Planung unter Beteiligung der Öffentlichkeit übernehme. So ließen sich Überkapazitäten vermeiden. "Die Staatsregierung hält sich aber bisher raus und setzt wohl auf den freien Markt", so Enzler weiter. Doch solche Anlagen sollten nicht privaten Unternehmen und Betreibern überlassen werden. "Diese haben beispielsweise aus Kostengründen wenig Interesse daran, Grenzwerte zurückzufahren." Die derzeit geltenden Grenzwerte hält Enzler für veraltet. "Diese Einwände hätten wir alle gerne beim Erörterungstermin mit der Regierung von Schwaben noch einmal deutlich gemacht. Hoffentlich findet er noch statt", hofft Enzler.
Hier einige Daten der in Gersthofen geplanten Anlage laut MVV Industriepark Gersthofen GmbH: Verbrennungskapazität 85.000 Tonnen/Jahr. Feuerungswärmeleistung 10 Megawatt. Betrieb: 8000 Stunden/Jahr. Phosphatasche 7500 Tonnen/Jahr. Kosten: rund 40 Millionen Euro. Geplante Inbetriebnahme Januar 2023.
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