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Emersacker: Familie lebt im Container: Wohin mit Obdachlosen auf dem Land?

Emersacker

Familie lebt im Container: Wohin mit Obdachlosen auf dem Land?

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    Das ist seit Monaten das Zuhause von Franziska Schuster (Name geändert) und ihrem siebenjährigen Sohn. Der kleine Ort Emersacker im Landkreis Augsburg hat den Container als Notwohnung angemietet. Kleinere Kommunen tun sich im Umgang mit Obdachlosen meist schwer.
    Das ist seit Monaten das Zuhause von Franziska Schuster (Name geändert) und ihrem siebenjährigen Sohn. Der kleine Ort Emersacker im Landkreis Augsburg hat den Container als Notwohnung angemietet. Kleinere Kommunen tun sich im Umgang mit Obdachlosen meist schwer. Foto: Marcus Merk

    Es ist ein Schicksal, das viele Menschen erschüttert: Franziska Schuster (Name von der Redaktion geändert, um die Betroffenen zu schützen) und ihr siebenjähriger Sohn leben seit Monaten in einem Container. Sie finden einfach keine Wohnung. In der Notlösung auf 36 Quadratmetern kann man sich kaum bewegen. Rundherum hat die Frau Zelte aufgestellt. Spielsachen des Jungen lagern da. Ein paar Möbelstücke aus dem alten Leben.

    Frau und Kind in Emersacker leben in Container

    Die Zelte und der Container passen nicht ins Ortsbild. Neben ihnen reihen sich schmucke Einfamilienhäuser. Spätestens im April muss Franziska Schuster hier weg. Solange duldet der Grundstücksbesitzer den Container noch. Früher oder später werden aus den Zelten und dem Container wohl drei neue Einfamilienhäuser. Es ist kein Platz mehr im Neubaugebiet in Emersacker (Landkreis Augsburg). Ein Bild, das eines auf tragische Weise klar macht: Obdachlosigkeit ist nicht nur ein Problem der Städte.

    Weshalb Franziska Schuster ihre Wohnung verloren hat, erzählt sie nicht im Detail. Es ging ihr einmal gut. Zwei Mal war sie verheiratet, elf Kinder habe sie zur Welt gebracht. Doch das Jugendamt habe ihr nur ihren jüngsten Sohn gelassen. Warum, sagt sie nicht. Irgendwann habe sie sich die Miete in ihrer alten Wohnung – nicht weit vom Container – nicht mehr leisten können. Nachdem sie sich am Bein verletzt habe, könne sie nicht mehr arbeiten. Nachbarn beschreiben sie als schwierige Person. Es gab Mietschulden, Streit mit dem Vermieter. Immer wieder. Dann die Räumungsklage. Vor sieben Monaten wusste die Mutter nicht mehr wohin. Beinahe standen sie und ihr jüngster Sohn auf der Straße.

    "Es gibt kein bayerisches Obdachlosengesetz"

    Die Gemeinde kümmerte sich um die kleine Familie. Wird ein Mensch obdachlos, ist es Aufgabe der Kommune, für eine Unterkunft zu sorgen. Doch was heißt das konkret? "Es gibt kein bayerisches Obdachlosengesetz", sagt Wilfried Schober, Sprecher des Bayerischen Gemeindetags. Grundsätzlich sei jede Kommune verpflichtet, für die Sicherheit der Menschen zu sorgen, die sich im Gemeindegebiet aufhalten. Das umfasst auch das Unterbringen von Obdachlosen. In der Regel versuchen Gemeinden, die Betroffenen in der aktuellen Wohnung zu halten. Doch das klappt nicht immer. Was dann passiert, hängt von der Gemeinde ab. "Manchmal mietet die Gemeinde vorübergehend ein Zimmer im Hotel oder einer Pension", sagt Schober. Andere Kommunen halten Wohnungen für Obdachlose vor. Das Unterbringen in Containern – wie in Emersacker – sei keine Ausnahme.

    Laut einer aktuellen Studie des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales gibt es besonders auf dem Land zu wenig Angebote für Obdachlose. Während es in den großen Städten differenzierte Hilfesysteme gibt, fehlen sie in ländlichen Gebieten häufig. In kleinen Kommunen gibt es oft keine Unterkünfte für Obdachlose. So wie in Emersacker. Auch hier ist der Wohnungsmarkt angespannt, es gibt kaum freien Wohnraum. Deshalb entschied sich die Gemeinde dafür, den Container für Franziska Schuster und ihren Sohn anzumieten. Mittlerweile übernimmt das Jobcenter einen Teil der Miete.

    In der Gemeinde Fischach gibt es Wohnungen für Obdachlose

    Doch es gibt auch ländliche Kommunen, die vorsorgen. In Fischach (Landkreis Augsburg) hält die Gemeinde zwei Wohnungen für Obdachlose bereit. Vor einigen Monaten standen in der 4600-Einwohner-Gemeinde gleich vier Menschen – unabhängig voneinander – ohne Wohnung da. Bürgermeister Peter Ziegelmeier hat das Gefühl, dass immer mehr Menschen auf dem Land von Obdachlosigkeit bedroht sind. Erst vor einigen Wochen hat die Gemeinde die zweite Wohnung hergerichtet. Ziegelmeier: "Das muss man sich auch leisten können." Auf Container muss man in Fischach nicht ausweichen.

    Die haben in der Vergangenheit auch Gerichte beschäftigt. Insgesamt drei Wohncontainer stellte der Markt Mering (Landkreis Aichach-Friedberg) vor Jahren bereit, um Obdachlose unterzubringen. Doch das Gericht sah die Unterkunft als nicht geeignet an, um darin Kinder einzuquartieren. Ein alleinerziehender Vater hatte geklagt. Ebenso wie jüngst ein Obdachloser in Augsburg. Er wollte in einem Wohnheim in Augsburg leben, durfte aber laut Bescheid der Stadt nicht. Hintergrund: Der Mann kam frisch aus dem Gefängnis. Vor seiner Haftstrafe hielt er sich offenbar im Unterallgäu auf. Die Frage war also: Welche Gemeinde ist zuständig? Letztlich bekam der Mann vor Gericht recht.

    Schicken kleine Kommunen Obdachlose in die Stadt?

    Entscheidend dafür, wer sich um Obdachlose kümmern muss, ist nicht, wo sie gemeldet sind, erklärt Wilfried Schober: "Es geht darum, wo sich der Betroffene aufhält." Das hat Folgen. Im Fall des Augsburger Obdachlosen ließ die Stadt durchklingen, dass kleinere Kommunen diese Regel ausnutzen. Sie wälzten das Problem der Obdachlosigkeit auf die Großstädte ab. "Ein Dilemma", meint Schober. Er berichtet von einem Fall aus dem Münchener Umland. Eine kleine Kommune habe Obdachlosen vor Jahren ein Bahnticket in die Stadt in die Hand gedrückt. Fall erledigt. "Das ist schäbig und nicht in Ordnung", sagt Schober. Hinter vorgehaltener Hand erzählen Bürgermeister: Schafft eine Kommune Platz für Obdachlose, hat sie plötzlich auch welche.

    Für Franziska Schuster jedenfalls ist die Situation im Container nach sieben Monaten nicht mehr auszuhalten. Noch vor dem kalten Winter will sie raus aus der bedrückenden Enge. Für ihren Sohn. Hoffnungen machen ihr die neuen Angebote, die nach dem Erscheinen ihrer Geschichte in der Augsburger Allgemeinen auf dem Tisch liegen. Glauben will sie das aber erst, wenn der Mietvertrag unterschrieben ist.

    • Lesen Sie dazu auch den Kommentar: Container in Emersacker: Das ist ein Armutszeugnis
       
    • Mehr Hintergründe zur Geschichte der Frau im Container lesen Sie hier: Wohnungs-Not: Kommen Mutter und Sohn (7) raus aus ihrem Container?

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