Die ukrainischen Geflüchteten haben sich gut in den bayerischen Arbeitsmarkt integriert. So bilanziert die Regionaldirektion Bayern der Bundesagentur für Arbeit ein Jahr nach dem Überfall Russlands auf die Ukraine.
Ein paar Zahlen: Seither sind rund 150.000 Menschen von dort in den Freistaat gekommen. Nach den jüngst verfügbaren Agentur-Zahlen waren rund 59.000 Geflüchtete erwerbsfähig, drei Viertel davon Frauen. Bis November 2022 waren insgesamt 23.900 Ukrainerinnen und Ukrainer sozialversicherungspflichtig beschäftigt, über 12.000 von ihnen kamen seit Kriegsausbruch. Und viele weitere dürften in den kommenden Monaten noch hinzukommen, denn aktuell sind laut Regionaldirektionsleiter Ralf Holtzwart in Bayern rund 21.000 in Integrations- und berufsbezogenen Deutschkursen. Über 16.000 von ihnen werden im Laufe des Frühlings dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen. Das sind gute Nachrichten für die Unternehmen.
Bundesagentur für Arbeit: Ausländische Fachkräfte werden gebraucht
Holtzwart betont: "Wir haben in Bayern mit fast 6 Millionen Beschäftigten einen Höchststand an sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung. Angesichts der 147.000 gemeldeten Stellen könnte diese Zahl noch höher sein. Allein aus dem Bestand der deutschen Arbeitslosen können wir diesen hohen Bedarf nicht mehr bedienen. Die Ukrainer:innen mit ihrer guten Qualifikation und dem Willen zu arbeiten könnten hier einen großen Beitrag für die bayerische Wirtschaft leisten." Der Arbeitsmarkt-Experte wiederholt einmal mehr: "Angesichts dieser Zahlen zeigt sich auch: Beschäftigungswachstum braucht auch ausländische Arbeits- und Fachkräfte. "
Der bayerische Innenminister Joachim Hermann (CSU) fügte während der Präsentation der Zahlen in Nürnberg hinzu: "Gerade die ukrainischen Kriegsflüchtlinge sind für unseren Arbeitsmarkt wegen ihres hohen Bildungsniveaus eine große Chance. Ausreichend Fachkräfte sind ein entscheidender Erfolgsfaktor für unsere Wirtschaft und unseren Wohlstand in Bayern."
Ukrainerinnen und Ukrainer arbeiten in allen Branchen
Die Ukrainerinnen und Ukrainer arbeiten in allen Branchen. Die meisten sind im verarbeitenden Gewerbe und in der Gastwirtschaft untergekommen. Viele haben auch im Handel einen Job gefunden. Holtzwart ist wichtig, dass sich die Geflüchteten auch ihren Qualifikationen entsprechend im Job weiterentwickeln können. Denn seinen Angaben zufolge haben 72 Prozent einen Uni-Abschluss. Zuletzt wären wieder sehr viele in der Gastronomie untergekommen, wo der Bedarf bekanntermaßen besonders hoch ist.
Holtzwart betont aber: "Wir wollen nicht, dass die Ukrainer:innen mit guter Qualifikation in Helfer-Jobs bleiben, sondern wir wollen sie kompetenzadäquat unterbringen." Sprich: Eine studierte Ingenieurin zum Beispiel kann vielleicht als Kellnerin beginnen, könnte aber mit immer besseren Sprachkenntnissen und zunehmender Integration eine Stelle finden, die ihrer Qualifikation entspricht.
Holtzwart spricht sich zudem für eine Beschleunigung von Anerkennungsverfahren und mehr Flexibilität aus. Er bringt das Beispiel der Erzieherinnen, von denen in Bayern auch viele fehlen: "Wir haben hier sehr weitreichende Anforderungen, die weit über das hinausgehen, was eine Familie, die zu Hause drei, vier, fünf Kinder erzieht, erfüllen muss. Hier könnten wir vieles vereinfachen."
Arbeitsmarkt-Experte Ralf Holtzwart: "Wir müssen nicht jedes Detail regeln"
Der Arbeitsmarkt-Experten hebt zudem erneut hervor, wie wichtig Sprachkenntnisse sind, und er plädiert dafür, dass Menschen, die einen Uni-Abschluss haben, Sprachkurse auch digital absolvieren können sollten. "Das muss nicht alles in Präsenz laufen. Wir müssen nicht jedes Detail regeln."
Die perspektivische Frage ist, ob die Kriegsflüchtlinge, die sich hier nun eine Existenz aufbauen, auch bleiben wollen. Niemand weiß, wann der Krieg in der Ukraine ein Ende findet. Holtzwart erklärt, es gebe zwei Tendenzen: Die einen, die Verwandte und Familie in der Ukraine haben und unbedingt zurückwollen, sobald es Frieden gibt. Ein Viertel sei nach Angaben des bayerischen Innenministeriums allerdings bereit, dauerhaft im Freistaat zu bleiben. Holtzwart sagt: "Wenn alle Geflüchteten Fachkräfte wären, könnten wir noch 80.000 brauchen. Je länger der Krieg dauert, desto mehr werden kommen.“