Mit dem göttlichen Klang und der magischen Kraft des Widderhorns Shofar eröffnete der israelische Solo-Hornist Bar Zemach das sechste Liberation Concert, auch im Gedenken an die Opfer des 7. Oktobers 2023. „Die Rabbiner haben diskutiert, ob der Shofar schreit oder weint“, sagte der neu gewählte Abt Primas Jeremias, der für Erzabt Wolfgang Öxler das Geschenk der Hoffnung des Maiabends 1945 ins Gedächtnis rief, als die Shoa gerade so überlebende Musiker, 100 Meter östlich ein Befreiungskonzert gaben.
Das Kloster fühle sich als Hüter dieser trotzigen Geste. „Schreien oder Weinen, manchmal möchte man verstummen, denn das heutige Befreiungskonzert tönt in eine schwere Zeit hinein“, so der Abt Primas. Maximilian Maier, Moderator des Konzertes, das der Bayerische Rundfunk aufzeichnete, begrüßte zahlreiche Ehrengäste. Unter ihnen die Schirmherrin Dr. h.c. Charlotte Knobloch, Präsidentin der israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, die Staatminister a.D. Dr. Ludwig Spänle und Dr. Thomas Goppel, den Generalkonsul der USA Dr. James Müller. Auch Landrat Thomas Eichinger und der Bundestagsabgeordneten Michael Kießling waren Gäste des Liberation Concerts.
Das Jerusalem Symphony Orchestra erarbetete ein zeitgemäßes Format des Erinnerns
Die Generalkonsulin des Staates Israel Talya Lador-Fresher betonte, „das provisorische Orchester von 1945 war der Beginn eines neuen selbstbestimmten Lebens“. Unter Hinweis auf die gegenwärtig gefangengehaltenen Zivilisten machte sie deutlich „Israel kämpft aktuell an sieben Fronten gleichzeitig“. Im Gedenken an die vor 79 Jahren in Lagerklamotten auftretenden acht ausgemergelten Musiker, erarbeitete das renommierte Jerusalem Symphony Orchestra ein zeitgemäßes Format des Erinnerns.
Der in Litauen geborene und im Alter von drei Jahren mit seiner Familie nach Wien emigrierte Chefdirigent Julian Rachlin mit seinem eleganten, begeisternden Stil, gilt als einer der faszinierendsten Dirigenten seiner Generation. Als Violinist fand er bereits in jungen Jahren den Weg an die Spitze der internationalen Klassikszene. Überschattet vom Krieg in Nahost dirigierte er nun mit kreativer Leidenschaft ausgewählte Kompositionen mit einfühlsamen Violoncello Soli von der Klassik über die Romantik, bis zum Impressionismus, die ein fulminantes Programm prägten, das vollkommene Qualität verlangte und diese auch bieten konnte.
Ursprünglich sollte einer der bedeutendsten Cellisten der Gegenwart, Mischa Maisky die Soli übernehmen, musste jedoch krankheitsbedingt absagen. Zur großen Erleichterung der Festspielintendanten Doris M. Pospischil und Hans-Joachim Scholz, erwies sich der mit zahlreichen Preisen ausgezeichnete Cellist Maximilian Hornung als grandioser Einspringer. Der 1986 in Augsburg geborene Cellovirtuose eroberte mit seiner mitreißenden Musikalität und technischen Perfektion im Nu die Herzen der ergriffenen Zuhörerschaft in der voll besetzten Klosterkirche.
Bravouröses Zusammenspiel mit dem homogen auftretenden Orchester begeistert das Publikum in St. Ottilien
Mit atemberaubender Technik und dynamischer Intensität berührte er sie mit den kleinen lyrischen, bittersüßen Rokoko Variationen der lustbetonen „Nocturne in d-Moll op. 19 Nr. 4 für Cello“ im bravourösen Zusammenspiel mit dem homogen auftretenden Orchester. Dem gegenüber stand das im Ausdruck feierliche, gekonnt orchestrierte, wehmütige, jüdische Gebet „Kol Nidrei op. 47“ von Max Bruch, das am Vorabend des höchsten Feiertages Jom Kippur gebetet wird und während des Nationalsozialismus komplett von den Spielplänen verschwand.
Als eines der anspruchsvollsten seiner Art gilt das „Cellokonzert Nr. 1 in C-Dur“ von Joseph Haydn, das 200 Jahre als verschollen galt und Maximilian Hornung einiges an Fingerfertigkeit und Präzession abverlangte. Der meisterhaft präsentierte dynamische dritte Satz „Allegro Molto“, gehört nach Meinung von Experten zum Schwersten, was die Celloliteratur zu bieten hat. „Also ein Fall für Maximilian Hornung“, so Convérencier Maximilian Maier.
Mit frenetischem Applaus und Bravorufen feierte das Publikum den Solisten und entlockte ihm mit seiner Begeisterung noch eine Zugabe, die auch Orchestermitglieder mit anerkennendem Beifall honorierten. Den festlichen Abschluss bildete Wolfgang Amadeus Mozarts spät barock anmutender Welterfolg, die vorletzte große „Sinfonie Nr. 40 in g-Moll, KV 550“. Dem dunklen und melancholischen Niveau der Sinfonie entsprechend, drückten die versierten Tonkünstler eine spürbare Tiefe menschlichen Erlebens aus, mit Wehklage und Seelenschmerz, was nicht enden wollende Beifallsstürme auslöste.
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