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Erfolgreiche Inklusion am Arbeitsplatz: Korbinian Gilchs Weg zum Fachwerker

Arbeitsmarkt

Seltener Ausbildungsweg: Korbinian Gilch ist jetzt Fachwerker

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    Michael Reinhart (rechts) von der Arbeitsagentur hofft, dass mehr Firmen dem Beispiel von Josef Streicher (links) folgen. Dieser hat Korbinian Gilch in seiner Uttinger Gärtnerei zum Fachwerker ausgebildet.
    Michael Reinhart (rechts) von der Arbeitsagentur hofft, dass mehr Firmen dem Beispiel von Josef Streicher (links) folgen. Dieser hat Korbinian Gilch in seiner Uttinger Gärtnerei zum Fachwerker ausgebildet. Foto: Christian Mühlhause

    Der 20-jährige Uttinger Korbinian Gilch hat im Sommer seinen Abschluss zum Fachwerker mit einer Eins vor dem Komma beendet. Sie wissen nicht, was das ist? Dann befinden Sie sich nach den Erfahrungen von Michael Reinhart von der Arbeitsagentur Weilheim in guter Gesellschaft. Der Leiter des Fachbereichs Teilhabe am Arbeitsleben und Schwerbehinderte möchte das ändern. Dafür hat er in einen aus seiner Sicht vorbildlichen Betrieb eingeladen: die Gärtnerei von Josef Streicher in Utting. Für Betriebe mit mindestens 20 Mitarbeitenden gibt es gestaffelte Vorgaben, wie viele Personen mit Handicap sie mindestens beschäftigen müssen. Erfüllen Sie die Quote nicht, wird eine Abgabe fällig. Unsere Redaktion hat dazu für den Agenturbezirk Weilheim, der unter anderem die Landkreise Landsberg und Weilheim-Schongau umfasst, Zahlen erfragt.

    „Das Lesen und Schreiben ist nicht so meins“, sagt der zurückhaltende Korbinian Gilch. Dafür hat er einen grünen Daumen und begeistert sich für die Pflanzenwelt. Den hat er von daheim mitbekommen. „Meine Mutter hat auch als Gärtnerin gearbeitet.“ Er hat die Förderschule in Landsberg besucht und dann ein berufsvorbereitendes Jahr beim Bildungsträger Herzogsägmühle in Peiting im Bereich Gartenbau absolviert. Dann bot sich ihm die Chance, seinen Fachwerker zu machen. Diese Ausbildung ist auf Menschen mit Behinderung zugeschnitten und enthält mehr Praxis- und weniger Theorieanteile als üblicherweise. In anderen Zweigen, wie dem Informatiker oder dem Elektroniker, heißt diese Option Fachpraktiker. Insgesamt etwa 60 Berufsbilder werden hier angeboten, informiert Michael Reinhart von der Arbeitsagentur.

    Berufsschullehrer gewinnt Uttinger Gärtnerei für seltene Ausbildungsform

    Für Josef Streicher, der schon seit vielen Jahren ausbildet und auch im Prüfungsausschuss sitzt, war es ebenfalls eine neue Erfahrung, als Gilch im Jahr 2021 bei ihm anfing. Er wurde von einem Berufsschullehrer in Peiting angesprochen. „Korbinian ist sehr einsatzfreudig und man merkt, dass es auch positiv für ihn ist, dass er den Fachwerker geschafft hat. Wir nutzen Praktika, um vorab zu sehen, ob es passt.“ Das Soziale sei ihnen in der Firma wichtig, betont Streicher, bei dem weitere Beschäftigte mit Handicap arbeiten. Und er will anderen Arbeitgebern Sorgen nehmen: „Probezeit und Kündigungsfristen gelten hier wie sonst auch.“

    Streicher hat vor der Einstellung des 20-Jährigen einen Kurs belegt, eine Woche in Präsenz und zwei Module online, insgesamt 320 Unterrichtseinheiten. Michael Reinhart verweist darauf, dass es sich dabei um eine Zusatzqualifikation für Ausbilder handelt. „Es geht darum, Krankheitsbilder kennenzulernen und einen Blick dafür zu bekommen, ob der Lehrling unmotiviert ist oder ein Zusammenhang zur Krankheit besteht.“

    Beauftragte im Kreis Landsberg ruft zu mehr Inklusion in der Arbeitswelt auf

    Mehr Menschen mit Behinderung eine Chance zu geben, dazu ruft auch Barbara Juchem, Beauftragte für Menschen mit Behinderung im Kreis Landsberg, auf. „Es ist meiner Wahrnehmung nach in den vergangenen Jahren besser geworden, aber nicht viel. Ich bekomme immer noch häufig die Rückmeldung, dass nach einer Bewerbung oder einem Gespräch die Absage kam.“ Als schwerbehindert gilt, wer mindestens einen Grad der Behinderung von 50 hat. Ursache dafür können zum Beispiel auch ein Bandscheibenvorfall, Diabetes oder Krebs sein.

    In den fünf Landkreisen, die zum Agenturbezirk Weilheim gehören, gibt es derzeit 1224 Betriebe, die im Jahresschnitt mindestens 20 Arbeitsplätze hatten. Davon erfüllten 404 Betriebe die Beschäftigungsquote komplett und 410 hatten keinen einzigen Beschäftigten mit Handicap, sagt Andreas Porsch, Pressesprecher des zuständigen Zentrums Bayern, Familie und Soziales. Für das Jahr 2023 seien bis zum 20. November über fünf Millionen Euro an Ausgleichszahlungen eingegangen, so Porsch. Die Summe ist in den vergangenen Jahren stetig gestiegen. Das Geld fließt in die Teilhabe schwerbehinderter Menschen am Arbeitsleben.

    Korbinian Gilch hat sich entschlossen, nach dem Fachwerker direkt mit einer verkürzten Ausbildung zum Gärtner im Bereich Zierpflanzenbau weiterzumachen. Dafür werden ihm bereits erbrachte Leistungen angerechnet.

    Zahlen aus dem Agenturbezirk Weilheim

    • Arbeitslosigkeit: Im Kreis Landsberg lag die Arbeitslosigkeit im Oktober 2024 bei 3,1 Prozent. Bei den Menschen mit einer schweren Behinderung waren es 7,2 Prozent. Noch größer ist der Unterschied in Weilheim-Schongau (3,1 und 8,2 Prozent)
    • Berufszweige: Die meisten Menschen mit einer Schwerbehinderung arbeiten im verarbeitenden Gewerbe (über 1400) und Gesundheits- und Sozialwesen (etwa 1000). Die Statistikabteilung der Arbeitsagentur hat Zahlen für die Jahre 2018 bis 2022 zur Verfügung gestellt.
    • Beschäftigte mit Schwerbehinderung: Bei den unter 25-Jährigen waren es in diesen fünf Jahren jeweils etwas mehr als 100, bei den 45-55-Jährigen waren es zwischen 600 und 700 und bei den über 55-Jährigen zwischen 2400 und 2700.
    • Ausbildung: In dem Zeitraum lag die Zahl der Ausbildungsplätze für Menschen mit Schwerbehinderung stets unter 50.
    • Ausgleichszahlungen: Die Sätze für Firmen mit mehr als 20 Beschäftigten betragen zwischen 140 und 720 Euro pro Monat für jeden nicht besetzten Pflichtarbeitsplatz. Ab dem Erhebungsjahr 2024 wurde eine vierte Staffel eingeführt. Betroffen sind die verpflichteten Arbeitgeber, die keinen schwerbehinderten oder gleichgestellten behinderten Menschen beschäftigen. Die höchste Einzahlung im Agenturbezirk Weilheim belief sich für 2023 (Stand: 20.11.2024) auf 152.000 Euro und im Jahr 2022 auf 178.000 Euro.
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