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Aretsried: Erfolgreich und umstritten – die bewegte Geschichte von Müller Milch

Aretsried

Erfolgreich und umstritten – die bewegte Geschichte von Müller Milch

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    Das Betriebsgelände von Müllermilch in Aretsried. 1300 Menschen arbeiten dort. Als Theo Müller die Firma übernahm, waren es vier.
    Das Betriebsgelände von Müllermilch in Aretsried. 1300 Menschen arbeiten dort. Als Theo Müller die Firma übernahm, waren es vier. Foto: Marcus Merk

    Eines lässt sich über Theo Müller, den Chef von Müller Milch aus Aretsried im Landkreis Augsburg, zweifelsfrei sagen: Er ist einer der erfolgreichsten Unternehmer des Landes. Aus einer kleinen Vier-Mann-Molkerei, die Müller 1971 von seinem Vater Alois Müller übernommen hatte, machte er binnen weniger Jahre die vielleicht bekannteste Molkerei Deutschlands, vielleicht sogar Europas. Wie? Durch Werbung mit Stars (Boris Becker, Harald Juhnke und Dieter Bohlen), kluges Marketing und Produktvielfalt. Müller verkauft nicht einfach Joghurt, er verkauft "den Joghurt mit der Ecke". Er verkauft nicht einfach Milch, er verkauft Müller Milch. Diese Produkte kennt fast jeder. Am 1. Februar 2020 übergibt Müller seinen Posten im Aufsichtsrat an seinen Sohn Stefan Müller. In der Firmen-Geschichte beginnt damit ein neues Kapitel. Der richtige Zeitpunkt, um in den Archiven zu graben.

    Sahneunfall 1989 Zum einen gibt es den sogenannten Sahneunfall 1989. Die Anwohner von Fischach, wozu der Ortsteil Aretsried gehört, werfen Müllers Molkerei vor, Sahne in die Schmutter geleitet zu haben. Dadurch seien zahlreiche Fische gestorben. Das Unternehmen zahlt 100.000 Mark und das Verfahren wird eingestellt.

    Die Produkte von Müller kennt jeder. Die Molkerei macht nicht Milch, sondern Müller Milch.
    Die Produkte von Müller kennt jeder. Die Molkerei macht nicht Milch, sondern Müller Milch. Foto: Karl-Josef Hildenbrand, dpa (Symbol)

    Pfandstreit 1989 Außerdem streitet sich Müller zu der Zeit mit der bayerischen Landesregierung. Wegen einer Pfandverordnung, die 1988 erlassen wurde, müsste die Molkerei eigentlich für zwei Getränke 50 Pfennig Pfand auf jede verkaufte Plastikflasche zurückbehalten. Doch Müller Milch mischt den Getränken zehn Prozent Molke bei. Somit seien es keine Erfrischungsgetränke mehr, sondern "Lebensmittel besonderer Art", argumentiert das Unternehmen. Die Pfandpflicht entfiele. Das bayerische Umweltministerium sieht das anders, die Bundesregierung auch. Und dennoch: Letztlich kommt der Molkerei um das Pfand herum. Der Prozess zieht sich so sehr in die Länge, dass irgendwann der Grüne Punkt eingeführt wird. Der Pfandbetrag fällt weg.

    Grundwasser-Diebstahl 1990 Dann findet der bayerische Grünen-Abgeordnete Raimund Kamm 1991 heraus, dass Müller Milch im Jahr zuvor wohl sehr viel mehr Grundwasser entnommen hat, als vom Landratsamt genehmigt. Das besonders Kritische: Es soll sich um Tiefengrundwasser gehandelt haben. 900.000 bis 1,3 Millionen Kubikmeter statt der genehmigten 600.000 Kubikmeter Wasser soll Müller Milch entnommen haben, wirft Kamm der Molkerei vor. Das Landratsamt Augsburg erlässt einen Bußgeldbescheid gegen das Unternehmen. 375.000 Mark soll Müller Milch bezahlen.

    Lesen Sie dazu auch: Der schwäbische Milch-Patriarch: Das ist der Mensch Theo Müller

    Schwarzbau-Skandal 1991 Doch damit nicht genug, auch der Umweltausschuss des bayerischen Landtags ist kurzzeitig nicht gut auf Müller Milch zu sprechen. Der Grund ist ein Schwarzbau-Skandal. Auf dem Gelände der Firma sollen etliche Werkteile ohne Baugenehmigung gebaut worden sein. Das Augsburger Landratsamt spricht im Dezember 1991 von einem "bayernweit seltenen Fall". Zwischenzeitlich wird sogar ein Baustopp verhängt.

    Versuchte Entführung 1995 Im Juli 1995 wird Theo Müller Opfer von zwei Kriminellen. Sie fingieren eine Polizeikontrolle, stoppen den Unternehmer und wollen ihn entführen. Sie bedrohen Müller mit einer Pistole und einem Elektroschocker, fordern den Unternehmer auf, aus seinem Auto auszusteigen, und schlagen auf ihn ein. Doch Müller wehrt sich vehement und entkommt. Allerdings wird der Unternehmer am Hals und am Nacken verletzt. Später finden die Ermittler eine Erklärung, die Müller hätte verlesen sollen. Sechs Millionen Mark wollten die Entführer erpressen. Sie drohen in dem Schreiben sogar damit, den Molkerei-Chef umzubringen. Verurteilt wird für das Verbrechen niemand. Der mutmaßliche Haupttäter bringt sich um. Einem zweiten Verdächtigen wird zwar der Prozess gemacht. Er wird aber wegen zu weniger Beweise freigesprochen.

    Weil der Firmen-Chef Theo Müller mit der Erbschaftssteuer unzufrieden war, zog er in die Schweiz.
    Weil der Firmen-Chef Theo Müller mit der Erbschaftssteuer unzufrieden war, zog er in die Schweiz. Foto: Fred Schöllhorn

    Umzug in die Schweiz 2003 Wieder in die Schlagzeilen kommt Theo Müller, als er ankündigt in die Schweiz zu ziehen. Der Unternehmer hatte lange Zeit in Aystetten im Landkreis Augsburg gelebt. Doch weil er nicht mit dem deutschen Erbschaftssteuersystem einverstanden ist, kündigt Müller an, in die Schweiz umzuziehen. "Ich werde enteignet", sagt Müller in einem Spiegel-Interview. Als Begründung führt er an: Wollte er sein Unternehmen an seine neun Kinder vererben, müsse er rund 200 Millionen Euro Erbschaftssteuer für 501 Millionen Euro Eigenkapital bezahlen. Also geht Müller und lässt sich in Erlenbach unweit von Zürich nieder. Der Vorsitzende der Deutschen Steuergewerkschaft fordert damals, dass man Steuerflüchtlingen wie Müller die Staatsbürgerschaft entziehen sollte. Auch der damalige Bundeskanzler Gerhard Schröder soll verstimmt gewesen sein. Was viele Menschen verärgert: Für ein Werk im sächsischen Leppersdorf hatte Müller zuvor noch Steuer-Subventionen in dreistelliger Millionenhöhe erhalten.

    Greenpeace-Aktivisten hatten immer wieder gegen Müllermilch mobil gemacht. Sie kritisierten die Verwendung von Gen-Futter für die Milchkühe.
    Greenpeace-Aktivisten hatten immer wieder gegen Müllermilch mobil gemacht. Sie kritisierten die Verwendung von Gen-Futter für die Milchkühe. Foto: Jörg Carstensen, dpa

    Streit mit Greenpeace 2004 Immer wieder protestieren 2004 Greenpeace-Aktivisten vor den Toren von Müller Milch. Sie wollen darauf aufmerksam machen, dass das Unternehmen Milch von Kühen verarbeitet, die mit genetisch verändertem Soja gefüttert wurden. Im Juni 2004 laden sie einen Lastwagen voll Soja vor der Firma ab. Schon damals ärgert sich der Firmen-Chef. Ein halbes Jahr später stehen die Greenpeace-Aktivisten wieder vor dem Unternehmen. Dieses Mal verteilen sie in Nikolauskostümen Joghurt an die Angestellten. Und Theo Müller platzt der Kragen. Nachdem erst der Werkschutz versucht hatte, die Demonstranten zu vertreiben, kommt Müller selbst vor die Werkstore. Dort soll er mehrere Demonstranten geschubst und zwei Fotojournalisten angegriffen haben. Von einem nimmt er die Kamera und wirft sie über den Zaun auf das Firmengelände. Die Staatsanwaltschaft erhebt Anklage, das Verfahren wird im März 2005 eingestellt. Müller soll 45.000 Euro an gemeinnützige Vereine spenden. Doch der Streit mit Greenpeace geht weiter. Müller will den Umwelt-Aktivisten verbieten, seine Milch Gen-Milch zu nennen. Doch 2008 weist der Bundesgerichtshof die Klage von Müller zurück. Die Behauptung sei nicht unwahr und daher vom Grundrecht der Meinungsfreiheit geschützt, urteilt der BGH.

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