Bei den Gersthofer Backbetrieben wird nicht mehr produziert, sondern nur noch vor den Toren demonstriert. Sei Freitagabend ruht der Betrieb in dem insolventen Unternehmen, gegen 16.30 Uhr machte die Nachricht in der Großbäckerei in einem Gersthofer Industriegebiet die Runde. Das erzählen Beschäftigte, die sich am Sonntagnachmittag vor dem verschlossenen Werkstor versammelt haben. Sie sind zum Teil seit Jahrzehnten bei der Bäckerei angestellt und wissen jetzt nicht, wie es mit ihnen weitergehen soll.
Die Nachricht vom Aus hat noch nicht einmal alle der rund 400 Beschäftigten erreicht. Am frühen Sonntagnachmittag fährt ein Arbeiter vor, er will zur Schicht. Normalerweise würde in der Großbäckerei, aus der auch die Lechbäck-Filialen beliefert wurden, jetzt Hochbetrieb herrschen. Doch stattdessen wurde das Tor unter Aufsicht der Polizei verrammelt.
Wie bekommen die Menschen und ihre Familien Geld?
Am Montag soll noch einmal Betrieb auf dem Gelände herrschen: Betriebsversammlung. Hoffnung auf eine Wende zum Besseren haben die Betroffenen aber nicht mehr. "Wir wollen wissen, wie wir uns verhalten müssen,", sagt einer. Vor allem geht es um diese Frage: Wie bekommen die Menschen und ihre Familien Geld?
Die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten hatte am Sonntagmorgen Alarm geschlagen. Die Situation für Betrieb und Beschäftigte sei noch viel bedrohlicher als bislang angenommen.
Zum 1. Dezember wurde das Insolvenzverfahren für die Gersthofer Backbetriebe eröffnet. Vorgeschaltet war eine dreimonatige Sanierung im Schutzschirmverfahren für das seit Monaten kriselnde Unternehmen. Am Donnerstag teilte der Insolvenzverwalter laut Gewerkschaft dem Betriebsrat mit, dass der Betrieb umgehend stillgelegt wird. Der Großkunde Aldi wolle ab sofort keine Ware mehr von den Backbetrieben beziehen. Der weitere Geschäftsbetrieb führe nur zu noch höheren Verlusten. Auch für die Lechbäck-Filialen wurde ein Insolvenzantrag gestellt. Dort arbeiten nochmal 80 Menschen.
Gewerkschaft kritisiert "riskantes Vorgehen"
Die Gewerkschaft gibt der Unternehmensleitung die Schuld an der Entwicklung: „In letzter Zeit waren die Backbetriebe kein zuverlässiger Lieferant für Aldi“, kommentiert Tim Lubecki von der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG). Und weiter: „Gleichzeitig versuchte die Geschäftsführung in den letzten Wochen offensiv, Aldi höhere Preise und langfristige Zusagen abzuringen. Dieses riskante Vorgehen führte wohl dazu, dass Aldi komplett abgesprungen ist und alle Beschäftigten noch vor Weihnachten ihren Job verlieren.“
Derzeit scheint nicht einmal die Auszahlung der Dezemberlöhne gesichert. Für einen solchen Notfall ist eigentlich das Insolvenzgeld vorgesehen. Doch das wurde bei den Gersthofer Backbetrieben nach Gewerkschaftsangaben bereits im Sanierungsverfahren der letzten Monate ausgeschöpft und steht jetzt nicht mehr zur Verfügung. Nur die Beschäftigten der Lechbäck-Filialen können mit Insolvenzgeld rechnen. Bei allen anderen Betroffen solle jetzt wohl ein zweites Mal der Staat einspringen in Form von Arbeitslosengeld, sagt die Gewerkschaft.
Ihren Angaben zufolge sparten sich die Backbetriebe mehrere Millionen Euro Lohnzahlungen, als das Unternehmen in der Sanierungsphase zwischen September und November unter dem Schutzschirm war. „Natürlich stellen die Betroffenen jetzt die Frage, was mit dem Geld passiert ist“, sagt Tim Lubecki.
Einer Arbeiter, die am Sonntagnachmittag vor dem Werkstor stehen sagt: "Wir wissen nicht, was mit dem Geld passiert ist. Aber es gibt sicher welche, die es wissen." Von Geschäftsführung und Insolvenzverwaltung liegt zur Stunde noch keine Stellungnahme vor.
Am Montagvormittag soll in der Großbäckerei eine Betriebsversammlung stattfinden. Im Anschluss plant die Gewerkschaft eine Kundgebung vor den Werkstoren.