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Dinkelscherben: Ein alter Mann, die große Liebe und viel Staub

Dinkelscherben

Ein alter Mann, die große Liebe und viel Staub

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    In einer Ecke hinter der Bar liegen noch Schallplatten aus früheren Zeiten.
    In einer Ecke hinter der Bar liegen noch Schallplatten aus früheren Zeiten. Foto: Marcus Merk

    Als ob die Zeit stehen geblieben wäre: In der gelb gekachelten Kühlung des Tanztempels liegt ein Stapel Singles. Irgendjemand hat sie vergessen. Würde der DJ behutsam das Vinyl vom Staub befreien und auf den Plattenteller legen, dann wäre jetzt „Mary Lou“ von Tommy Amper zu hören. Und ab geht die Post. In Gedanken wenigstens. Denn im „Old Man“ neben dem Dinkelscherber Bahnhof sind die Lichter schon vor Jahren ausgegangen. Jetzt wird das Gebäude entkernt. Das ist der Abschied vom „Ehe-Anbahnungs-Institut“, wie der Ort der ersten großen Liebe immer wieder genannt wird.

    Vermutlich hätte Dinkelscherben heute deutlich weniger Einwohner, hätte es das „Old Man“ nicht gegeben. Das sagt einer, der es wissen muss: Bürgermeister Edgar Kalb. Er hatte seine Frau Angelika auch in der Diskothek näher kennengelernt. Damals in den 1970-Jahren, als es sonntags noch den Tanztee gab und Schlaghose, Blumendekor-Hemden und Dauerwelle angesagt waren. Später mussten es dann das weiße T-Shirt, die Jeans und die Lederjacke sein. Und wuschige Haarschnitte, wie sie Chartbreaker Tommy Amper trug: Hinten lang und lockig, vorne kurz.

    Wer damals im „Oldy“ einen Sitzplatz wollte, musste früh dran sein. Der Andrang war an Wochenenden so groß, dass es meistens in der kompletten Bahnhofstraße keinen freien Parkplatz mehr gab. Wer das Autoproblem gelöst hatte, bahnte sich seinen Weg in den Tanztempel – durch den langen dunklen Gang zum Kassenfenster, durch das es dann den obligatorischen Stempel auf die Handoberfläche gab. Zum Beispiel Walt Disneys Hundedame Susi. Der kleine blaue Stempel liegt im Dreck, der heute das Bild des früheren Gaststättensaals prägt.

    Nach dem Krieg wurden dort Hochzeiten und Taufen gefeiert. Auch die Faschingsbälle waren weit über die Grenzen der Marktgemeinde bekannt. Auch Kino gab es. Meistens am Sonntag. „Am Nachmittag ging’s mit Wild-West-Filmen los“, erinnert sich Rudolf Stöhr. Später gab es Heimatgefühle. Dann flimmerte etwa der „Förster vom Silberwand“ durch den 22 Meter langen und rund zehn Meter breiten Saal, der für das Ereignis aufgestuhlt werden musste. Stöhr bediente eine Zeitlang selbst die Vorführmaschine, die noch mit Lichtbogen funktionierte. Im entkernten Saal erinnern noch die quadratischen Löcher hoch oben in der Wand an Dinkelscherbens Kino. Dahinter befand sich der Vorführraum, der nur über eine schmale Betontreppe an der Außenwand zu erreichen war. Noch heute hängen die alte Kinoplakate an der Wand. „Es war eine schöne Zeit“, sagt Rudolf Stöhr. Gemeint ist auch die Disko-Ära, die der Maschinenbaustudent damals einläutete.

    Er gründete mit Freunden den „Snails Club“. Für den guten Klang im ehemaligen Tanzsaal, den der Onkel von Stöhr mietfrei den jungen Wilden überlassen hatte, sorgten handbemalte Eierkartons, die an die Wände genagelt wurden. Aus dem Schnecken-Club wurde später das „Old Man“, das wie das „Vanessa“ in Ziemetshausen, das „Casino“ in Horgau und das „Marco Polo“ in Langenneufnach Partywütige aus der ganzen Region anzog. Vom „Ehe-Anbahnungs-Institut“ geblieben ist nur viel Schutt, Schrott und viel Staub.

    20 Container wurden in den vergangenen Tagen aus dem Haus gebracht. Es werden wohl noch mehr. Die Marktgemeinde, die das Areal für rund 450.000 Euro gekauft hat, erhofft sich nach der Aktion ein klares Bild von der Bausubstanz. Lohnt es sich, das alte Gemäuer zu erhalten? Muss ein Teil abgerissen werden? Oder muss die Abrissbirne ganze Arbeit leisten? Um diese Fragen wird es gehen, wenn sich die Marktgemeinde mit der Entwicklung des Areals befasst. Drei Szenarien hat ein Planungsbüro für das rund 10.000 Quadratmeter große Maischberger-Areal entwickelt.

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