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Allmannshofen: Rasender Arzt erhält Haftstrafe nach Unfall auf der B2

Allmannshofen

Rasender Arzt erhält Haftstrafe nach Unfall auf der B2

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    Immer wieder kommt es auf der B2 zu Unfällen durch Raserei.
    Immer wieder kommt es auf der B2 zu Unfällen durch Raserei. Foto: Marcus Merk (Symbolfoto)

    Am Ende wählte der Angeklagte „das kleinere Übel“: eine Haftstrafe von elf Monaten auf Bewährung, 16 Monate Führerscheinsperre und 9000 Euro Geldbuße. Und der Arzt aus Nürnberg gestand damit ein: Er trägt die Schuld an einem schweren Unfall auf der Bundesstraße 2 auf Höhe von Allmannshofen.

    Der 37-Jährige hatte bereits einen Strafbefehl in derartigem Umfang erhalten, dagegen aber Einspruch eingelegt. Erst als sich jetzt bei der Verhandlung vor Amtsrichterin Susanne Scheiwiller vor dem Augsburger Amtsgericht abzeichnete, dass er wohl nicht mit einem Freispruch und ohne weitere Führerscheinsperre davonkommen werde, nahmen der Arzt und sein Verteidiger Thilo Kapfer ihren Einspruch zurück.

    Am Golf-Cabrio des Opfers entstand laut Angaben der Polizei wirtschaftlicher Totalschaden in Höhe von 4000 Euro.
    Am Golf-Cabrio des Opfers entstand laut Angaben der Polizei wirtschaftlicher Totalschaden in Höhe von 4000 Euro. Foto: Martin Wiemann, BGB Movie Produc

    Opfer leidet bis heute an Unfallfolgen und musste Laufen wieder lernen

    Als dritter Zeuge in dem Prozess ist der Geschädigte des Unfalls an der Reihe. Ein „Trumm Mannsbild“ öffnet die Türe zum Verhandlungssaal - und hangelt sich hinkend von der Klinke zur Stuhllehne, um schwer in den Zeugenstuhl zu fallen. Fünf Wochen nach dem Unfall setze seine Erinnerung wieder ein, sagt der Mann mit schwacher Stimme, während man ihm in der Reha im Allgäu das Laufen wieder beigebracht habe. Vom Unfallgeschehen selbst wisse er „null“. Seit Ende Mai versuche er jetzt, mit kleinen Schritten wieder ins Berufsleben einzusteigen. Er hoffe, dass seine Kraft dafür reiche, so der 52-jährige (ehemalige) Gutachter aus Augsburg.

    Es war am 23. Juli 2019 gegen 8.15 Uhr auf der Bundesstraße 2 auf Höhe von Allmannshofen in Fahrtrichtung Donauwörth: Im Berufsverkehr war der Geschädigte mit seinem blauen Golf Cabrio unterwegs zur Arbeit. Mit ungefähr 100 Stundenkilometern überholte er einen Lkw, als von hinten mit hohem Tempo der Angeklagte mit seinem roten, 200 PS starken VW Polo GTI herannahte.

    Unfall auf B2 bei Allmannshofen: Rasender Arzt sieht keine Schuld bei sich

    Mehrere Zeugen und ein Verkehrsgutachter beschreiben ihn in dem Prozess als rücksichtslosen Raser – was der weit von sich weist. Als Arzt sei seine Berufung Menschen zu heilen. Er sehe für sich keine Schuld an dem Unfall. Nach Schilderung des Angeklagten habe er den blauen Golf erst überholt, als dieser auf dem Weg auf die rechte Spur war und er meinte, problemlos passieren zu können.

    Prahlerei, Arroganz und Stress: Was bei Rasern im Kopf vorgeht

    Claus Burmann aus Augsburg ist Therapeut mit Schwerpunkt für verkehrspsychologische Beratung. Er hat oft mit serienmäßigen Rasern zu tun, etwa wenn er sie durch die medizinisch-psychologische Untersuchung begleitet.

    Gründe: Burmann sieht Rasen als ein gewaltsames Durchsetzen von eigenen Interessen: „Die Gründe dafür sind vielfältig“, sagt er. Häufig sei Imponiergehabe und Prahlerei der Grund. Einige Raser hielten sich auch für so gute Fahrer, dass sie es sich leisten könnten, die Verkehrsregeln zu ignorieren. Was ebenfalls häufig vorkomme, sei Stress: „Negative Stimmungen wie Wut und Zeitdruck können sich auch im Fahrstil niederschlagen“, sagt er. Es sei möglich, dass diese Gemütszustände das überlegte Handeln behindern. Zudem führten sie schon automatisch zu schnelleren Geschwindigkeiten. Generell fehle es Gewohnheits-Rasern an einem Gefühl für die Konsequenzen des eigenen Handelns und Techniken, mit Stress umzugehen: „Sie denken häufig, dass sie sich das rausnehmen können. Weil der Stau sie zu viel Zeit kostet oder der Autofahrer vor ihnen sie nervt“, sagt er.

    Entspannung: Wer merkt, dass Stress und Zeitdruck sich auf dem Tachometer zeigen, sollte sich laut Burmann entspannen: etwa durch Atemübungen oder positive Gedanken. Am meisten bringe es aber, Stress von vorneherein vorzubeugen. Dafür müsse man seinen Tag anders planen: „Es hilft unheimlich, Zeitpuffer einzuplanen“, sagt er. Wer die Probleme öfter habe, müsse sich tiefere Gedanken machen: „Man muss sich dann fragen, wo die eigenen Schwachstellen sind, mit Stress umzugehen.“

    Umdenken: Wer unabhängig vom Stress rast, müsse umdenken: „Man muss spüren, dass das eigene Verhalten Konsequenzen hat. Etwa durch Strafen“, sagt Burmann. So könne man bei Uneinsichtigen ein Umdenken herbeiführen. (söbe)

    Als der Golf – warum auch immer – wieder Richtung links steuerte, habe er, um der Situation zu entkommen, Gas gegeben. Er habe unter Miteinbeziehung des Banketts am Mittelstreifen ganz links überholen wollen. Aber: Beide Fahrzeuge touchierten sich seitlich. Während der Arzt im roten Polo seinen Wagen stabilisieren konnte und nach rund 450 Metern angehalten habe, erwischte es den Golf voll.

    Das Opfer erlitt beim Autounfall auf der B2 eine Vielzahl von Verletzungen

    Mit mehreren Pirouetten längs wie quer flog das Cabrio nach rechts von der Straße gegen einen Baum am Straßenrand, bevor es im Graben liegen blieb. Der Fahrer erlitt dabei eine Vielzahl von Verletzungen: Kiefer-, Wirbel-, Beinbrüche, innere Verletzungen, Blutungen, Schädel-Hirn-Trauma. Fünf Wochen hätten die Ärzte am Uni-Klinikum mit ihm zu tun gehabt, bis er anschließend sieben Wochen auf Reha ins Allgäu gekommen sei, so der 52-Jährige. Als wolle er es nicht wahrhaben, presst sich der angeklagte Arzt die Hände auf die Augen, als der Geschädigte mühsam den Zeugenstuhl verlässt.

    Nur wenige Momente vor dem Unfall hatte es eine 35-Jährige mit dem roten Nürnberger Polo zu tun bekommen. Nach der Auffahrt auf die B2 bei Langweid habe sie beschleunigt und mit der erlaubten Höchstgeschwindigkeit von 120 km/h mehrere Lkw auf der rechten Spur überholen wollen, als mit hohem Tempo der rote Polo auf sie auffuhr. So weit auffuhr, dass es ihr so unangenehm wie nie in ihren zehn Jahren als Berufspendlerin auf der B2 gewesen sei. Und obwohl sie auf bis zu 140 km/h beschleunigt habe, sei der rote Schatten nicht kleiner geworden.

    Daten und Fakten

    Kraftfahrzeuge: Im vergangenen Jahr waren im Augsburger Land genau 204 849 Fahrzeuge zugelassen. Dies bedeutet im Vergleich zum Jahr 2009 eine Zunahme von fast 20 Prozent. Das Augsburger Land ist somit Spitzenreiter im Vergleich zu den Landkreisen Aichach-Friedberg, Dillingen, Donau-Ries und der Stadt Augsburg.

    Unfallursachen: Mit 44 Prozent ist der Hauptgrund für alle Unfälle ein zu geringer Sicherheitsabstand. Fehler beim Wenden, Rückwärtsfahren oder Abbiegen machen 30 Prozent aus, es folgen Vorfahrt (8), Geschwindigkeit (7), Rechtsfahrgebot (6), Überholen (3) und Alkohol (2).

    Tödliche Unfälle: Hier ist Hauptunfallursache die Geschwindigkeit mit 21 Prozent.

    Alter: In der Altersgruppe 45 bis 64 Jahre sterben am meisten Menschen: 36 Prozent. Knapp ein Viertel (24 Prozent) aller Getöteten ist zwischen 18 und 24 Jahre alt.

    Art der Fahrzeuge: Bei allen tödlichen Unfällen waren 44 Prozent Autos und 40 Prozent Motorräder beteiligt.

    (Quelle: Polizeipräsidium)

    Arzt erhält Haftstrafe nach Unfall auf der B2 bei Allmannshofen

    Gutachter Christian Ottilinger hat die Unfallspuren ausgewertet. Danach sei klar, dass der blaue Golf zum Zeitpunkt der Kollision mitten auf der linken Fahrbahn unterwegs gewesen sei. Und dass der rote Polo im Begriff gewesen sei, auf dem linken Rest der Fahrbahn und auf dem Bankett des Mittelstreifens vorbeizukommen. Rein rechnerisch wäre wohl gerade so Platz für den Polo auf einer nicht vorhandenen dritten Spur gewesen, aber praktisch sei ein Vorbeikommen nicht machbar, so der Gutachter.

    An dieser Stelle richtete die Richterin eindringliche Worte an den Arzt und dessen Verteidiger hinsichtlich deren Prozessabsichten. Für eine gewünschte Einstellung des Verfahrens und eine Reduktion der Führerscheinsperre auf die bereits vollzogenen elf Monate seit dem Unfall sah sie überhaupt keinen Weg. „So einem Fahrer wie Ihnen möchte niemand je begegnen“, so ihre Worte an den Mediziner, der schließlich einlenkte. Das Urteil ist rechtskräftig.

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