Ein schöner, entspannter Skikurs war es, den die DJK Leitershofen vor wenigen Tagen in Berwang am Thaneller Hang erlebt hat. Karin Zimmermann war zwei Tage dabei, sie ist Skilehrerin in dem Verein. Sie war auch genau ein Jahr zuvor mit einer Gruppe von Kindern in dem Skigebiet. Damals wurden die Leitershofer von einer Lawine verschüttet.
Jetzt steht fest: Bei der Beurteilung der Lawinengefahr an jenem 3. Februar 2019 sind von der Lawinenkommission Fehler gemacht worden. Solch einer Kommission gehören Experten an, die sich mit Schnee und den Besonderheiten vor Ort gut auskennen. Drei Österreicher wurden dafür nun von der Staatsanwaltschaft in Innsbruck zur Rechenschaft gezogen.
Lawinenabgang in Berwang: Eine gesteuerte Sprengung unterblieb
Bereits am Tag nach dem Unglück erklärten die Bergbahnen Berwang: „Viele unglückliche Umstände haben leider zu diesem Ereignis geführt.“ Bei der Beurteilung am Morgen sei die Neuschneemenge so gering gewesen, dass es keinen Anlass für Bedenken gegeben habe – und daher auch keine Sprengung. Die gesteuerte Sprengung von Schneemassen, die eventuell zu einer Lawine werden konnten, unterblieb an diesem Tag. Tatsächlich war die Lage aber gefährlicher, als sie sich zunächst darstellte. Während im Tal kaum Wind zu spüren war, stürmte es in großer Höhe. Dennoch wurde die Piste frei gegeben.
Vier Tage dauert der große Skikurs der DJK jedes Jahr. Am 3. Februar 2019 wurde gegen 13.30 Uhr gerade ein Kinderskirennen ausgetragen, als Tonnen von Schnee ins Tal stürzten – und elf Menschen mit sich rissen. Zehn Menschen wurden teilweise verschüttet, einer vollkommen. Am Schluss konnten sich aber alle selbst befreien, verletzt wurde körperlich niemand.
Skikurs aus Leitershofen in Berwang von Lawine weggerissen
Karin Zimmermann wartete damals gerade auf das letzte Kind ihrer Gruppe beim Kinderskirennen. Dann schrie jemand und nur einen Augenblick später wurde sie, die sich gerade noch schützend um ein Mädchen beugen konnte, von den Schneemassen weggerissen. Sie konnte sich selbst befreien und half dem Kind. Bange Minuten später stand fest, dass niemandem aus der Gruppe etwas passiert war. Beeindruckt zeigte sie sich damals, welche Kraft auch eine relativ kleine Lawine haben kann. Auch in diesem Jahr fand der Skikurs des Vereins wieder am selben Hang statt.
Das sei kein Problem, findet die Skilehrerin. „Wir bewegen uns schließlich in der freien Natur“, sagt sie. Dazu gehört, sich des Risikos bewusst zu sein. Allerdings: In Österreich wird alles dafür getan, die Gefahren so gering wie möglich zu halten. Die Pisten um Berwang sind touristisch hoch erschlossen, Sicherheit steht dabei ganz oben. Jeden Tag entscheidet die Lawinenkommission, ob die Piste nach aktueller Lage geöffnet werden darf. Anscheinend wurde an diesem Tag falsch entschieden. In einem sogenannten Diversionsverfahren wurde drei Mitgliedern nun eine zweijährige Probezeit auferlegt.
Vorgeworfen wurde den Dreien eine fahrlässige Gemeingefährdung
Zu einer Diversion kommt es, wenn einerseits ein Sachverhalt hinreichend geklärt ist, die Staatsanwaltschaft aber zunächst auf eine Anklageerhebung verzichtet, erläutert der stellvertretende Pressesprecher der Staatsanwaltschaft Innsbruck, Thomas Willam. Vorgeworfen wurde den Dreien eine fahrlässige Gemeingefährdung, in Österreich ein Straftatbestand. Während der Probezeit dürfen sich die drei Beschuldigten nichts anderes mehr zu Schulden kommen lassen, ansonsten könnten sie tatsächlich noch angeklagt werden. Bei einem Diversionsverfahren gehe man aber zumeist davon aus, dass die Beschuldigten einsichtig seien und die Tat nicht wiederholen werde. Zudem könnten Geldauflagen oder das Ableisten von Stunden sozialer Arbeit die Diversion begleiten, erläutert Willam weiter.
Was in Berwang aber noch hinzukommt: Der Thaneller ist ein Problemberg – Lawinen gibt es dort häufig. Neu zugelassen würde heute etwa die Bergstation des Thanellerkarlifts an dieser Stelle nicht mehr, sie genießt aber Bestandsschutz. Die Bergbahnen Berwang planen deshalb für die kommenden Jahre bis 2025 größere Umbauarbeiten. Mit dem ersten Bauabschnitt einer neuen Zehnergondel ist im vergangenen Sommer bereits begonnen worden, im Dezember 2019 wurde sie bereits eingeweiht. Karin Zimmermann will weiter Skikurse leiten – so ähnlich wie der Reitschüler, der nach einem Sturz gleich wieder aufs Pferd steigen soll, um den Schreck zu überwinden. Und doch: „Wir jeder für sich das verarbeitet, das ist ein eigenes Thema“, sagt die Skilehrerin.
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