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Bonstetten/Landkreis Augsburg: Freunde gefunden – aber für wie lange?

Bonstetten/Landkreis Augsburg

Freunde gefunden – aber für wie lange?

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    Würden am liebsten auch in den Ferien in die Schule gehen, um lernen tz dürfen: Samir Nurestani, Fabian Asslani, Elham Rezaie und Hadia Nurestani (von links)
    Würden am liebsten auch in den Ferien in die Schule gehen, um lernen tz dürfen: Samir Nurestani, Fabian Asslani, Elham Rezaie und Hadia Nurestani (von links) Foto: Rebecca Stegmann

    An dem schlichten Holztisch in der Küche der Bonstetter Asylbewerberunterkunft sitzen drei Buben und drei Mädchen. Sie kommen aus drei verschiedenen Ländern, sprechen Kurdisch, Albanisch und Dari. Miteinander reden sie deutsch, manchmal dolmetschen sie für ihre Eltern, die einander nicht immer verstehen. Es sind wohl die einzigen Kinder im Ort, die sich nicht auf die Sommerferien freuen. Weil sie gerne lernen. Und weil vier von ihnen nicht wissen, ob sie im September überhaupt noch in Deutschland zur Schule gehen dürfen.

    Vor zwei Wochen hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel bei einer Gesprächsrunde mit Schülern vor laufender Kamera einem weinenden Flüchtlingsmädchen erklärt, dass es womöglich nicht weiter in Deutschland bleiben könne. „Das ist manchmal auch hart – Politik“, sagte Merkel. Nächstes Schuljahr werden nach dem jetzigen Stand etwa 65 Asylbewerberkinder die Grund- und Mittelschulen im Landkreis besuchen. Auch sie kann diese „Härte der

    Ab drei Monaten nach der Einreise besteht Schulpflicht für Asylbewerberkinder in Bayern. Bis endgültig über die Anträge entschieden wird und eventuell der Bescheid zur Abschiebung kommt, haben die Kinder meist schon Deutsch gelernt, Freunde gefunden und Pläne für eine Zukunft in Deutschland geschmiedet.

    Elham ist elf und kommt aus dem Iran. Sie und der zehnjährige Fabian aus dem Kosovo gehen zur Grundschule Adelsried. Fabians Schwester geht noch in den Kindergarten, sein Bruder Florian besucht die Schule in Welden – wie die 15-jährige Afghanin Hadia und ihr kleiner Bruder Samir. Sie sind die einzigen zwei der sechs Kinder, die bislang wissen, dass sie in Deutschland bleiben dürfen.

    Man hört den Ärger in Hadias Stimme, wenn sie im flüssigen Deutsch über die Zustände in ihrem Herkunftsland spricht. „In Afghanistan war ich nur Zuhause und in der Moschee. Ich durfte nicht zur Schule gehen, Gitarre lernen oder draußen spielen.“ Es hat ein Jahr gedauert, bis feststand, dass ihre Familie bleiben darf. Für Fabian, Florian und ihre kleine Schwester Leontina, die nächstes Jahr eingeschult werden soll, sieht es hingegen nicht so gut aus. Nur 0,2 Prozent der Asylanträge von Kosovaren werden aktuell in Deutschland bewilligt. Im September läuft die jetzige Aufenthaltsgenehmigung der Familie ab. Elham und ihre Eltern wissen nach neun Monaten in Bonstetten ebenfalls noch nicht, ob sie bleiben dürfen.

    Alle Kinder radeln gerne durch den Ort und besuchen oft ihre deutschen Freunde. Die kleinen kichern und albern herum. Ihr Zuhause vermissen sie nicht. Aufgeregt erzählen sie von der Fahrradprüfung in der Schule, dem Sporttag und dem Schullandheim. Sie zeigen ihre Spiderman- und Hannah-Montana- Schulränzen. Nur der erste Tag in der Schule sei nicht gut gewesen, meinen die Buben und Mädchen. Sie konnten sich nicht mit ihren Mitschülern verständigen. „Aber nach einer Woche ging das dann schon“, sagt Florian. In Welden brachte Lehrerin Monika Wörle den Kindern in Extra-Stunden Deutsch bei. Für Hadia, Samir und Elham war sogar das Alphabet neu.

    Zurzeit gibt es 1416 Asylbewerber im Landkreis, davon 254 Minderjährige. In diesem Jahr gab es bislang fünf Abschiebungen, darunter ein Kind, das mit seiner Familie wieder ausreisen musste. 31 Menschen reisten freiwillig aus, nachdem ihr Asylantrag abgelehnt wurde. In ganz Bayern wurden im vergangenen Jahr 107 Kinder und Jugendliche mit ihren Familien abgeschoben. 18 von ihnen wurden in andere EU-Länder geschickt, 89 zurück in ihre Herkunftsländer.

    Hadia erzählt, dass ihre Familie flüchtete, als ihr Vater es ablehnte, für die Taliban zu arbeiten. Ihre 13-jährige Schwester und ihr siebenjähriger Bruder wurden vor über einem Jahr auf der Flucht vom Rest der Familie getrennt. Das war in der Türkei. „Wir wissen erst seit ein paar Monaten, dass sie jetzt im Iran sind.“ Der 15-Jährigen stehen Tränen in den Augen. Ihre Geschwister dürfen nach Deutschland nachkommen. Dort wollen sie bleiben und weiter lernen.

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