Der Markt Dießen plant, wie berichtet, den Kauf von 17 Wohnungen in drei Mehrfamilienhäusern am Waffenschmiedweg von einem Bauträger für fast 7,4 Millionen Euro. Es existiert bereits ein entsprechender Grundsatzbeschluss des Gemeinderats. Daran wurde in den vergangenen Wochen von mehreren Seiten Kritik laut, unter anderem wegen des Quadratmeterpreises. Der CSU-Ortsverband hatte kürzlich zu einer Infoveranstaltung eingeladen, bei der das Thema noch einmal von mehreren Seiten beleuchtet wurde. CSU-Ratsmitglied Johannes Wernseher kündigte an, dass seine Partei noch einmal die Initiative ergreifen wolle. Die CSU bemängelt fehlende Informationen und fordert zudem, dass die Gemeinde einen externen Fachmann für das Projekt beauftragt.
„Wir möchten alle Gemeinderäte mit den bei unserer Veranstaltung anwesenden Fachleuten für einen Meinungsaustausch zusammenbringen“, so Wernseher. Anwesend waren der Architekt Matthias Krapf, Thomas Lindner (Pro Immobilien), der Architekt und Bausachverständige Norbert Stiebeiner und Lothar Stenzel (Geschäftsführender Gesellschafter einer Bauträgergesellschaft mit Sitz in Berlin). Letztgenannter lebt in Utting. Sie alle kritisieren den angesetzten Preis als aus ihrer Sicht deutlich zu hoch.
Bauträger hat in Dießen kein Risiko und keine Vertriebskosten
„Ein Quadratmeterpreis von 7400 Euro ist viel zu hoch. Mehr als 5400 Euro je Quadratmeter sind in der Lage nicht angemessen. Der Bauträger hat auch keinerlei Risiko und Vertriebskosten, weil der Markt Dießen alle Wohnungen abnimmt. Gute Deals bringen zehn bis 15 Prozent Rendite, hier reden wir über 30 Prozent“, urteilt Stenzel. Bürgermeisterin Sandra Perzul (Dießener Bürger) verwies gegenüber unserer Redaktion, wie berichtet, darauf, das das Sachgebiet Wohnungswesen der Regierung von Oberbayern im Detail geprüft habe und die Förderung nur fließe, wenn alle Kriterien erfüllt seien. Laut Rathauschefin liegen dem Markt zudem entsprechende Marktpreise für vergleichbare Projekte vor, aus welchen ersichtlich sei, dass der Preis „marktüblich“ sei. Derzeit bewegten sich die Immobilienpreise für Etagenwohnungen/Neubau bei einem Quadratmeterpreis zwischen 6600 und 7250 Euro für die Marktgemeinde. „Darüber hinaus haben die Fördergeldgeber zahlreiche Vergleichsobjekte, welche dies ebenfalls bestätigen können.“
Der Bausachverständige Stiebeiner äußerte, er kenne nicht ein Objekt im Landkreis Landsberg, das vergleichbar sei und einen solchen Preis erziele. Zudem werde der Preis für eine Wohnung angesetzt, der Markt Dießen kaufe aber alle, was sich nicht widerspiegele. Er selbst arbeite mit der Immobilienagentur Baywobau in München zusammen, die die Vorgabe mache, dass der Preis unter 4000 Euro je Quadratmeter liegen und die Qualität stimmen müsse. Architekt Krapf verwies auf ein aktuelles Beispiel in der Infanteriestraße, mitten in München, wo Wohnraum für acht Euro kalt je Quadratmeter geschaffen wurde. In Dießen sollen zwölf Euro veranschlagt werden. Ohne Förderung wären es 18 Euro. „Für den Preis findet man in Dießen so schon etwas. Der Betrag muss deutlich unter zehn Euro liegen“, fordert der Architekt.
Energiestandard rechtfertigt den Preis laut Fachleuten nicht
Die Bürgermeisterin begründete den Preis auch damit, dass der „derzeit höchste Energiestandard (KfW 40) sowie die Kriterien des Qualitätssiegels für nachhaltige Gebäude umgesetzt werden“. Ein Gast der CSU-Veranstaltung wollte wissen, wie groß der Unterschied zu KfW 55 ist.“Wenn ich das ganz oben ansetze, reden wir über 200 Euro je Quadratmeter, also Mehrkosten von 200.000 Euro“, so Sachverständiger Stiebeiner. Lindner hatte zuvor berichtet, dass er ein Projekt mit diesem etwas niedrigeren Standard und Tiefgarage in Weilheim für 3500 Euro je Quadratmeter Herstellungskosten umgesetzt habe.
Zweiter Bürgermeister Roland Kratzer beklagte, dass bisher den Gemeinderäten nicht einmal eine Baubeschreibung vorgelegt worden sei. „Ich weiß nur, was ich am Ende ausgeben soll und das entspricht einem Drittel des jährlichen Haushalts des Marktes.“ In einer ersten Abstimmung gab es noch keine Mehrheit für das Projekt, in einer zweiten nicht öffentlichen dann schon, so Kratzer. Aus seiner Sicht soll hier etwas übers Knie gebrochen werden, weil in den vergangenen Jahren im Wohnungsbau nichts passiert sei, obwohl die Gemeinde über eigene bebaubare Grundstücke verfüge. Er verwies unter anderem auf die 7000 Quadratmeter an der Prälatenstraße und die 5000 Quadratmeter in Romenthal.
Kaufsumme entspricht einem Drittel von Dießens Haushalt
„Nur weil ich schnell ein Auto brauche, kaufe ich keinen Ferrari, wenn ich mir nur einen Volkswagen leisten kann.“ Kratzer stößt auch auf, dass die Gemeinde ein fertiges Gebäude kauft. Es sei kein Fachmann für die Bauüberwachung beauftragt worden, dabei habe die Umsetzung des Bauprojekts schon begonnen. „Wenn alles verputzt ist, sieht man die Schäden nicht mehr.“ Architekt Krapf schlug vor, dass die Kommune einen Immobilienfachwirt anstelle oder eine Wohnungsgenossenschaft gründe, um das Thema bezahlbaren Wohnraum in Dießen „strukturiert voranzutreiben.“ Aus Seiner Sicht werde im Waffenschmiedweg „mindestens eine Million Euro zu viel“ gezahlt, die Kosten für Fachpersonal damit daher „locker drin“.
Der Gemeinderat muss die Bürgermeisterin noch ermächtigen, den Kauf beim Notar zu tätigen, informiert Zweiter Bürgermeister Roland Kratzer (CSU) zum Stand des Verfahrens. Er hofft zudem, dass das Thema wegen der Dimension in öffentlicher Sitzung behandelt wird. Das könne auf allgemeiner Ebene erfolgen, ohne vertragsrechtliche Informationen preiszugeben, sagt er.
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