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Augsburg: Baby kommt aus Geburtsklinik direkt in Pflegefamilie

Augsburg

Baby kommt aus Geburtsklinik direkt in Pflegefamilie

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    In einem Fall in Augsburg kam ein neugeborenes Mädchen jetzt direkt aus der Geburtsklinik nicht zur Mutter, sondern zu einer Pflegefamilie. So etwas passiert nur äußerst selten.
    In einem Fall in Augsburg kam ein neugeborenes Mädchen jetzt direkt aus der Geburtsklinik nicht zur Mutter, sondern zu einer Pflegefamilie. So etwas passiert nur äußerst selten. Foto: Stefan Sauer, dpa

    So einen Fall gibt es äußerst selten: Direkt aus der Geburtsklinik in Augsburg heraus mussten junge Eltern diese Woche ihre wenige Tage alte Tochter auf Beschluss des Familiengerichts am Amtsgericht

    Die junge Mutter weiß schon seit ein paar Monaten, dass ihre kleine Tochter nicht bei ihr aufwachsen wird. So wie ihr Sohn, der gerade ins Kindergartenalter hineinwächst. Genau wie er soll auch das neugeborene Mädchen in einer Pflegefamilie aufwachsen, hat das zuständige Familiengericht noch vor der Geburt bestimmt.

    Der Vater versteht die Entscheidung nicht

    Doch als das Kind am vergangenen Samstag auf die Welt kommt, möchten sie und ihr Mann dem Beschluss nicht mehr folgen. „Ich verstehe nicht, warum unsere Tochter nicht bei uns leben darf“, sagt der Vater im Gespräch mit der Augsburger Allgemeinen. Es ist sein erstes Kind, seine Frau, mit der er erst seit wenigen Wochen verheiratet ist, ist zu ihm und den Eltern gezogen. Diese wollten den beiden mit dem Neugeborenen helfen.

    Doch so weit wird es nun nicht kommen. Am Mittwoch wurde der Säugling aus der Geburtsklinik heraus an eine Pflegefamilie gegeben. Erst im letzten Moment haben die Eltern dem zugestimmt. Im Raum stand da bereits, dass die Polizei das Jugendamt bei der Inobhutnahme des Kindes unterstützen sollte. Bis zu diesem Moment habe ihre Mandatin ihre Tochter noch gestillt, berichtet die Anwältin der Familie.

    Das Jugendamt bietet vielfältige Hilfe an

    Der Landkreis Augsburg hat in den vergangenen Jahren ein Netz der sogenannten Frühen Hilfen aufgebaut. Es unterstützt Eltern in schwierigen Lebenssituationen bis zur Einschulung der Kinder unter anderem durch die Begleitung mit Familienhebammen bei der Bewältigung der Erziehungsarbeit. Für junge Mütter und ihre Kinder gibt es auch stationäre Angebote, in denen die kleine Familie rund um die Uhr unterstützt wird. Der erste Weg ist üblicherweise, dass zunächst mindestens eine solche Maßnahme versucht wird, bevor ein Familiengericht die Entscheidung trifft, dass ein Kind in einer Pflegefamilie besser aufgehoben ist.

    Diese Entscheidung stand hier jedoch am Anfang. In einem psychologischen Gutachten wird der Mutter bescheinigt, nicht bindungs- und erziehungsfähig zu sein, berichtet die Anwältin der Familie. Dabei gründe das Gutachten vor allem auf dem Verhältnis der Frau zu ihrem ersten Kind, das einen anderen Vater hat. Trotz stationärer Unterstützung der beiden kam der Junge in eine Erziehungsstelle, das ist eine speziell ausgebildete Pflegefamilie. Eine Ergänzungspflegerin hat einen Teil des Sorgerechts von der Mutter übernommen.

    Doch liegen die Gutachter richtig? Die Anwältin der Familie bezweifelt das. Sie ließen völlig außer Acht, dass sich ein Mensch entwickeln und verändern könne. „Nur weil das beim ersten Kind nicht geklappt hat, heißt das noch lange nicht, dass es jetzt mit der neuen Familie im Rücken wiederum nicht geht“, sagt sie. Auch die Hebamme der großen Augsburger Geburtsklinik, die die Familie seit der 20. Schwangerschaftswoche begleitet, sieht das so. „So vielen Eltern wird eine zweite Chance gegeben. Und das ist vielleicht die letzte Möglichkeit der Mutter auf ein normales Leben“, so ihre Einschätzung.

    Die Eltern wollen sich gerichtlich gegen die Entscheidung wehren

    Starke Worte wählt die Leiterin des Jugendamts. „So einen Fall habe ich in den 17 Jahren hier im Amt noch nicht erlebt“, sagt Christine Hagen. Sie meint damit: Die Vorgeschichte der Mutter, die Aussagen der Gutachten und auch der Standpunkt des Familiengerichts, das noch vor der Geburt im Dezember ein Verfahren wegen Kindswohlgefährdung eingeleitet hätte, wiesen in eine einzige Richtung: die Übergabe des Mädchens in eine Pflegefamilie. „Wir hatten vorab alles mit der Familie im Beisein der Anwältin besprochen“, erinnert sie. Was sie auch sagt: „Wir sind nur und allein dem Wohl des Kindes verpflichtet.“ Solche Tage jedoch, die gingen allen Mitarbeiterinnen sehr nah und an die Substanz.

    Die Eltern wollen dennoch um ihre Tochter kämpfen. Sie wollen mit rechtlichen Mitteln versuchen, sich gegen die Entscheidung des Familiengerichts zu wehren.

    *Sämtliche Namen sind der Redaktion bekannt.

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