Ein Radiostudio stellt man sich als Laie eigentlich etwa so vor: Große Mikrofone schweben im Raum, mehrere Computerbildschirme flimmern vor dem Moderator, überall blinken Lämpchen, Knöpfe und Regler. Das Funkbüro Reischenau zeigt: Es kann auch ganz anders aussehen. Anna Klein, Johannes Geltl und Moritz Jelting sitzen an ihrem ersten Sendungstag – dem Tag der Eröffnung der Sommerbühne im Rathausgarten – in einem ausrangierten Transportfahrzeug der Feuerwehr. Ein paar Kabel sind zu sehen, Mikrofone und Laptops stehen auf dem kleinen Tisch in der Mitte.
Zum Start der Sendung spielt der eigens produzierte Jingle des Funkbüros Reischenau. Danach begrüßt Moritz Jelting die Zuhörer: „Es ist 18:01 Uhr hier im wunderschönen Dinkelscherben und ihr seid live dabei beim Spatenstich, beim der Weltpremiere, beim Sendestart des Funkbüro Reischenau.“ Anna Klein und Johannes Geltl jubeln kurz ins Mikrofon und allen drei ist die Freude darüber anzumerken, dass es endlich losgeht.
Wie startet man einen Radiosender im Internet?
Die drei Freunde mit Wurzeln in Dinkelscherben und Umgebung haben in kurzer Zeit viel Arbeit in das Projekt gesteckt. Eine anstrengende Zeit, obwohl sie viel nützliche Vorerfahrung mitbringen: Anna Klein arbeitet beim bayerischen Rundfunk, Johannes Geltl ist Musiker und steht regelmäßig auf der Bühne und Moritz Jelting engagiert sich bei einem freien Radio in Innsbruck, wo er studiert hat.
Die Idee zum Projekt „Funkbüro Reischenau“ reifte in der Pandemie. Das Dinkel-Festival sei immer eine Art „Bezugspunkt zur Heimat“ gewesen, erklärt Moritz Jelting: „Dass es im vergangenen Jahr nicht stattfinden konnte, habe ich gespürt.“ Daraus entwickelte sich zuerst die Idee, selbst Konzerte zu veranstalten und diese im Radio zu übertragen. Anfänglich sollte das Funkbüro auch tatsächlich auf UKW senden, allerdings wäre es zu teuer geworden, eine Radiofrequenz zu nutzen.
Mehr als nur die Übertragung der Konzerte im Programm
Hinzu kam, dass sich die Funkbüro Gründer nicht auf die Übertragung der Konzerte und das Einspielen einiger Lieder beschränken wollten. Am Tag der Premiere interviewen sie zum Beispiel die Organisatoren des Festivals und die Bands und sammeln Stimmen im Publikum – professionelles Radio eben. Zum Konzept gehört auch die „Frequenzübernahme“. Dinkelscherberinnen und Dinkelscherber dürfen unter Anleitung der Profis selbst ans Mikrofon, Themen setzten, ganze Sendungen konzipieren, moderieren und selbst gewählte Musikstücke spielen. „Es ging uns auch darum, nach der Pandemie wieder eine Plattform für die Öffentlichkeit zu schaffen“, erklärt Anna Klein. Außerdem wird es einen Workshop mit Schülerinnen und Schülern der Mitteschule geben.
Bisher haben sich schon einige Dinkelscherberinnen und Dinkelscherber ans Mikrofon getraut. Beispielsweise stellten Vertreter des Lebenskreis ihre Arbeit vor, Mitglieder der Wasserwacht übernahmen eine Sendung und ein Team hat direkt seinen eigenen Sendungsnamen bekommen: „Die Fischer-Mennes-Töchter-Show“.
Mittlerweile 290 Zuhörer erreicht
Moritz Jeltings persönliches Highlight im Zusammenhang mit dem „Funkbüro Reischenau“ sind eben diese Frequenzübernahmen. Nur als Beispiel hebt er den vergangenen Samstag hervor, an dem das Programm auf der Bühne leider ausfallen musste, aber das Funkbüro weiter sendete. Jelting ist noch immer begeistert von „diesem Moment, als vier Leute ohne Vorerfahrung im Bus saßen, insgesamt fast vier Stunden Sendung gemacht haben, großen Spaß hatten und sich in der letzten Stunde in jeder Pause abgeklatscht haben.“
Er freut sich, dass die Menschen ihre Berührungsängste mit dem Medium Radio und der Technik so schnell verlieren. Auch mit den Klickzahlen ist Jelting zufrieden. Das „Funkbüro Reischenau“ habe mittlerweile 290 Zuhörer erreicht, die im Schnitt eine halbe Stunden live zugehört hätten. Diese Zahlen wirken noch besser, wenn man sich vor Augen führt, dass zu Anfang der Veranstaltungsreihe nur 250 Menschen auf das Gelände durften.
Anna Klein hat bereits zwei Highlights erlebt: Besonders gut fand sie den Thema psychische Gesundheit, das der Lebenskreis Dinkelscherben ins Funkbüro mitbrachte. Außerdem freue sie sich auf die zweite Sendung von Franzi Fischer, die das Thema Brustkrebs ansprechen will. Johannes Geltl hebt die erste Sendung des „Funkbüros Reischenau“ hervor: „Es war toll, dass wir nach der langen Vorbereitung endlich aktiv werden konnten.“ Radio ist für ihn eine neue Erfahrung. „Mit meinem Eppishofer Dialekt bin ich dafür eigentlich nicht prädestiniert“, scherzt der Musiker.
Info Das „Funkbüro Reischenau“ sendet an den Tagen, an denen auf der Sommerbühne im Rathausgarten Programm ist. Zuschalten kann man sich online auf der Website der Veranstaltungsreihe. Außerdem gibt es dort und auf Spotify oder anderen gängigen Plattformen, die Moderationen und Beiträge als Podcasts zum Nachhören.