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Landkreis Augsburg: Flüchtlingsheime im Kreis Augsburg sind teilweise isoliert

Landkreis Augsburg

Flüchtlingsheime im Kreis Augsburg sind teilweise isoliert

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    Das Asylbewerberheim in Ehingen steht unter Quarantäne. Für Flüchtlingsheime gelten besonders strenge Quarantäne-Regeln.
    Das Asylbewerberheim in Ehingen steht unter Quarantäne. Für Flüchtlingsheime gelten besonders strenge Quarantäne-Regeln. Foto: Marcus Merk

    Georgina Iamo lebt in einer Flüchtlingsunterkunft in Ehingen, in der ein Bewohner Corona hat. Darüber informiert wurde sie, als die Sozialarbeiterin, die in der Flüchtlingsunterkunft arbeitet, sie anruft. Was genau das für sie bedeutet, erfährt sie erst, als sie Tage später einen Brief auf Deutsch vom Gesundheitsamt bekommt und ihn mithilfe von Google übersetzt. Die 26-jährige Nigerianerin muss in Quarantäne, obwohl sie kerngesund ist und keinen Kontakt mit dem Kranken hatte.

    Flüchtlingsheime im Kreis Augsburg unterliegen strengeren Quarantäneregeln

    Wenn ein Bewohner in einer Flüchtlingsunterkunft positiv auf Corona getestet wird, muss die ganze Einrichtung in Quarantäne. "Die Begründung ist in der Charakteristik einer gemeinschaftlichen Unterbringung zu finden", teilt das Landratsamt mit. Aber auch Bewohner, die sich weder Küche noch Bad mit dem Bewohner geteilt haben, sind von der Quarantäne betroffen. Häufig werden die Häuser nicht nur einmal, sondern mehrmals in Quarantäne gestellt. "Die Quarantänebescheide sind zudem immer auf Deutsch und werden nicht von allen verstanden", kritisiert Flüchtlingshelferin Sylvia Daßler, die auch für die Grünen im Kreistag sitzt.

    Die strengen Quarantäneregeln seien nicht für jeden ohne Weiteres nachvollziehbar und kompliziert formuliert: "Man muss das einfach besser erklären, wenn man will, dass die Leute sich daran halten", glaubt sie. Eigentlich sollen Corona-Kranke in eine andere Einrichtung verlegt werden. Das klappt aber nicht immer und meist mit Verzögerung, erzählt Daßler: "Die Einrichtungen im Landkreis sind ziemlich voll", sagt sie.

    Seit sie unter Quarantäne steht, kann Georgina ihren Deutschunterricht nicht mehr besuchen. "Ich kann nicht schlafen, ich kann nicht spazieren gehen, ich kann nicht zur Schule, ich kann gar nichts tun", beschwert sie sich. Bei allen Unterkünften der Regierung von Schwaben achten private Sicherheitsdienste rund um die Uhr vor der Tür über die Einhaltung der Maßnahmen. Georgina verlässt ihr Zimmer nur, um zu essen oder um die Toilette zu benutzen. Zumindest, wenn sie frei ist. Sie muss sich den Waschraum mit neun anderen Menschen teilen. Sie verbringt ihre Tage damit, Filme auf ihrem Handy zu schauen und Nachrichten zu lesen. "Sehr langweilig", findet sie.

    Die strengsten Corona-Regeln gelten in Flüchtlingsheimen

    Die Flüchtlingsunterkünfte im Landkreis Augsburg befinden sich in der Trägerschaft der Regierung von Schwaben und der des Landkreises Augsburg. Die Regierungs-Einrichtungen sind alle Gemeinschaftsunterkünfte. Hier sind aktuell 531 Menschen an zwölf Standorten untergebracht. Vier Einrichtungen davon sind in Quarantäne. In den dezentralen Unterkünften des Landkreises wohnen aktuell 863 Menschen, von denen sich 90 in Quarantäne befinden.

    Georgina Iamo lebt in der Flüchtlingsunterkunft in Ehingen, in der ein Bewohner Corona hat. Die 26-jährige Nigerianerin muss in Quarantäne, obwohl sie kerngesund ist und keinen Kontakt mit dem Kranken hatte.
    Georgina Iamo lebt in der Flüchtlingsunterkunft in Ehingen, in der ein Bewohner Corona hat. Die 26-jährige Nigerianerin muss in Quarantäne, obwohl sie kerngesund ist und keinen Kontakt mit dem Kranken hatte. Foto: Marcus Merk

    Viel Platz, um sich zurückzuziehen, gibt es nicht. Sowohl Landkreis als auch die Regierung von Schwaben richten sich nach einer Vorgabe des Innenministeriums, die sieben Quadratmeter pro Person vorsieht. In den Unterkünften teilen sich meist zwei bis drei Bewohner ein Zimmer. Da kann es schwer sein, Abstand zu halten. Trotzdem ist bis jetzt keine Häufung von Corona-Fällen in den Unterkünften im Landkreis verbürgt. Nicht alle haben einen Internetanschluss. In zwei Einrichtungen der Regierung Schwaben fehlt dieser. "Dann können sie auch am digitalen Unterricht nicht teilnehmen", sagt Simon Oschwald. Er koordiniert die Flüchtlingsarbeit der Caritas. Auch den Kontakt zur Heimat zu halten, wird ohne Internet schwer. Georgina hat im Moment zum Beispiel keine Möglichkeit, mit ihrer Familie in Nigeria zu reden: "Ich habe keine Ahnung, wie es ihnen geht", bedauert sie.

    Auch Ehrenamtler und Helfer dürfen seit Monaten die Häuser nicht betreten

    Seit dem 14. Oktober dürfen dezentrale Flüchtlingsunterkünfte im Kreis Augsburg nur noch von ihren Bewohnern betreten werden. Jeder andere muss draußen bleiben. Auch Sozialarbeiter und Ehrenamtler: Das macht den Kontakt zu den Geflüchteten schwierig. Wenn keine Quarantäneanordnung besteht, ist das nicht nachvollziehbar, findet Daßler „Trotz aller Probleme ist die Zusammenarbeit aber angesichts der für alle schwierigen Situation gut.“

    "Soziale Arbeit braucht sozialen Kontakt", findet auch Simon Oschwald von der Diakonie Augsburg. Dinge wie Sprachunterricht und Hilfe beim Formulare ausfüllen würden dadurch deutlich erschwert. Für die Helfer ist das frustrierend: "Wir helfen weiter aus der Ferne, aber würden das lieber mit der Maske als dem Telefon tun", sagt Oschwald.

    Für Georgina bedeutet das, dass sie nur noch Kontakt mit den Leuten in ihrer Unterkunft haben kann. "Ich lebe alleine und eine Beziehung zu den anderen aufzubauen, ist schwer", sagt sie. Sie ist die einzige Nigerianerin in der Unterkunft und es sei schwer, mit den anderen zu kommunizieren. Viele Menschen aus der Außenwelt wollen sich wegen der Corona-Regeln auch nicht mehr verabreden, sodass Georgina wohl noch eine Weile einsam bleiben wird.

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