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Gersthofen: Das Ende der Schreinerei Steiner: Ein letztes Feierabendbier vor dem Abriss

Gersthofen

Das Ende der Schreinerei Steiner: Ein letztes Feierabendbier vor dem Abriss

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    Adolf Haindl (links) und Ulrich Kapfer trinken ein letztes Mal ihr Feierabendbier in der alten Schreinerei in der Schulstraße in Gersthofen. Denn Ende August wird das Gebäude abgerissen.
    Adolf Haindl (links) und Ulrich Kapfer trinken ein letztes Mal ihr Feierabendbier in der alten Schreinerei in der Schulstraße in Gersthofen. Denn Ende August wird das Gebäude abgerissen. Foto: Diana Zapf-Deniz

    In einer alten Schreinerei in Gersthofen in der Schulstraße sitzen zwei Männer ein letztes Mal und stoßen auf ihre gemeinsame Zeit an. Es sind Ulrich Kapfer und Adolf Haindl. Beide wurden 1934 geboren. Die Erinnerungen der beiden reichen bis in die gemeinsame Kindergartenzeit auf dem früheren Viehmarktgelände neben dem Wasserturm zurück. In diese Zeit fällt der Ausbruch des Zweiten Weltkriegs. Bei Kriegsende sind sie elf Jahre alt und besuchen die Pestalozzi-Volksschule – einen Steinwurf von dem Ort entfernt, wo sie gerade sitzen.

    „35 Buben waren wir in der Klasse, und in der Parallelklasse waren etwa genauso viele Mädchen“, weiß Haindl noch gut. Aus dieser Klasse seien etwa sieben Schreiner hervorgegangen. Kapfer und Haindl gehören dazu. Weder das Alter noch die schweren Zeiten, die sie durchmachen mussten, merkt man ihnen an. Ihre Fröhlichkeit und Zufriedenheit sind ansteckend. In der einstigen Bau- und Möbelschreinerei Steiner in der Schulstraße haben sich ihre Wege immer wieder gekreuzt. Nun muss die Schwiegertochter des längst verstorbenen Schreinermeisters Georg Steiner, Patricia Steiner, die Traditionsschreinerei Ende August abreißen lassen. Für sie kein leichter Schritt. „Ich habe jemanden gefunden, der all die alten Maschinen übernimmt“, ist sie froh. Es stehen zum Teil noch uralte Maschinen wie die Bandsäge oder eine Ständerbohrmaschine in dem Gebäude im Hinterhof.

    Die beiden Freunde kennen die uralten Geräte in- und auswendig.
    Die beiden Freunde kennen die uralten Geräte in- und auswendig. Foto: Zapf-Deniz

    Patricia Steiner kennt jeden Winkel in der Schreinerei und hebt zwei Bretter aus dem Boden. „Schauen Sie mal, was hier noch ist. Das sind Transmissionskanäle und da hinten steht der Motor dazu.“ Der Motor wurde mit Diesel befüllt und die Maschinen damit betrieben. „Mei, und hier steht noch der alte Sägemehlofen“, ruft Kapfer und schlägt die Hände lachend über dem Kopf zusammen. „Den mussten wir immer anheizen in der Früh.“ Haindl war in der gegenüberliegenden Schreinerei Pfaffenzeller in der Lehre: „Die war dort, wo das heutige Loch ist.“ An ihre Lehrzeit erinnern sie sich noch gut: „Die 48-Stunden-Woche galt damals. Für die Lehrlinge waren es einige Stunden mehr. Bei niedrigen Temperaturen mussten wir eine halbe Stunde früher da sein, um den Ofen anzuheizen. Und nach Feierabend war es unsere Arbeit, dass wir die Werkstatt sauber aufräumten.“

    Die Späße unter Schreinern waren früher rauer

    Die allererste Arbeit, die Haindl damals bei seinem Meister bekam, sollte ihm für immer im Gedächtnis bleiben. „Es wurde Glaswolle geliefert, und ich sollte sie in den Dachboden rauftragen. Das habe ich gemacht, und die Gesellen haben gelacht.“ Der ganze Körper juckte übel davon. „Nach Dienstschluss wusste ich mir nicht anders zu helfen und habe mich in den Lech gelegt. Die Späße waren damals rauer als heute“, kann er darüber lachen.

    „Oh ja“, stimmt Kapfer mit ein. „Wir haben öfter mal eine Schelle von den Gesellen bekommen.“ Kapfers Gesellenstück war ein Nachtkästchen und durfte nicht zu aufwendig sein. „Das reicht schon“, schaffte Meister Steiner an und fuhr fort: „Sonst fehlst du mir zu lange für die Arbeit.“ Der Monatslohn war kurz nach der Währungsreform im ersten Lehrjahr 25 Deutsche Mark, im zweiten 35 DM und im dritten 45 DM.

    Patricia Steiner lobt Kapfer, der von 1955 bis 1975 bei ihrem Schwiegervater und später bei ihrem im letzten Jahr verstorbenen Ehemann, Hermann Steiner, der 1974 die Schreinerei von seinem Vater übernommen hatte, gearbeitet hat: „Wir haben viel Lob für deine Arbeiten bekommen.“ Haindl, der 1965 von Gersthofen nach Au bei Rehling gezogen ist, bestätigt: „Der Ulli ist ein gottbegnadeter Handwerker und hätte ein erstklassiger Meister werden können. Ich war nie so gut wie er.“ Aber Kapfer war stets zufrieden als Geselle. Von 1975 bis zur Rente 1996 war er der Hausmeister im Rathaus Gersthofen. In dieser Zeit hat er in der Schreinerei immer ausgeholfen, und auch Haindl war stets zur Stelle, wenn Not am Mann war.

    Schreinerei in Gersthofen: Es kommen nostalgische Gefühle hoch

    Kapfer sitzt gemütlich auf einem großen Tisch in der Schreinerei, den er vor noch gar nicht allzu langer Zeit selbst gemacht hat. Haindl hat es sich auf einem Stuhl bequem gemacht. Sie lassen ihre Blicke beinahe andächtig durch die alte Werkstatt schweifen. „Ich bekomme hier immer nostalgische Gefühle“, gibt Haindl zu, der bis 1960 als Geselle hier war und dann wegging und Bauingenieur studierte. Heute hat er fünf Kinder, 15 Enkel und 15 Urenkel. Kapfer wohnt nach wie vor in der Ballonstadt, hat zwei Kinder und zwei Enkel: „Ich hätte nie gedacht, dass ich meine Rentenzeit so lange genießen darf.“

    Nach dem Gespräch sitzen die zwei munteren Herren noch eine Weile in der Werkstatt. Sie stoßen zum Abschied mit einem lachenden und einem weinenden Auge auf die gemeinsame Zeit und ihre immerwährende Freundschaft mit einem letzten Feierabendbier an.

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